ner 1785 konnte die erste Predigt in der Kirche
stattfinden, in deren umgestalteten Inneren man
bewußt den Stil des Mittelalters kopieren wollte.
Es ist immerhin erstaunlich, daß damals doch
einzelne, ursprünglich in der Schwarzspanier-
klasterkirche beheimatete und im 18. Jahrhundert
entstandene Kunstwerke Gnade vor den stren-
gen Augen J. F. v. Hohenbergs fanden, der als
kaiserlicher Hofarchitekt unter ihnen die erste
Wahl hatte. So wurden die für die Hofpfarrkirche
gerade noch tauglich erscheinenden Kunstwerke
von ihm begutachtet, ausgewählt und schließlich
ab 1784 ff. in sie überführt. Es sind dies die
eingangs erwähnten Wolkenglorialen mit Engels-
kindern und Puttenköpfchen, heute über den
beiden nördlichen und südlichen Seitenaltciren,
dann das Chorgestühl mit seinen ausgezeichne-
ten Reliefs, die uns noch in anderem Zusammen-
hang beschäftigen werden, und schließlich die
schönen Bekrönungsengel an der Henge-Orgel.
Diese wurden mit der Orgel durch eine Flieger-
bombe (1945) zerstört. Die „Vergotisierung"
machte auch vor anderen ehrwürdigen Stücken
der Innenausstattung nicht halt. So wurde am
19. Juli 1784 die alte Kanzel abgebrochen, auf
der einst Abraham a Santa Clara gepredigt
hatte. Als Ersatz dafür war anfangs die uns hier
in erster Linie interessierende Straub-Kanzel im
Gespräch, die sich, zur Wiederverwendung vor-
gesehen, damals noch an ihrem ursprüngli-
chen Standort in der seit Jahren geschlosse-
nen Schwarzspanierklosterkirche befand. Von
Kaiser Joseph II. ließ sich J. F. v. Hohenberg
deshalb die Kanzel zunächst für die Augustiner-
hofpfarrkirche zusprechen. Nach dem Pfarr-
protokoll Nr. 234 im Pfarrarchiv von St. Augustin
vom 17. Oktober 1784 hielt es der Architekt ie-
doch für angemessen, die Straub-Kanzel anders-
wohin verkaufen zu lassen, „weiI sie sich zu
dem Gathischen Geschmack, der bei der neuen
Umgestaltung der Kirche in sich selber herrschen
wird, nicht schicken würde"". Nach Zeichnun-
gen von J. F. v. Hohenberg, und zwar im Ge-
schmack „a Vantique", wurde schließlich eine
in den damaligen Modefarben Weiß und Gold
gefaßte Kanzel errichtet, mit deren Aufstellung
man am 17. November 1784 begann. Fertig war
das völlig epigonale Werk bereits am 6. Jänner
1785. Für die heutigen Begriffe zeigt die Hohen-
berg-Kanzel eine bemerkenswert naive Vermi-
schung von gotisierenden mit klassizistischen
Motiven. Die von Kaiser Joseph II. gewünschte
Umgestaltung der Augustinerhofpfarrkirche
durdw J. F. v. Hohenberg führte zu scharfen
Kontroversen, vor allem mit dem damaligen
Hof-Unterarchitekten Gottlieb Niggeli (1744 bis
nach 1812) ". Er hatte bereits im Jahre 1783
einen Entwurf für den neuen Hochaltar in der
Hopfpfarrkirche gezeichnet. Kurz darauf erschien
ein Pamphlet gegen Hohenberg, geschrieben von
einem Anonymus mit dem angenommenen Na-
men „Baumeister", unter dem vielsagenden Ti-
tel „Zweytes Stück über den neuen Altar und die
Veredelung (sicl) der Hof-Pfarrkirche bey den
P. P. Baarfüßer Augustinern" (Wien 1785, mit
Weimanschen Schriften). G. Niggeli hatte schon
vorher eine Schrift lanciert, „Antibaumeister"
(Pseudonym), mit dem Titel „Baumeister als
Wiens Trasylus mit einer Prüfung der Apotheosis
seines Lieblingsarchitekten" (Wien 1784). lhm
folgte eine zweite Publikation, diesmal unter
seinem eigenen Namen, „Ein paar Worte zur
Verteidigung seiner Ehre gegen die vornehmsten
Verfasser der Broschüre Wiens Trasylus oder
Antibaumeister" (Wien 1785). Von diesem Streit
sprach ganz Wien. Er endigte mit einer Nieder-
lage Niggelis. Siewor gleichbedeutend mit seiner
Versetzung (1788) an die mährisch-schlesische
18
Provinzial-Baudirektion in Brünn. Erst im Jahre
1793 wurde G. Niggeli, der Vorkämpfer der noch
radikaleren Richtung des Klassizismus, an das
Wiener Hofbouamt zurückberufen, und zwar als
Nachfolger des mit ihm verfeindeten J. F. v.
