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faßt, ganz abgesehen davon, daß es gegenüber
seinen beiden Vorgängern im Sinne der Stilent-
wicklung des reiten Rokoka auch wesentlich
lockerer komponiert ist. Ein erstes Werk des
sich als „fattore di putti" betätigenden Künstlers
bildet die schöne Engelkindergruppe am Kanzel-
korb in Laxenburg (Abb. 16). Zeitlich folgt ihr
die sehr ähnlich komponierte Bekränungsgruppe
am Tabernakel des Rosenkranzaltares (um 1739)
in Diessen am Ammersee" (Abb. 17). In Hal-
tung und Bewegung ihnen nächst verwandt sind
zwei von J. B. Straub für Gartenvasen gezeich-
nete Entwürfe (Abb. 18, 19), von denen wir ie
einen Ausschnitt zeigen (München, Staatliche
Graphische Sammlung, Halm-Maffei V, 87; lnv.-
Nr. 30.501 und 30.502). Sie wurden von P. Volk
als Werke Straubs identifiziert. Den Beschluß
dieser sich gegenseitig so nahestehenden Reihe
von Kinderdarstellungen Straubs macht die dem
höfischen Bereich entstammende Puttengruppe
(Abb. 20) mit dem Kurhut (um 1751-1753) über
der Proszeniumsloge im Alten Residenztheater in
München.
Ein letzter Vergleich soll sich schließlich mit den
großen Engeln J. B. Straubs beschäftigen. Außer
den von uns noch an anderer Stelle zu publizie-
renden, leider nicht erhaltenen Musikengeln,
ehemals an dem Orgelprospekt in der Augusti-
nerkirdie in Wien, sind im Werk Straubs seine
frühesten Schöpfungen dieser Art, die beiden
ausgezeichneten Engel an der Laxenburger Kan-
zel. lhnen nächst verwandt sind die beiden
Engelsfigürchen (Abb. 21, 22), die J. B. Straub
im Jahre 1739 für die Heiligenstatuetten schuf,
die in der Pfarrkirche seines Heimatortes Wie-
sensteig an Seitenaltären aufgestellt sind. Einen
weiteren Aufschluß für die ieweils modifizierte
Kampositiansweise Straubs auf diesem Gebiet
hätte man sicherlich auch durch einen van ihm
gezeichneten Entwurf für die Kanzel in Diessen
am Ammersee erhalten, eine Zeichnung, die
heute nicht mehr nachweisbar ist 3'. Van größter
Ähnlichkeit mit der zeitlidi vorausgegangenen
Bekrönungsgruppe am Schalldeckel der Kanzel
in Laxenburg (Abb. 23) ist ein im Vergleich zu ihr
entsprechend abgewandeltes Gegenstück: eine
Glorifikation des hl. Paulus (Abb. 24), eine Fi-
gur, die wie dort von einem Engel begleitet
wird. Diese Gruppe befindet sich am Schall-
deckel der um 1738139 von J. B. Straub ausge-
führten, bereits genannten Kanzel in Diessen am
Ammersee. Durch die weitgehende Mativgleich-
heit mit der Laxenburger Bekrönungsgruppe bie-
tet sich hier die Möglichkeit eines Stilvergleichs
an. Er zeigt, wie stark die Stilverönderung ist,
die zwischen den Jahren kurz nach 1730 bzw.
vor 1739 im Werk Straubs stattgefunden hat. ln
Laxenburg ist die Figurengruppe zweifellos ent-
schieden räumlicher angelegt, bei einer Ober-
fläche, die mit wechselnder Licht- und Schatten-
wirkung rechnet, so daß das Ganze von einer
flackernden Unruhe erfüllt ist. Im Gegensatz
dazu ist die ein knappes Jahrzehnt iüngere
Diessener Gruppe bedeutend flächiger angelegt.
Sie nähert sich damit überraschenderweise be-
reits der Einansichtigkeit, womit zugleich eine
stärkere Reduzierung der Formensprache ver-
bunden ist. In der Diessener Kirche gibt es
außer der Engelherme an der Kanzel (Abb. 25)
ein weiteres Werk Straubs, das annähernd
gleichzeitig ausgeführt wurde. Es ist ein voll-
plastisch geschnitzter Glariaengel (Abb. 26).
