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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIX (1984 / Heft 195)

 
line durch die Tournure abgelöst - statt der Reifen wur- 
den kleine Metall- oder Fischbetnbogen und versteitte 
Volants verwendet -, dazu gehörten die neuen iisanf- 
tenir Farben, reiche Lockenfrisuren und kleine, in die 
Stirn gesetzte Hüte. In der Männerrnode beobachtet 
man eine Wandlung zu praktischer Kleidung, verdrängt 
doch das bequemeSakko den Frack. Mitdem aus einem 
Stoff gearbeiteten einheitlichen Anzug war der letzte 
Schritt zu einer Herrenkleidung getan, die in ihren 
wesentlichen Formen bis heute Gültigkeit hat. 
Dieses Zeitalter war ebenso geprägt von der Pflege der 
Hausmusik und musikalischen Salons, von einem rei- 
chen und vielgestaltigen Konzertleben und einem auf 
breiter Basis gepflegten Opernrepertoire, Volkslied und 
Volksmusik lösten eine besondere Begeisterung aus. 
und der Volkssänger war aus der musikalischen Szene 
der Städte nicht wegzudenken. Es war aber auch jene 
Epoche, in derein Franz Grillparzer seine Dramen und 
Erzählungen schuf und darin den für ihn charakteristi- 
schen Grundkonflikt zwischen Gewissen und Handeln 
und zwischen Kunst und Leben deutlich machte, in der 
Johann Nestroy, der große satirische Komiker, auf den 
Brettern derVorstadttheaterTriumphefeierteundAdal- 
bert Stifter in seinen Erzählungen und Romanen sich als 
Meister der Naturschilderung erwies und seinen Glau- 
ben an das Walten eines wisanften Gesetzesw in der 
Natur vertrat. 
Bis 1880 hat sich gegenüber den ersten Regierungsjah- 
rendes Monarchenviel gewandelt. es sind sogar erfreu- 
liche soziale Ansätze zu beobachten. Die maximale 
Arbeitszeit wurde mit elf Stunden festgesetzt, die 
Frauen- und Kinderarbeit eingeschränkt, Unfall- und 
Krankenversicherungen sowie Gewerbeinspektoren 
eingeführt. Mitden Dezernbergesetzenvon 1867 waren 
bereits die allgemeinen Rechte der Staatsbürger wie 
Glaubens- und Gewissensfreiheit, unverletzliches 
Recht jedes Volksstammes auf Wahrung und Pflege 58k 
rier Nationalität und Sprache gewährleistet worden. Mit 
dem Staatsgrundgesetz von 1867 wurde auch die 
Grundlage für eine relative Pressefreiheit geschaffen 
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und derAufstieg der österreichischen Presse zu e 
politischen Machtfaktor eingeleitet. Josef Sct 
führte mit dem 1867 gegründeten iiNeuen Wiener 
blattri erfolgreich eine Pressekampagne zur Erha 
des Wienerwaldes. 
Es muß aber kritisch angemerkt werden, daß r 
Gesetze jeweils dem Kaiser abgerungen werden 
ten, war er doch nur dann zu Zugeständnissen b 
wenn außen- oder innenpolitische Ereignisse ihn 
zwangen. 
Franz Joseph war überzeugt, in militärischrdipl 
tischen Angelegenheiten eine unglückliche Har 
haben und ein iiPechvogeltr zu sein. Nichtsdesto 
ger war er persönlich ein vollendeter Kavalier 
Schule, ein Grandseigneur voll Noblesse und von 
schütterlicher Ehrenhaftigkeit und Korrektheit, 
auch pünktlich und peinlich fastbis zur Pedanterie 
vollundabgeneigtallerhöfischenSchmeichelei,E 
an einem ganz persönlich gefaßten Begriff der iiAn 
digkeitri fest und bezeichnete mit dem Ausdruck i)! 
dalrr Vorgänge des zwischenstaatlichen und inners 
lichen Lebens,dieseinenunverrückbaren Grundsz 
von Moral und Ordnung widersprachen. Hier ist 
auch einer der Ansatzpunkte für viele FHlßQlÜCKIE 
scheidungen; eine seltsam zeitfremde Art des U 
überAuswirkung und Austragung von Lebenspnnz 
und Lebensinteressen der Staaten und Völker. 
Der Mythos, der sich schon zeitlebens gebilde 
scheint nicht zuletzt darauf zurückzuführen zu seir 
wiseine Mißerfolge ihm Zutrauen gewonnen h; 
seine Leiden Mitleid erweckt, sein Unglück ihn po 
gemacht habent (F, Herre). 
Dies warjedoch nicht immerder Fall. Nach derve 
nen Schlacht bei Königgrätz war das Ansehen de 
sers an einem Tietpunkt angelangt, Die Wiener St 
ben damals an die Hofburg das Pamphlet: 
vFTeIWilliQe ohne Knopf] 
Minister ohne Kopf. 
Ein Kaiser ohne Hirn, 
Da müssen wir verlier'n.u
	        
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