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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 198 und 199)

Johannes Ramharter 
Thomas Schwanthaler 
Ein Literaturüberblick 
 
Die Kunst des 17. Jahrhunderts erfreut sich offenbar, 
von wenigen Ausnahmen abgesehen. keines besonde- 
ren Interesses. wDerjenigedersich in einem dergroßen 
Handbücher der Kunstgeschichte über die deutsche 
Bildnerei derersten Hälfte des XVll. Jahrhunderts unter- 
richten will, vernimmt in den eineinhalb bis zwei Seiten, 
weiche diesem Thema gewidmet sind, einige wenige 
deutsche Künstlernamen und mehrere fremde und 
schließlich das zusammenfassende Urteil, daß es eine 
selbständige deutsche Bildhauerkunst dieser Zeit nicht 
gegeben habe? 
Diese Worte schrieb Guby im Jahre 1918, und an dieser 
Situation hat sich trotz zweier großer Oberüsterreichi- 
scher Landesausstellungen wenig geändert. Nureinige 
wenige Monographien süddeutsch-dsterreichischer 
Bildhauerwu rden gedruckt, die meisten Arbeiten zu die- 
sem Thema sind weithin über die verschiedensten Zeit- 
schriften verstreut und nur nach langem Suchen auf- 
findbar. Die einzige monographische Arbeit über 
Thomas Schwanthaler. eine Dissertation von Waltrude 
Oberwalder.wurdenie gedruckt.ja noch schlimmer, sie 
ist selbst am Kunsthistorischen Institut der Universität 
Wien im Moment nicht auffindbar. 
Aus diesem Grund soll hierein kurzer Überblick überdie 
bisher erschienenen Arbeiten über diesen bedeuten- 
den Flieder Bildhauer versucht werden. 
Wertvolle Impulse hat die Schwanthaler-Forschung 
immerwiederaus derFtiederHeimatforschung empfan- 
gen. Bereits 1 91 Ofand in Ried eineAusstellung überdie- 
sen Künstler statt. in mehreren Artikeln in der. leider 
schwer zugänglichen. Flieder Zeitschrift wHeimat- 
kundeu brachten Franz Berger und W. Gärtner zahlrei- 
che Materialien an die Öffentlichkeit, später war es 
dann Max Baubbck, dem es immerwieder gelang, durch 
neue Archivalien dieSchwanthaler-Forschung zu berei- 
chern, Somit ist das Bild vorn Leben dieses Bildhauers 
um einiges klarer und lebendiger als das manches sei- 
ner berühmteren Zeitgenossen. Diese Tatsache fand 
auch in der belletristischen Behandlung Thomas 
Schwanthalers ihren Niederschlag. 
Die erste stilistische Untersuchung des Schaffens Tho- 
mas Schwanthalers brachte RudolfGuby 1919. ein Jahr 
nach seinem grundlegenden Artikel über den Salzbur- 
ger Bildhauer Hans Waldburger. In seiner Arbeit betont 
er vor allem die Kontinuität der heimischen Holzplastik 
vom 15. Jahrhundert bis in die Zeit des Barock. Von der 
etwas apodiktischen Behauptung ausgehend. Thomas 
Schwanfhaler habe italienische Kunst aus eigener An- 
schauung gewiß nicht gekannt, sucht Guby nach der 
Herkunft des. diesem Künstler eigenen, "Bewegungs- 
überschwangsu. Diese dynamische Bewegung in der 
Draperie charakterisiertertolgendermaßen: ßBei ihnen 
[den Figuren Thomas Schwanthalers] verläuft das 
Gewand in schweren zügigen Falten. die sich meist an 
die runden Körperformen schmiegen. Die Bewegtheit 
erreicht der Künstler dadurch, daß er das Gewand von 
den Rändern her aufkräuselt und umstülpt, daß er 
Gewandzipfel und Scharpen spiralig dreht und wegflat- 
tern läßt. daß er mitten in dem schweren Faltenfluß will- 
kürlich eine Gewandpartie herausgreitt, die er im toll- 
sten Linienspielzerkniffert und zerknüllt. Die Bewegung 
seiner Figuren ist nicht im Innersten der Figuren 
begründet, sie stehen gleichsam in einem tosenden 
Sturm,derdasanliegsndeGewandanden Kdrperpreßt, 
die freiflatternden Gewandteile durchwirbelt. der die 
einzelnen willkürlich gewählten Faltenzüge gegenein- 
anderpeitscht, so daß sie zerknüllt. sich windend und 
überstülpend. gegeneinanderstoßenß Die Anregung 
für diesen Stil kämen aus der spätgotischen Kunst des 
zweiten und dritten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts. 
