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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 201 und 202)

Kurt Rossacher 
Modell und Bronzeguß - 
zwei Obstholzmodelle 
Hans Krumpers für die 
Bronzestatuen der 
Jahreszeiten 
I Hans Krumper, xsommen. Obstholzmodell, Detailansicht. 
Privatbesllz 
Anmerkungen 1 - 2 
' Dovolhan Diemer. Hans Klumpal. in: Wlllelsbach und Bayem, Ausstel- 
lungskalalog m1. 
l Bayerisches Nalionalmuseum, Kai. XHIIS. 144. Nv. 176. 
Hans Krumper (1570-1634), herzoglich bayerischer 
Hofbildhauer, lernte bei dern niederländischen Bild- 
hauer Hubert Gerhard das Modellieren der Form in Ter- 
rakotta und Wachs als Vorbereitung für den Bronze- 
gußf 
Daß er auch in dem einer Kunstkammerder Spatrenais- 
sance würdigen Material des harten Obstholzes gear- 
beitet hat. beweisen die Statuen des Sommers und des 
Herbstes, welche unlängst aufgetaucht sind. Sie sind 
die exakten Modellefürdie im Bayerischen Nationalmu- 
seum aufbewahrten Bronzen in einer Folge dervierJah- 
reszeiten." Daß der aus der Holzschnitzerstadt Weil- 
heim gebürtige Sohn eines Holzbildhauers und vorerst 
als Jüngling am Material des Holzes geschulte iiHans 
Krumper von Weilheimrl auch wenigstens später gele- 
gentlich zum edlen harten Obstholz griff, ist durchaus 
plausibel und keineswegs auszuschließen. 
Daß wir diese mutige Behauptung am Beispiel von zwei 
neuentdeckten außerordentlich qualitätvollen Skulptu- 
ren aufstellen. setzt einen grundsätzlichen sorgfältigen 
Rundumvergleich zwischen den Bronzen und den Holz- 
modellen voraus. 
Es erweist sich, daßdie Holzmodelle nicht nur identisch 
und in ieder Hinsichtebenbürtig, sondern in der Feinheit 
der letzten Schärfe den Bronzen noch etwas überlegen 
sind. 
Wie einige erhaltene. in der Komposition jedoch noch 
stark abweichende Zeichnungen erweisen, sind die 
Bronzen dervierJahreszeiten fürvierkleine Brunnen im 
Grottenhofder Münchener Residenz bestimmt, welche 
um den Perseusbrunnen Hubert Gerhards postiert 
waren. 
Die vorliegenden beiden Holzmcdelle sind zur Verwen- 
dung als autonome Dekorationsliguren im Inneren 
eines Palastes entstanden. Beim weiteren Gußvorgang 
hat man sie im Schalenguß in Wachs umgegossen. Die 
nachziselierte Wachsform wurde sodann mit Gußsand 
ummantelt und herausgeschmolzen. ln die Höhlung 
wurde schließlich die flüssige Bronze eingegossen. 
Zum Zwecke ihrer autonomen Aufstellung als Dekora- 
tionsfiguren haben die Holzfiguren Standplinthen, wel- 
che beim Umguß in Wachs weggelassen wurden, da für 
die Bronzen in den Brunnen schmalere. dekorierte 
Standbasen vorgesehen waren. 
Die Maße bestätigen in hervorragender Weise unsere 
Darstellung. Die Bronzen messen 85 cm, die Holzmo- 
delle 91 cm. Bei einer Plinthenstärke von durchschnitt- 
lich5cm und 1 cm üblichem Gußschwund istdie genaue 
Relation zwischen Modell und Bronze gegeben. 
Die exakte morphologische Prüfung enueist die voll- 
runde ldentität von Modellen und Bronzen. Der einzige 
Unterschied ist das Bärtchen des Herbstes. welches 
bei der Holzfigur fehlt. Diese ist darin iiflorentinischeru, 
die Bronze wniederländischera. Es ist sichtlich am 
Wachsmodell hinzugefügt worden. 
Zur Frage möglicher vKopienrr. In derartiger Vollkom- 
menheit wäre dies in hartem Obstholz schlechterdings 
unmöglich. Irgendwo in dervollrunden Gestaltung wäre 
eine weiche Stelle sichtbar. Ein derart bedeutender 
Kopist hätte irgendwo Spuren seiner persönlichen 
Handschrift hinterlassen. Repliken werden stets 
schlanker und eleganter, die Hände zarter. Der charak- 
teristische scharfe Gesichtsschnitt um 1600 wäre wei- 
cher und lyrischer. Die markige Schrittstellung des 
Herbstes würde eleganter, die Falten weicher, die 
Gesarntqualität in dervollrunden Drehung unausweich- 
lich geringer. Dies sind die in Jahrhunderten immerwie- 
derevidenten Gesetzlichkeiten,welchezwischenOrigi- 
nal und Replik auftraten. 
Der sorgfältige Qualitätsvergleich der Oberfläche 
erweist die Holzmcdelle den Bronzen stellenweise 
überlegen. Besonders auffällig ist dies bei der Betrach- 
tung des Rückens des Herbstes. Die rechte Schulter 
zeigteinenlebendigerenAteminden DetailsderMusku- 
latur. Auch die Gewänder sind in ihren Faltensäumen 
den Bronzen etwas überlegen. Diefeinen Unterschiede 
sind dienatürliche FolgederHerstellungderGußplastik 
aus dem Modell. 
Die neugefundenen Holzmcdelle Krumpers geben 
einen interessanten Einblick in Möglichkeiten seiner 
Arbeitsweise. 
Gleichzeitig sind uns rnit diesen edlen Obstholzfiguren 
zwei verlorene Kunstkammerstücke der bayerischen 
Spätrenaissance neu geschenkt worden. 
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