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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIX (1984 / Heft 195)

Erich Gusel 
Baumeister und Bildhauer- 
Eine Betrachtung am 
Beispiel Anton Hanaks 
aniäßiich der 50. Wiederkehr 
seines Todestages 
Der Bildhauer Anton Hanak(1875 Brünn bis 1934 Wien) 
hat sich am 15,Jänner 1931 im Rundfunk übermodeme 
Plasfikineinem Vortrag geäußert, dessen Manuskript in 
dankenswerter Weise im Jahre 1969 von Wilhelm Mra- 
zek im Katalog der damaligen Wiener Festwochenaus- 
stellung veröffentlicht wurde.' 
Nach einer zunächst weit gehaltenen Summierung von 
Erscheinungen. die mit der knappen Bezeichnung nPla- 
stikr nicht erschöpfend genug bezeichnet werden kön- 
nen, meinte Hanak. auf die damalige Zeit eingehend: 
v. „ Die baulichen Aufgaben von heute bewegen sich in 
reinen, absoluten Zweckbauten, die ausschließlich den 
allgemeinen und alltäglichen Bedürfnissen dienen sol- 
len. Selten nur wird irgendwo eine Kirche oder ein 
Repräsentationshaus gebaut, aber auch diese Bau- 
werke ihrer Gesamtwirkung nach nicht auf Plastik oder 
plastische Wirkung gestimmt. . .1 Was Hanak hier noch 
urgiert, wurde bald daraufvon einem anderen Bildhauer 
eindeutig abgelehnt, nämlich die traditionellen Aufga- 
ben der Plastik im Dienste derArchitektur. Georg Kolbe 
(1877 WaldheimlSachsen bis 1947 Berlin) tat dies mit 
der Feststellung: n... Plastik ist nicht Dekorationsele- 
ment der Architektur. - sondern selbständiges Kunst- 
werkuß und wußte sich mit seiner Ablehnung einer 
Meinung mit jenen Architekten, die seit der Kampfan- 
sage von Adolf Loos(1870 Brünn bis 1933 Wien) an das 
Ornament sich jeglichen skulpturalen Schmuckes ent- 
hielten. Trotz dieser Feststellung der gegenseitigen 
Unabhängigkeit ist es für den Bildhauer überlegene- 
wert, wenn er nicht weitgehend unter Ausschluß der 
Öffentlichkeit gestalten will, die Nähe des Bauschaffen- 
den zu suchen. 
Dieser stellte sich fürAnton Hanak zunächst in der Per- 
son Josef Hoffmanns (1870 PirnitzlMahren bis 1956 
Wien) ein. der nicht nur ein (um fünf Jahre älterer und 
bereitssehrerfolgreicher) Landsmannwar, sondern mit 
dem ihn auch eine geistige Vewandtschaft auf dem 
Boden der Wiener Secessicn verband. Da es kaum Stei- 
lungnahmen von Josef Hoffmann zu kunsttheoreti- 
schen Fragen gibt - v. .. Als einmal Max Elsler ver- 
suchte, ihn in ein Gespräch über das Wesen der Kunst 
zu verwickeln, ließ er sich zwar in der für ihn bezeich- 
nenden Art auf keine theoretischen Auseinanderset- 
zungen ein. . 15 - muß eine Aussage zu unserem 
Thema aus seinem architektonischen Werk abgeleitet 
werden: Die Verwendung plastischer Werke zurSteige- 
rung derAussage findet sich erstmals am Palais Stociet 
in Brüssel (errichtet 1905 bis 1911). welches innerlich 
und äußerlich den Höhepunkt von Hoffmanns Gesamt- 
werk darstellt. Besonders die vier athletischen Gestal- 
ten am Turm des Palais wurden ein Motiv. welches er 
dann bei dern Projekt für einen Kaiserpavillon 1908 
sowiebeim Eingangsgebäudefürdie im selben Jahrver- 
anstaltete r-Kunstschauk abwandelte. Bald darauf 
erhielt er einen repräsentativen Auftrag. nämlich den 
Entwurf des Österreichischen Pavillons für die interna- 
tionale Kunstausstellung in Rom 1911. Hoffmann 
wählte hiefür einen Typus, der mit Ehrenhof, zwei flan- 
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1 Studie wDer Baumeisterw von Anton Hanak. 1930 
2 Detail der Kirche auf dem Georgenberg. Wien 23-Mauer. von 
Fritz Wotruba. erbaut 197471976 ' 
 