Nebenbei bemerkt, finden wir auch in Gubys Aufsatz 
eine starke Identifizierung mit dem Meister, einen Zug. 
der sich auch in einigen anderen Arbeiten über Thomas 
Schwanthaler findet. Es ist das Bild des ständig mit den 
Schwierigkeiten des Alltagslebens kämpfenden Natur- 
burschen. ein wenig streitlustig und verschwenderisch, 
aber durchaus liebenswert. So findet man die für eine 
stilistische Untersuchung überraschende Aussage, 
wwir freuen uns förmlich, wenn sein knausriger Mattig- 
hofener Schwager sich vor Gericht beklagt. daß 
Schwanthaler die ihm geliehenen 15 Gulden am Lukas- 
tag, dem Festtage der Bildhauer- und Malerzunft. mit 
seinen Leuten in Küchen und Keller verzehrt und zuge- 
bracht haberra. Von diesem eigenartigen Verhältnis zwi- 
schen dem Künstler und seiner Nachwelt wird noch bei 
der Behandlung der Schwanthaler-Romane die Ftede 
sein. 
In Fortsetzung des eben behandelten Artikels beschäf- 
tigte Guby sich in seinem lnnviertelbuch mit Thomas 
Schwanthaler. Er faßt das Werk des Rieder Meisters in 
mehrere Gruppen zusammen. deren erste er mit dem 
Hochaltar der Sebastianskirche in Andorf enden läßt, 
ein Werk, das er zwischen 1665 und 1670 ensetzt. Her- 
vorgehoben wird aus dieser Gruppe vor allem der 
Floriani-Altar der Ftieder Stadtpfarrkirche. den Guby 
wein Hauptwerk der expressionistischen Kunst der ka- 
tholischen Gegenreformationszeitf nennt. l- 
nicht Figur und Handlung des Heiligen an sich 
stand der Darstellung, sondern das Wunderba 
Höhepunkt im Schaffen Schwanthalers wird dar 
zweiten Phase erreicht. in der Zeit zwischen 1( 
1680. In diese Gruppe fallen insbesondere die ß 
für Maria Plain, der Doppelaltar von St. Wolfgan 
die Figuren des Hochalfars in St. Peter am H 
Guby besonders hervorhebt? In diesen Janrer 
"Darstellung...vollunerhörterDrarnatik.seiner 
werden schlanker und eleganter, leichtbewegiii 
jenederFrühzeit.derGewandstilverliertseineü 
ßige Schwere und Wucht, eine überirdische Bes 
spricht aus Antlitz und Gebärde seiner Heilige 
dem Hochaltar von Mehrnbach um 1690 setzt dl 
Phase im Schaffen Schwanthalers ein. Hierwer( 
dem Einfluß berninesker Kunst ein immer große 
der Gewandtläche vergoldet und daher werde 
Flächen in reich bewegte. wellenartig sich kräi 
Fältchen zerlegtnDieneueModebrachte inden 
Stil des Meisters jene zittrige Unsicherheit, 
besonders bei seinen Alterswerken beobachte 
Die bislang einzige monographische Arbeit v1 
wie oben bereits vermerkt, Waltrude Oberwalds 
Während Guby noch Schwanthaler völlig isolie 
hen hatte, bezog Oberwalder den Umraum in ihr 
mit ein. Bei der sorgfältigen Analyse der eii 
Werke weist sie immer wieder auf den Gegens 
schen ruhigen, verinnerlichten und pathetisi 
bewegten Figuren als Mittel dramatischer Er; 
hin. Das gilt gerade für die Schalchener B 
Gruppe von 1672. die sich ungeachtet ihrer . 
lieblosen Aufstellung großer Beliebtheit erfreut 
ln der Gestaltung der Gesichter seien immer wie 
gleichen Grundtypen zu finden. die Thomas abv 
Besonders gelte das für den Typus des bärtige 
nes. der in den reizvollsten Varianten ausgehe 
Floriani-Altar in Ftied von 1669 bis zum hl, Andri 
Münsteuer aus 1686 immerwieder in seinem IA 
zutreffen sei. Charakteristisch seien aber vor al 
schwanthalerschen Ausprägungen des Engr 
Nebenbei bemerkt stellen die Engelsfiguren z 
vLeitfossilu für die Zuweisung der, im 17. Jahrl 
leider kaum durch archivalische Notizen belei 
Werke heimischer Schnitzkunst dar. Sie s 
äußerst charakteristisches Werkstattgut, in gl 
Maße bei Hans Waldburger wie auch bei ' 
Schwanthaler. Der Engelstyp Schwanthaler 
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