Hohenberg. Nach dieser Episode, die ein inter-
essantes Schloglicht auf die mit der Durchfüh-
rung der Josephinischen Reform betrauten Pro-
tagonisten in Wien wirft, stand erneut zur De-
batte, was mit der bereits genannten Straub-
Kanzel geschehen solle. Vermutlich war es eben-
falls J. F. v. Hohenberg, der - mit Zustimmung
des Kaisers - sie ietzt der Administration der
vor den Toren Wiens gelegenen Pfarrkirche „bey
dem Heiligen Kreutz" im Kaiserlichen Markt
LaxenburglNO. zum Kauf anbot. Laxenburg war
Iandesfürstliche Patronatskirche (Abb. 2). Sie
wurde gelegentlich vom Hof frequentiert, wenn
er in dem unmittelbar benachbarten kaiserlichen
Lustschloß Laxenburg residierte, das seit der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Frühsom-
merresidenz der Habsburger war. Nach Aus-
sage der erhaltenen Ankaufsnotiz im Pfarrarchiv
wurde die aus der Schwarzspanierklosterkirche
stammende Straub-Kanzel (Abb. 3) von dem
damaligen Laxenburger Pfarrherrn Joseph
Dreyer im Jahre 1785 für den Preis von 120 fl.
erwarben". Wie hoch die Erstsumme war, die
einst vom Schwarzspanierorden vor mehr als
einem halben Jahrhundert für die gleiche Kanzel
bezahlt wurde, ist nicht überliefert. Sehr wahr-
scheinlich war sie beträchtlich höher. Dies ist
indirekt auch aus den Kosten für die Neufassung
zu entnehmen. Über sie verlautbart eine Kirchen-
rechnung (1785), daß einschließlich der dazu
verwendeten Materialien dafür der Betrag von
300 fl. aufgewendet wurde. Daß eine Neufas-
sung damals notwendig geworden war, ergibt
sich aus der Tatsache, daß die Kanzel nicht nur
einen Transport hinter sich hatte, sondern bereits
fast 50 Jahre lang in Benützung gestanden
hatte. Die über rotem Bolusgrund aufgebaute
Vergoldung, deren Ausführung auf eine nament-
Iich nicht bekannte, ausgezeichnete Wiener
Werkstatt schließen Iäßt, zeigt noch keinerlei
klassizistischen Einfluß. Sie wurde technisch so
perfekt durchgeführt, daß sie bis heute nicht
erneuert zu werden brauchte. Es ist zu begrüßen,
daß gerade in der Laxenburger Pfarrkirche die
Straub-Kanzel einen neuen Verwendungszweck
erhielt. Hier paßt sie auch größenmaßstäblich
ausgezeichnet hinein. In dem durch gute Be-
Ieuchtungsverhältnisse sich auszeidmenden,
überkuppelten, völlig weiß getünchten Zentral-
raum wurde die Kanzel, ganz in Gold gehalten,
zum Hauptakzent. So könnte man auf den ersten
Blick hin meinen, daß die Kanzel schon von
Anfang an für diese Kirche konzipiert gewesen
sei, in der sie endgültig ihr adäquates Ambiente
gefunden hat. Die einstmals vorgenommene
Transferierung der Straub-Kanzel nach Laxen-
burg hatte, wie man nachträglich feststellen
muß, auch insofern etwas ausgesprochen Posi-
tives, weil sie hier trotz schwerer Gefährdung
in den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges
glücklicherweise völlig unversehrt erhalten blieb.
Im Kircheninnern von Laxenburg befindet sich
die Straub-Kanzel auf der nordwestlichen Seite,
vor einem Doppelpilaster zwischen dem Zen-
tralraum und dem Chorioch. Sie ist etwa acht
Meter hoch bei einer Breite von ca. 3,50 Metern.
