Gerhard P. Woeckel
Ein in Wien entstandenes
Frühwerk
Johann Baptist Straubs:
die ausder Schwarzspanier-
klosterkirche St. Mariä
stammende Kanzel
in der Pfarrkirche in
LaxenburglNO.
Von der Geschichte der bildenden Kunst aus
gesehen, hat die rund zehn Jahre vor dem Aus-
bruch der Französischen Revolution einsetzende
Durchführung der Josephinischen Reform in
Usterreich insgesamt zweifellos mehr Schatten-
als Lichtseiten aufzuweisen'. Dazu kommt, daß
unter dem Aspekt des neu aufkommenden Klassi-
zismus sich damals zum erstenmal eine ausge-
sprochene Barockphobie bemerkbar machte, die
bis weit in das 19. Jahrhundert hinein anhielt.
Im vorletzten Lebensiohr der Kaiserin Maria
Theresia erging am 6. November 1779 von
höchster Seite aus die Weisung, die im 9. Bezirk
Wiens gelegene Schwarzspanierklosterkirche
St. Mariä zusammen mit dem gleichnamigen
Kloster aufzuheben z. Historisch basiert dies dar-
auf, daß Kaiser Joseph ll., damals noch Mit-
regent, alle beschaulichen Orden aufheben ließ.
Der offizielle Erlaß zur Klosteraufhebung erfolgte
jedoch erst am 12. Jänner 1782. Nach der ra-
tionalistischen Auffassung Josephs Il. brachten
die Klöster dem Staat keinen Nutzen ein, oder,
wie er sich in einem Handschreiben vorn 30. Ok-
tober 1781 ausdrückte, sie „leisteten nichts Sicht-
bares zum Besten der bürgerlichen Gesellschaft".
Gegen diese Verordnungen Josephs Il. prote-
stierte vergebens Papst Pius VI., der in einer
Epistel an den Kaiser schrieb, es sei „ein offen-
.kundiger Irrtum", die „Kirche und Geistlichkeit
ihrer weltlichen Güter zu berauben", „ver-
dammt von den Konzilien, verflucht von den
heiligen Vätern und gebrandmarkt von den
erleuchtetsten Schriftstellern als ein giftiges und
verruchtes Dogma".
Kaiser Ferdinand lll. hatte das Schwarzspanier-
kloster de Monte Serrato einst im Jahre 1632
gestiftet. Während der zweiten Türkenbelage-
rung war es jedoch vollständig zugrunde gegan-
gen. An der gleichen Stelle wurde die neue
Klosterkirche in den Jahren 1690 bis 1727 erbaut.
P. Mathias Fuhrmann hatte noch imilahre 1767
von diesem Gebäude rühmend zu berichten ge-
wußt, daß es „wegen innerlich- und äußerlicher
Zierlichkeit unter die schönsten Kirchen zu
Wien mäge(n) gezählet werden". Bedauer-
licherweise gibt es von diesem Innenraum weder
zeitgenössische Ansichten noch ausreichende
Beschreibungen über seine Innenausstattung.
Merkwürdigerweise hat sich bis heute noch nie-
mand die Mühe gemacht, den Spuren iener
Kunstschätze nachzugehen, die dort einst in so
reichem Maße vorhanden waren. Durch die
Durchführung der Josephinischen Reform wurden
sie alsbald wahllos in alle Winde zerstreut. Auf
Grund ihres besonderen Ranges kann die einsti-
ge Ausstattung der Schwarzspanierklosterkirche
einen besonderen Platz in der Wiener Kunst-
geschichte des 18. Jahrhunderts beanspruchen.
Von ihrem Typus her gehörte die Klosterkirche
zu den im 18. Jahrhundert nicht eben seltenen
Saalräumen. Sie war zweiiochig. An den Längs-
seiten hatte die Kirche ieweils flache Nischen,
vor denen, wie zu vermuten ist, die beiden
großen Seitenaltäre standen. Über ihre erhalte-
nen Bekrönungen wird noch an anderer Stelle zu
sprechen sein. Der annähernd quadratische, ein-
gezogene Chorraum hatte abgeschrägte Ecken.
Der künstlerisch bedeutendste Schmuck der Kir-
che bestand aus einem einst hier vorhandenen
Kuppelfresko „Himmelfahrt Maria". Es war von
dem Venezianer Giovanni Antonio Pellegrini
ausgeführt. Der dazu erhaltene Bozzetto (Öl!