kierenden Seitenflügeln und Hauptraum in der Mittel- 
achse vollkommen aus dem klassischen Repertoire 
kam. Erstmals zog er nun Anton Hanak fürdie Bildhauer- 
arbeiten heran, dessen Monumentalplastik vÖster- 
reichrt nicht nur durch ihre Stellung in der Mitte der 
Hauptansichtvongrößterwichtigkeitwar, sondern weil 
sie. gemeinsam mit zwei weiteren am Terrassenrand 
stehenden Frauengestalten, wesentlich zur räumlichen 
Definierung des Ehrenhofes beitrug, Damit gelang eine 
einmalige Überhöhung des an sich schon vollkommen 
harmonischen Bauwerkes durch die gezielt eingesetz- 
ten phantasievollen Bildhauerarbeiten desjungen, auf- 
strebenden Hanak. 
Wie in Rom gelang es Hoffmann 1912 auf der Dresdner 
Kunstausstellung für die monumentalen Plastiken sei- 
nes Freundes. der ab 1913 auch schon sein Kollege an 
der Wiener Kunstgewerbeschule werden sollte. einen 
unaufdringlichen, jedoch außerordentlichen Rahmen 
zu schaffen in Form einer vorne offenen Pfeilerhalle. 
Gepaart mitdem aus der Kassettendecke auf die Skulp- 
turen fallenden Oberlicht erreichte er eine ernste 
Würde, die dem strengen Charakter der Hanakschen 
Plastiken voll gerecht wurde. 
Das Jahr 1913 brachte u.a. zwei weitere Aufträge, bei 
denen Ansehen und Repräsentation vorrangige Anlie- 
gen waren: den Österreichischen Pavillon für die Aus- 
stellung des Deutschen Werkbundes in Köln 1914 und 
die Gartenvilla Primavesi-Skywa in Wien-Hietzing. Bei 
beiden Bauwerken wurden die plastischen Werke 
Anton Hanaks zur Steigerung der wohldurchdachten 
Architektur herangezogen, bei der Gartenvilla durch je 
eine liegende männliche bzw. weibliche Giebelfigur, 
welche sich der feierlichen Monumentalität der Stra- 
ßenlassade ausgezeichnet einfügen, und beim Kölner 
Ausstellungsgebäude. welches auf den römischen 
Pavillon von 1 911 aufbaut. durch zwei überlebensgroße 
leuchtend weiße Plastiken. Mann und Frau, die vor der 
Hauptfassade unter den mächtigen Giebelfeldern 
majestätisch standen. 
Nach dem Ersten Weltkrieg dauerte es Jahre, bis Hoff- 
mann wieder mit Bauvorhaben in dem klein geworde- 
nen Österreich beschäftigtwurde. Zu denersten Aufträ- 
gen zählte 1923 das Landhaus Eduard Ast am Worther- 
see. für dessen Balkon Hanak einen tänzerisch-beweg- 
ten Figurenfries weiblicher Gestalten beisteuerte. wel- 
che in einem interessanten Gegensatz zu den monu- 
mentalen Gestalten seiner Schaffensperiode vor 1918 
stehen. 
in diese schwere Nachkriegszeit, wo Aufträge für die 
Bauschaffenden äußerst rar waren. fällt das gewaltige 
Wohnbaukonzept der Gemeinde Wien. welche damit 
allen Bereichen einen neuen und höchst belebenden 
lmpuls versetzte. Josef Hoffmann war einer der ersten 
von den großen Architekten. der 1923 bis 1925 eine 
städtische Wohnhausanlage mit 140 Wohnungen In der 
damaligen Felix-Mottl-Straße (heute Philippovichgasse 
Nr. 1)im 19. Wiener Gemeindebezirk ausführte. Dievon 
' ihm bewußt einfach gehaltene Fassade wird allerdings
	        
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