P4 Für den Kunstsammler
P. Fidier
Bemerkungen zur Preßburger
Plastik des 16.- 18. Jahrhunderts
anhand einer Publikation'
Die slowakische Plastik und Skulptur des 16.-18. Jahrhun-
derts wartet immer noch auf ihren Entdecker. Die unveröffent-
lichte Dissertation von M. Mariani über die Preßburger Barock-
piastik aus dem Jahre 1939 (M. M„ Barokova piastika v
Bratisiave, Bratislava 1939) ist in mancher Hinsicht bereits
langst überholt. genauso wie die der slowakischen Plastik
gewidmeten Kapitel des Buches von M. Agghäzy (M.A., A
barokk szobräszat Magyarorszagon, Budapest 1959). Mono-
graphisch gewürdigt wurden bis heute nur die Oeuvres der in
Preßburg tätigen Bildhauer europäischen Formats - Georg
Raphael Donner (zuletzt M. Schwarz, G. R. Donner, München
19630, DiernenG. R. Donner, Die Reliefs, Diss. Köln, 1979)und
Franz Xaver Messerschmidt (M. Pdtzl-Maiikova, Franz X. Mes-
serschmidt,Wien 1982). verdienstvolle Arbeiten von V. Luxova,
A. Petrova-Pleskotovä, P. Horvath und St. Holcür haben zu der
Erweiterung der heuristischen Basis der slowakischen Barock-
forschung manches beigetragen. Ebenso der Rezensent durite
noch voreinigenJahren Dr. Rusinaund andere Kollegen mitsei-
nen Archivexcerpta behilflich sein. Dennoch bleiben viele Pro-
bleme iür die slowakische Barockiorschung olfen und eine syn-
thetische Darstellung dieser Periode der Kunstgeschichte
anzustreben wäre noch verfrüht. Esgibt immer noch viel zu viel
anonyme Kunstwerkeeinerseits und eine kaum überschaubare
Schar von Biidhauern ohne Oeuvre andererseits. Hier macht
sichdasiahrzehntelangeFehleneines kunsthistorischen Perio-
dikums bemerkbar. Manche slowakische Barockforscher
sehen sich dann gezwungen, entweder in populär-wissen-
schaftlichen oder heimatkundlichen Zeitschriften bzw. im Aus-
land zu publizieren. Verlust an höchsten wissenschaftlichen
Ansprüchen bzw. Verschiebung der Schwerpunkte zu den
bereits international bekannten Künstlern sind dann unter an-
deren Folgen dieses Zustandes zu nennen.
Unter diesem Aspekt ist die vorliegende Monographie von
i. Rusina über Preßburger Plastik und Skulptur des 16. bis
18. Jahrhunderts als ein Ereignis zu begrüßen. Der Verfasser
steiltesicheinebeinahebahnbrechendeAufgabe.Erfandeinen
Verbündeten in dem für seine typographisch hervorragenden
Kunstbücher berühmten Verlag Tatran und das Resultat nimmt
sich unter der im Osten üblichen Kunstbücherproduktion sehr
gut aus. Ziemlich gut bebildert - obwohl manche Kunstwerke
im größeren Detail gezeigt werden könnten. und mit fremdspra-
chigen Resumees ausgestattet, wendet sich das Buch an einen
breiten Leserkreis. Auch einem Barockspezialisten liegt in der
Monographie ein wichtiges Nachschlagewerk vor, obwohl ihm
die eher spärliche Zahl der Anmerkungen und die lediglich auf
das Wichtigste beschränkte Bibliographie manchen Wunsch
oilen lassen.
ist Preßburg - die Hauptstadt der Slowakei - heute unter
anderem das Kunst- und Kulturzentrum der slowakischen
Nation, spielte die Stadt an der Donau im 16. - 18. Jahrhundert
eine wesentlich andere Rolle im Rahmen der ehemaligen
Donaumonarchie. Nach der Eroberung von Budapest durch die
Türken, Zerfall des ungarischen Königreiches und Okkupation
seines südlichen Teiles. wurde Preßburg zur Hauptstadt des
Vielvölkerstaates Ungarn, und blieb es noch lange. nachdem
die kaiserlichen Heere 1683-1718 das Land zurückerobert
hatten, bis zu den iosetinischen Reformen. Preßburg war
damals nichtnurdaspolitischeundkulturelleZentrumUngarns,
sondern durch ihre günstige geographische Lage am Fluß und
ihre Nähe zu Wien war die Stadt vorbestimmt, der ungarischen
Kunst Impulse, sowohl aus der kaiserlichen Residenzstadt, als
auch aus dem gesamten Donauraum von Augsburg bis Passau
zu vermitteln.
Die wichtigsten Impulse für die Preßburger Kunst im 16. bis
18.JahrhundertliefertezweitelsohnedieTatigkeitderimkaiser-
lichen Dienstestehenden KünstlerauiderPreßburger Burg. Die
alte königliche Burg wurdezwischen 1552 e 1562 unterder Lei-
tungdeskaiserlichenArchitekten Pietro Ferraboscoumgebaui
in den lnnenräumen haben zahlreiche italienische Stukkateure
und Maler(G. Licino,C. Baidigara, U. Fiomanusu. ajgearbeitet.
AusdieserBauperiodehatslchein1QSQfreigeIegterPrunirraum
mit stuckierten und gemalten Grotesken erhalten. Das Stuck-
gewülbe des anderen damals entdeckten Raumes gehört m. E.
erst in die Zeit des zweiten, von G. B. Carlone geleiteten Burg-
umbaues um 1640, wie der formale Charakterdes Stuckakkan-
tus schließen iäßt. Während sich die Dekorationskunst der in
der Burg tätigen Italiener an die modernsten manieristischen
Stilstromungen Italiens orientierte. fand die lokale Bildhauer-
produktion yvor allem in der Kunst des Epitaphs - ihre Vorla-
gen in den formalen und ikonographischen Lösungen der deut-
schen Renaissance, wobei neben graphischen Vorlagen
direkte Importe aus Augsburg eine große Rolle spielten.
Die Bildhauerkunst des 17. Jahrhunderts in Preßburg steht im
Zeichen des politischen und religiösen Konfliktes derGegenre-
formation, Neue Marien-lkonologle - Ungarn galt als Regnum
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Ivan Rusina, Renesanörrä a balokovä plastika v Braris-
lave (Plastik der Renaissance und des Barock in Preß-
burg), Bratislava: Tarran 1983, S. 160, 81 Ablz, 49 Farb-
tafeln.
1 Ffinl Xavar MeSSEfSCnmidt, lKapuziner-i, um 1752. Preßburg, Städt-
galerle
2 Werkstatt G. R. Donner (7). lGfal Johann Pälffyl 1739. Relief aus der
Schloßkapelie Kralova
3 Franz Xaver Messerschmidt, -Portrat eines Mannesl, um 1780. Fraß-
burg, Stadtgalerie
Ä Stuckätekoration des Prunkraumes In der Prebburger Burg, 17. Jahrhun-
dertt )
5 Hochaliardes Preßburger llümesinläßllcndelKlörlung von Leopold ll.,
1190. Zeitgenössischer Stich
6 Ferdinand Balthasar Moll, nGrabmal des Graien Johann Orlell In der
Preßburger Earmherzigenkirche-r, 1745
7 Paul Mayr-e KasparMenneler, Epitaphoes Freiherrn Niculaus Pälrry im
Preßburger Dom, 1601