Leinwand) ist derzeit nicht nachweisbar. Er be-
fand sich früher in der Sammlung Gatti-Casezza
in Venedigi Auf den Pendentifs waren die
Kardinaltugenden dargestellt. Sie waren vielleicht
ein Werk des Bolognesen Domenico Francia
(I702-1758)5. Ein Wandgemälde am Hochaltar
war schon früher von dem aus Mailand beru-
fenen Andrea Lanzani (1639-1712) ausgeführt
worden. Diese Fresken wurden am 12. Oktober
1732 von Kaiser Karl VI. bewundert, als er an
diesem Tag der ausstattungsmäßig damals so
gut wie vollendeten Kirche einen offiziellen Be-
such abstattetef. Eine weitere Festlichkeit wurde
sieben Jahre später (1739) begangen, was aus
einer in diesem Jahre gedruckten Predigt von P.
Franciscus Peikhart SJ hervorgeht. Der barocke
Titel lautet: „Trastrede vor dem Schutz Mari
dem II-Iochwürdigen und Hoch - Edel - Gebol
nen Herrn... Antonio... als selber an... e
Kirchweyh des von Jhme so herrlich Erbau
neuen prächtigen Gottes-Haus... vorgetragt
Der hier genannte Anton Vogl von Krall
(gest. 1751) war von 1708 bis 1751 Prälat
Klosters, das im Jahre 1708 von Kaiser Josep
zur selbständigen Abtei erhoben worden v
Vermutlich war das Hochaltargemälde „Himn
fahrt Maria" ein Werk von Antonio Bellu
Über die Anzahl der Seitenaltäre ist Ylll
überliefert. Über ihre Form gibt es iedoch
zeitgenössisches Urteil, das bisher kaum Bec
tung gefunden hat. Vor der Umgestaltung
Brixener Domes, mit der Paul Troger beauftr
worden war, fertigte der Maler am 6. April 1
ein Gutachten über die beabsichtigte Ausmall
an (Brixen, Fürstbischöfliches Archiv). Daraus
hier folgende Stelle zu zitieren': „Darvon l
in Wienn bey denen Schwarzspaniern . ..
stattliche Vorbilder zu sehen... In obberier
Kürchen befindet sich in den kleineren Cape
eine Gattung von Seitenalteren ohne Sau
so in dem neuen Domb (zu erg.: in Brixen)
leydentlichen Kosten sehr wohl stehen würc
und können auf Befelch Abriss verförtigt l
eingesendet werden". Die da und dort teilwr
an entlegener Stelle zu findenden Berichte ü
die ursprüngliche Ausstattung der Schwarz:
nierklosterkirche werden durch die „Kurzgefa
Nachricht" J. K. v. Lipperts irn Augsburgiscl
monatlichen Kunstblatt vorn 31. Juli 1772
willkommener Weise ergänzt. Durch diese un
dingt zuverlässige, zeitgenössische Quelle
Über eine Mitteilung des zu iener Zeit n
lebenden Künstlers überliefert, daß der
München stammende Johann Baptist Strr
(1704-1784) während eines mehriälirigen Wie
Aufenthaltes den überwiegenden Teil der plc
schen Ausstattung der Schwarzspanierkloster
che schuf, wobei an einer völlig eigenhändig
folgten Ausführung sicherlich nicht im gerings
zu zweifeln ist. Außer einer (verschollenen) l
donna am dortigen Hochaltar in der „Gri
derienigen, welche in Spanien zu Monte Serr
verehret wird", wurden von J. B. Straub darr
auch die „Oratorien", die „sehr schöne Kam
sowie „andere erhabene Arbeiten und Ver:
rungen" ausgeführt. Auf die letzteren wird n)
zurückzukommen sein. Zu den zu dieser Kate
rie gehörenden Werken Straubs zählten z'
einst über den großen Seitenaltären (Z) an
brachte, vergoldete und versilberte Wolk
gloriolen, mit Engelkindern und Puttenköpfcl
besetzt, sowie große Engel. Als allegoris
Darstellungen der kirchlichen Musik waren
einst die Bekränungsfiguren der Orgel. Von r
sen glücklicherweise größtenteils erhaltenen
beiten J. B. Straubs wird noch später zu sp
chen sein.
Wie schon eingangs erwähnt, waren über
anderweitige Verwendung der beweglichen T:
der Innenausstattung der Schwarzspanierklast
kirche in Wien schon ausgangs des Jahres 1
die Würfel gefallen. Gegen entsprechende
zahlung wurden die von Staats wegen k
fiszierten Kunstschätze in den darauffolgenr
Jahren in verschiedene Kirchen in- und aufi
halb Wiens gebracht, wobei eine Koordinat
nicht zu erkennen ist, außer der keineswl
zu übersehenden Tatsache, daß der k. und
Fiskus iedesmal einen entsprechenden Profit i
bei erzielten. Offiziell wurde freilich nach ei
Verordnung Josephs ll. vorn 28. Februar 1
der Erlös der konfiszierten Kloster- und Kirch
güter zur Bildung eines Religionsfonds
stimmt, aus dem neue Pfarreien gegründet w