Eine erste skizzenhalte Befragung der mitteleuropä-
ischen Kulturszene (italienisch - cultura mitteleuro-
pea) von heute unterdem neuen kulturgeschichtlichen
Begriff Nordismobringt mit Einschränkungen ein positi-
ves Ergebnis. Im 20. Jahrhundert, einem Jahrhundert
mit zwei Weltkriegen und einer sich immer mehr ver-
dichtenden internationalen Medienlandschatt. können
geographische Eingrenzungen kulturgeschichtlicher
Phänomene nicht mehr so deutlich akzentuiert werden
wie in früheren Jahrhunderten. Dennoch hat gerade
Zentraleuropa. einschließlich des kulturellen Exports
durch das Diktat der Nazis. dieweltkriege bis zurAtom-
angst besonders intensiv gespürt. Mitteleuropa als zen-
trales Spannungsfeld der internationalen Politik hat in
seiner Kultur besondere Leistungen des Nordismo her-
vorgebracht, besonders die alte Hauptstadt Wien. Wien
hat auf Grund seiner residenzialen Struktur ein beson-
deres Verhältnis zu einer Kunst und Kultur, die dem
Ereignis verhaftet ist, der Unterhaltung ebenso wie der
selbstquälerischen Hinterfragung der inneren Visionen
(Unsicherheit und zugleich Selbstbehauptung des Indi-
viduums). (Umgekehrt kann getragt werden. warum
z. B. in Österreich eine kognitive Kunst wie die des Kon-
struktivismus immer wieder negiert wird.)
1919 schreibt Karl Kraus in dem Gedicht wFurohtw:
wich lebe in dem Untergang
und wohne in bedrohten RÄUFTIBH."
Nach Karl Kraus nannte Werner Hotmann 1981 eine
Ausstellung der Hamburger Kunsthalle vExperiment
Weltuntergang. Wien um 1900". Das Wort von deröster-
reichlschen ilversuchsstation des Weituntergangsß
steht im Nachruf auf Franz Ferdinand. Zwar ist bei
Kraus vom Untergang ständig die Rede. er hat ihn gera-
dezu herbeigepredigt, heraufbeschworen, er liebte ihn
sozusagen als Feststellung: "Der Zustand, in dem wir
leben. ist der wahre Weltuntergang: der stabilew
(nachts. 1919)?
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