Linie der Kämpfer für die moderne Kunst. Kramais Lebenswerk
wurde für die Entwicklung der mitteleuropäischen Kunst des
zwanzigsten Jahrhunderts von großer Bedeutung.
Vincene Kramar, geboren 1877, geht nach kurzem Studium
in Prag im Jahre 1898 nach Wien und studiert am österreichi-
schen Institut für Geschichtsforschung. Die Wiener Schule übt
einen bedeutenden Einflufl auf Kramars weitere Arbeit aus.
Nachdem er einige historische Arbeiten veröffentlicht hat, wen-
det Kramai sein Interesse der Kunstgeschichte zu. Vor dem
Ersten Weltkrieg hält er sich einige Jahre in Paris auf, wo er
zum Freundeskreis Picassos zählt.
Als Historiker, Kritiker und Kenner der modernen Kunst wird
er im Jahre 1919 mit der Leitung der „Galerie der Freunde der
Kunst" betraut (heute Nationalgalerie). Unter seiner Leitung ent-
steht eine Abteilung für tschechische Gotik, er erwirbt eine Reihe
hervorragender Bilder, wie z. B. einen herrlichen Goya, entdeckt
eine „Verkündigung" Rembrandts, über die er eine Studie
schreibt, und baut eine Sammlung französischer Meister aus dem
19. und 20. Jahrhundert auf. Er erwirbt für die Galerie einen
Akt Picassos aus dem Jahre 1906, eine Landschaft aus Horta
d'Ebr0 aus dem Jahre 1909 und einen großen Akt mit Draperie
aus dem jahre 1920. Kramaf begründet die Sammlung moderner
tschechischer Kunst im Rahmen dieser Galerie. Seine theore-
tischen Arbeiten sind grundlegend für die Geschichte der Avant-
garde in Böhmen. Kramai- schreibt zahlreiche Arbeiten inter-
nationalen Formats, von denen einige hier erwähnt seien: „Ku-
bismus", „Caravaggio und die Entstehung des modernen Stil-
lebcns", „Spanien und der Kubismus". In seiner Studie
über Objektivität in der Kunstbetrachtung, in welcher er zur
Definition des dialektischen Verhältnisses zwischen Wissenschaft
und subjektivem Erleben gelangt, schreibt Kramaf: „In Wirk-
lichkeit brauchen wir für das Verständnis der Kunst vergange-
ner Epochen nicht nur die wissenschaftlichen Grundlagen, son-
dern wir müssen dieses Verständnis stets neu erkämpfen. Dies
wäre unmöglich ohne ein Subjekt, das die immer neuen Verände-
rungen des zeitgenössischen Schaffens durchlebt hat, denn durch
sie wird auch die moderne Forschung wieder modifiziert."
Abschließend sei auf das letzte Werk Kramais „Fragen der mo-
dernen Kunst" hingewiesen. In diesem Werk befaßt sich der
heute einunduchlzigjährige Autor erneut mit dem Thema seines
Lebenswerkes und bemüht sich um die Zusammenfassung seiner
Erfahrungen.
KOTHGASSER, MOHN, GOTTSTEIN UND HABERL
GLASVEREDELUNG IN WIEN UND NIEDERÖSTERREICH ZUR BIEDERMEIERZEIT
Von IGNAZ SCHLOSSER
Der distinguierte Fremde, der nach 1810 nach Wien kam, und
die vermögenden Kreise im Lande selbst konnten nicht in Ver-
legenheit sein, wenn es sich darum handelte, ein Souvenir mitzu-
bringen oder eine Frcundschaftsgabe zu erwerben. Zahlreiche
Silberschmiede boten ihre Erzeugnisse an, die Wiener Porzellan-
manuiaktur steht noch in der Nachblüte der Sorgenthalschen
Zeit, und wenn jemand ein hübsches buntes Glas zu kaufen
wünschte, so standen die Erzeuggnisse von Gottlob Samuel Mohn
sowie von Anton Kothgasser und dem Kreis seiner Freunde zur
Verfügung,
Gottlob Samuel Mohn (1789 in Weißenfels geboren, 1825 gestor-
ben in Wien als Schloßmaler von Laxenburg) beginnt gemein-
sam mit seinem Vater Samuel Mohn in Deutschland seine künst-
lerische Tätigkeit als Porzellan-Hausmaler. Anton Kothgasscr
(1769 in Wien geboren, seil 1784 Maler in der Wiener Porzel-
lanmanufaktur, nachdem er vorher seine künstlerische Ausbil-
dung an der Akademie erhalten hatte, gestorben in Wien 1851)
entfaltet eine reiche künstlerische Tätigkeit in der Wiener Por-
zellanmanufaktur. Beide, sowohl Gottlob Samuel Mohn als auch
Anton Kothgasser suchen eine Befriedigung ihrer romantischen
Neigungen in der Herstellung monumentaler Glasmalcreicn.
Ihren künstlerischen Ruhm und ihre Wlertschätzung bei den
Sammlern verdanken jedoch beide in der Hauptsache jencn
bunibcmalten Trinkgläscrn, die sie nur so nebenbei als gern ge-
kaufte Artikel jedoch mit aller Liebe herstellten.
Mohn Vater hat einmal seinen Themenkreis als „Trinkgläser
von allen Sorten mit Landschaften, Allegorien, Dekorationen und
Musici nebst Texten" umschrieben, wobei cr allerdings die Sil-
houetten anzuführen unterlief}. Mohn Sohn ist diesem Themen-
kreis in der Hauptsache treu geblieben.
Anton Kothgasser und sein Freundeskreis hat sich thematisch
ein viel weiteres Ziel gesteckt. Stadtveduten, vor allem berühmte
Baulichkeiten und Plätze in Wien und Umgebung, aber auch
darüber hinaus aus anderen österreichischen Städten, mit Be-
schriftungen in deutscher oder französischer Sprache; Landschaf-
ten; in geringerer Zahl figurale Darstellungen wie Porträts,
Genreszenen, Heilige, Soldaten und Allegorien; dagegen spielen
wiederum Pflanzen und Tiere eine sehr große Rolle, die Blu-
menmalerei wird mit großer Liebe gepflegt (Gläser mit Blumen-
akrostichen - bei denen die Anfangsbuchstaben der dargestell-
ten Blumen den Namen der Empfängerin des Glases ergeben -
gehen wohl auf besondere Bestellungen zurück); bei den Tieren
sind es vor allem Vögel, Hunde, Fische, Insekten aller Art,
und Schlangen als Symbol der Ewigkeit; dazu kommen noch die
Gläser mit Darstellungen von Spielkarten, jahreskalendern, dem
gestirnten Himmel u. 1m.
Mohn Vater und Sohn und die von ihnen beschäftigten Maler be-
vorzugen einfache zylindrische Glasbecher, manchmal ist der
Mundrand leicht ausgeweitet. Anton Kothgttsser und sein Kreis
bedient sich fast ausschließlich des sogenannten Ranftbechers,
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