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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 91)

Wilhelm Mrazek 
CARLOS RIEFEL. 
EIN ÖSTERREICHISCHER 
BLUMEN- UND 
FRÜCHTEMALER 
 
 
Die natürliche Schönheit der Blumen und deren 
bunte Mannigfaltigkeit war eine Entdeckung der 
Künstler des spülen Mittelalters und der aufgehen- 
den Neuzeit, ln Stundenbüchern blühten sie neben 
den Gebetstexten und auf den spötgotischen Tafeln 
schmückten sie die Landschaften, den Paradieses- 
garten und die Madonnen im Rosenhag. Albrecht 
Dürers leidenschaftliches Interesse an der Natur 
und ihrer Darstellung erhob sie zu Schöpfungen 
von einmaligem Reiz. die das Allgemeine der 
Natur und das Besondere der Kunst wieder- 
gaben. 
Das Interesse an Blumen und Früchten seit dem 
Beginn der Neuzeit führte schließlich zu den 
großen Prachtwerken des17, Jahrhunderts wie den 
Büchern der Maria Sibylle Merian oder dem „Hor- 
tus Eystettensis", deralle Blumen abbildet. die in den 
Gärten des Erzbischofs von Eichstödt wuchsen. 
Im weiteren Verlauf entwickelte sich die Beschäft- 
gung mit der Botanik zu einer ..scientia amabilis", 
deren Ursprung im ..Hortus nittidissimum" von 
1730 mit folgenden Worten beschrieben wird: 
"Die Anmut der Blumen hat ihnen eine so all- 
gemeine Liebe und Hochachtung erworben. daß 
uns die wenigen Monate, in welchen solche von 
der Natur unseren Augen entzogen werden, viel 
zu lange erscheinen i dies hat nun viele Liebhaber 
bewogen, zur Malkunst ihre Zuflucht zu neh- 
men." 
Im 18. Jahrhundert findet das "Herborisieren" 
der Zeitgenossen seinen Niederschlag nicht nur in 
Karl von Linnes erster wissenschaftlicher Systemati- 
sierung des Pflanzenreiches. in Goethes botani- 
schen Studien und Rousseaus botanischen Briefen, 
sondern vor allem in der Ausbildung der Blumen- 
malerei zu einem eigenen Zweig der Malkunst. 
An allen Akademien gab es jetzt eine Klasse 
für die Blurnenmaler. von denen die an der Wiener 
Schule einen hervorragenden und einmaligen Ruf 
genoß. ZahlreicheMalerausdieserKlasseschmück- 
ten den ..Hortus Schönbrunnensis" und das viel- 
böndige Werk über die „Flora austriaca" und 
stellten so ihr Können unter Beweis. Goethe war 
der Überzeugung. daß der Anblick solcher Blätter 
alle bezaubern müßte. denn "die Natur ist offen- 
bar. die Kunst versteckt, die Genauigkeit groß, 
die Ausführung mild, die Gegenwart entschieden 
und befriedigend". 
Die Malerei nach Goethes Tod suchte sich jedoch 
andere Aufgaben. Ab 1850. seit dem Beginn der 
industriellen Revolution. hatte das Genre der 
Blumenmalerei keine Chancen mehr. die Gemüter 
Zu bewegen und zu erfreuen. Und erst recht seit 
1900 hat kaum mehr ein Maler von Bedeutung 
sich der Blumenmalerei gewidmet. Die "scientia 
amabilis" schien tatsächlich abgewirtschaftet zu 
haben oder ein Reservat dilletierender Laien zu 
sein. 
Nur ein Maler von Rang und Namen. der Wiener 
Carlos Riefel, ist diesem Genre treu geblieben. 
Seit Jahr und Tag malt er Blumen und Früchte 
und demonstriert einer theoretisierenden und 
ideologisierenden Malerei die stillen Vorzüge und 
Qualitäten. die künstlerische und menschliche 
Größe, die in einer ausschließlichen Hinwendung 
zum Kleinen verborgen ist. Ohne Aufhebens 
vollzieht er in der täglichen Arbeit an seinen Blat- 
tern die intensivste Hingabe an die Realität, an 
das Phänomen. an das Objekt. die den Verfrem- 
dern, Verzerrern. Signalmalern und optischen 
Vexoteuren bedeutungslos geworden sind. Was dem 
oberflächlichen Anschein und einem leichtfertigen
	        
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