Über einem etwa annähernd halbkreisförmigen
Grundriß mit konkav ausschwingenden Seiten
erhebt sich der Kanzelkorb, über den der vor-
gezogene geschweifte Schalldeckel noch hinaus-
ragt. Eine sich entsprechend veriüngende Mu-
schelkansole dient als unterer Abschluß. Sehr
eindrucksvoll ist der figürliche Hauptschmudc des
4 Pfarrkirche Laxenburg, Prophet Jesaias un
lief: Predigt Johannes d. T., Ausschnitt
Kanzelkorb
5 Pfarrkirche Laxenburg, Prophet Jeremias
Relief: Jonas-Predigt in Ninive, Ausschnitt
Kanzelkoib
6 Pfarrkirche Laxenburg, Engelkindergruppi
Ekklesia-Symbol. Ausschnitt vom Kanzelkoi
7 Pfarrkirche Laxenburg, Gerichtsengel. Auss
von der Kanzel
Anmerkungen 8 ff. (Text S. 16, 17)-13
kirche), Wien IX, Balllmdnngasse. Strittig ist dar,
ob das von Antonio Bellucci signierte Gemälde „H
fahrt Maria", später verkleinert, heute in der Je
kirche St. lgnatius (Alter Dorn) in Linz eltemdl
Hochaltarbild der Schwarzspanierklosterkirche war
ob es nach anderer Ansicht aus dem ehem
Nikolaikloster in Wien stammte. Vgl. Dehio, Hai
der Österreichischen Kunstdenkmäler, il, Wien-
1935, S. 510 (Schwarzspanierklosterkirche) bzw.
Oberösterreich, 3. Aufl., Wien 1958, S. 67. - F
F. Maschek, Baracke Kunstwerke aus der N
Schwarzspanierklosterkirche, wiederentderkt in der
tinskirche zu Klosterneubur in: Unsere Heimat. M
blatt des Vereines für Lan eskunde von Niederösti
und Wien, 26, 1955, Nr. 7-9, S. 115 ff., bes. Anmerk
S. 117. Zusammen mit drei weiteren Seitenaltark
aus der Schwarzspanierklosterkirche, von denen nr
sprechen sein wird, wurde_ das Gemälde „Di
Leopold ründet Klosterneuburg" (557 x 290 cm
Martino giltomonte (signiert und 1736 datiert) vor
Präfekten der italienischen Kongregation Joseph
von Kaiser Joseph ll. für die Minoritenkirche
Schnee in Wien erworben, wo sie sich heute bei
Vgl. H. Aurenhammer, Martina Altomonte, Wien
chen 1965, S. 59, Nr. 197, S. 49. - Ebendaher s
von Bartolomeo Altomonte „Glorie-des hl. Johan
Nepomuk" 561 x 288 cm), heute gleichfalls i
Minaritenkir e Maria Schnee, Seitenaltar. Vgl. B. 1'
Bartalomeo Altamante, Wien-München 1964, S. 2
Das dritte Bild ist von Daniel Gran: „Aufnahm
hll. Maurus und Placidus durch den hl. Bened
seinen Orden", ietzt Seitenaltarbild in der Miflt
kirche Maria Schnee. Zugehörige Entwurfszeic
(310x202 mm), ehem. Sammlung Dominik Artaria,
Vgl. K. Garzarolli-Thurnlackh, Die barocke Handzeir
in Österreich, Wien 1928, Abb. 29. - Ebenfall
Daniel Gran ist „Das Wunder des hl. Nikolaus"
auch in der Minoritenkirche Maria Schnee. Zuge
große Ülskizze in der Prälatur in Stift Geras. Vgl.
XIV, S. 499. - In der Gumpendorfer Pfarrkirche
Ägidius, Wien VI, befinden sich zwei aus der Scl
spanierklosterkirche stammende Altargemälde: l'
Drei Könige bez. Cosmos de Lastrofranco um 16
Nudidhniung der Bdisdni), naditräglidi vergrößer
geblich aus der Kunstkammer Rudolfs ll. stam
sowie „Hl. Franz Xaver" von Jan Erasmus Que
signiert und datiert 1661. Von einem unbekannten N
ausgeführt sind sechs lebens rofie Stuckfiguren mi
Darstellungen: hl. Leopold, l. König, die hll. J
Evangelist und Baptist (heute in der Minoriten
Maria Schnee) sowie die hll. Augustinus und Amb
(heute in der Augustinerkirche).
Vgl. Dehio-Handbudi der Kunstdenkmäler Usteri
Wien, 3. Aufl" Wien-München 1954, S. 36 und 18.
A. Schnerich, Wiens Kirdien und Kapellen, Z
Leipzig-Wien m1, s. m9, wurden die GIOCkel
Schwarzspanierklosterkirche in die Pfarrkirche St. Lt
am Schattenfeld, Wien Vll, gebracht, deren Fass
turm im Jahre 1787 vollendet wurde. -_Unberüd(s
darf hier ein großes Kreuzigungsbild (1653)
Joachim von Sandrart bleiben, e emals in St. St:
Wien. Es wurde erst im Verlauf des 19. Jahrhunde
in die ehemalige Schwarzspanierklosterkirohe gek
wo es 1945 zerstört wurde. Vgl. dazu: K. G:
Wiener Kunstgeschichte, Wien 1943, S. 101.
' ADB, 12, S. 323 - Th B XVIII, S. 312-314.
I" äwschnerich, Wiens Kirchen und Kapellen, a. c
" Pfarrei-Prof. Nr. 234 in St. Augustin in Wien _- Z_it.
c. Wolfsgruber, Die Hofkirche zu St. Augustin in
Augsburg 1888, S. 24l25. Grundlegend wichtig fü
erstmals hier erbrachten NadiweiS, ddis sdwoi d.
der untern Kirche stehenden Bänke" (sic!) sowie d
24. Au ust 1785 wieder in Betrieb genommene Oigi
der S warzspanierklosterkirche stammten. - H. 1
Wiener Gotik im 18. Jahrhundert, in: Kunstgeschich
Jahrbuch der k. k. Zentralkommissiori, lll, Wien
S. 162 ff., be 175 f. mit Abb. 117, S. 177 bzw.
124, S. 184 Kanzel). - Zu Hohenberg_vgl
allem: E. Hainisdi, Der Architekt Johann Fifdlhülti
Hohenberg im; Wiener Jahrbudi für Kunstgescl
XII-XIII, 1949, S. 19-90, bes. S. 33.
" Th B XXV, S. 472l473 (E. Hainisch). g v
"A. llg, Die Pfarrkirche in Laxenburg in. Berichti
Mitteilungen des Alterthurns-Verains zu Wien, XXIII,
S. 1-5, und Nachtrag, S. 130, wo der dem _Verf.
laufene Irrtum, die Kanzel stamme angeblich au
ebenfalls damals aufgehobenen Weißspanierklosterli
bbridiiiQiwird-oib übrige Literatur über die Ldleftk
Kanzel ist bemerkenswert gering. So galt sie be
Henle, Die Typenentwicklung der süddeutschen K
des 18. Jahrhunderts, Diss. Heidelberg 1933,
irrtümlich als "Umkreis Auwera, nicht vor 1750 .
Werk Straubs genannt, ist dib Laxenburger Kanzel
L. Pühringer-Zwanawetz, Matthias Steinl, Wien-
dien 1966. S. 147 ff., S. 220 ff., Abb. 98-113, bes.
105 (: lnnenarisidit gegen den Hochaltar mit Abi
Kanzel). Nadtzutragen ist hier nbdi, ddis n. s. 1
die Schwarzspanierklosterkirdie in_ Wien dds
leicht variierte" Vorbild der rofonierten Wiener
städter Karmeliterkirche (1697 f.) war. - F. Eppel,
im Lande rings Um Wien, Wien D. J. (z nach
s. so („aufwendige vergoldete ROkOkOkßnZeI"
Nennung des Künstlernamens). - J. Zykan, LGXGI
Wien-München 19m, S. 190 (: Straub. - Richtii
sehen, ist die Bedeutung der Sirdub- ürllal be_
Schweigert, Die Entwicklung der barocken Kanzel l
Steiermark. Eine stilkritische Untersuchung des Ki
baues in der Zeit von 1600 bis 1800. Diss.: Graz
Ms., bes. s. 73-75 mit Anmerkung 200. - Diesen_ Hi
verdanke ich der Freundlichkeit von Dr. K. Woiset
ger, Graz (Mitt. v. 12. März 1973).