Seine Präfiguratian besitzt er zweifellos in dem
Gerichtsengel an der Laxenburger Kanzel. Diese
schwebenden Engelsgestalten Straubs haben
ihrerseits wieder unverkennbare Spuren im Werk
des Straub-Schülers Franz lgnaz Günther hinter-
26
engel aufs nachdrucklichste zeigt. Aus dem für
die Abfolge des Straubschen Schaffens wichtigen
Vergleich geht hervor, daß der Diessener Gloria-
engel seine zweifellos bedeutenden Vorgänge
durch seine wirklich einzigartige Qualität über-
troffen hat. Die formalen Qualitäten der Straub-
Kanzel in Laxenburg hat H. Schweigert ausge-
zeichnet beschrieben". Seine Warte möchten
wir deshalb zu den unseren machen: „Primärer
Wesenszug dieser Kanzel ist die Spannung zwi-
schen dem Kanzelkorpus und dem sphärisch ge-
krümmten Schalldach, das allseitig konvex nach
oben schwingt. Die feste Schalldachmasse ist
in eine flexible Flache umgewandelt, die als
Untergrund für einen malerisch szenischen Fi-
gurenaufbau dient. Die lineare Korpusfarm wird
durch eine an die Wandungen applizierte Re-
liefschicht sowie durch Brechung aller geraden
Kanten in der Sockelzone verunklärt, wodurch
sich für die Gesamtwirkung der Kanzel eine
flackernde Unruhe ergibt." Die aus der Wiener
Schwarzspanierklasterkirche stammende und spa-
ter nach Laxenburg transferierte Kanzel (Abb. 27)
ist ein hervorragendes Beispiel einer ausgespro-
chenen „BildhaueW-Kanzel. Stilistisch steht sie
unverkennbar am Beginn des Friihrakoko. Sie
wurde zur Präfiguratian der anschließend von
J. B. Straub geschaffenen Kanzeln, die als cha-
rakteristische Werke der bayerischen Rokako-
plastik bisher stets beachtet wurden. Es handelt
sich dabei nicht nur um die großen frei stehen-
den Kanzeln in Diessen (Abb. 28) und in Schaft-
larn (um 1760-1764) (Abb. 29), sondern auch um
ein in der Form wesentlich reduzierteres Werk in
Ettal (Abb. 30). Bei ihm war der Bildhauer var
die formal nicht leicht zu lösende Aufgabe ge-
stellt, die Kanzel dem zentralen Hauptraum an-
zupassen. Er half sich (JOdUfCh, daß er die
Kanzel zwischen zwei gleich großen Seiten-
altären anbrochte. Zu diesen Kanzeln kommt
noch ein bereits dem frühen Klassizismus nahe-
stehendes spätes Werk in Wiesensteig. Diese
Kanzel wurde nach Entwürfen Straubs von sei-
nem Schüler Joseph Streiter um 1780 geschaf-
fen". Zwischen ihr und dem eigenhändig aus-
geführten Erstlingswerk in Laxenburg ergibt SidN
demnach ein Zeitraum von annähernd 50 Jahren.
Johann Baptist Straub ist nicht in die Linie J. B.
Fischer von Erlach-G. R. Donner einzureihen.
Weder die plastische Form der Figuren Straubs
noch die seiner „malerisrh" gestalteten Reliefs
sind vom Wiener Kunstkreis abzuleiten. Als J. B.
Straub die Laxenburger Kanzel schuf, war seine
Stilvorstellung längst voll entwickelt und nicht
mehr zu beeinflussen. Die unmittelbaren Vor-
aussetzungen für den Stil Straubs sind daher
keineswegs in Wien, sondern ausschließlich im
oberschwäbisch-bayerischen Bereich zu suchen,
dem der Bildhauer auf Grund seines Geburts-
ortes und seiner künstlerischen Ausbildung nach
angehört. Wie anhand der obengenannten Kla-
sterneuburger Kanzel einwandfrei nachzuwei-
sen ist, gibt es - abgesehen von dem dort be-
reits vorhandenen Typus - im Wiener Kunstkreis
für Straub keine stilistischen Voraussetzungen.
Kennzeichnend für die var dem Jahre 1732
ausgeführte Laxenburger Kanzel ist das Zurück-
drängen des Architektonischen und die sich
hieraus ergebende Verwandlung des mäbelarti-
gen kirchlichen Einrichtungsstücks in eine frei
fließende plastische Komposition. Es steht außer
Frage, daß die auch hinsichtlich ihres Programms
einzig dastehende Kanzel in Laxenburg, ein
frühes Meisterwerk J. B. Straubs, zu den schön-
sten Kanzeln gehört, die in der ersten Hälfte
des 1B. Jahrhunderts im deutschsprachigen Kunst-
bereich entstanden sind.
Anmerkungen 30-33
"C. Giedian-Welcker, J. B. Straub, München 1922,
S._2B. - Als Werk Straubs bereits unter der Nr. 53
bei J. K. v. Lippert (1772) erwähnt: „Für das Kloster
Diessen zwey Altäre, zwey Tabernokel, und die Ver-
zierungen m; Kanzel."
i" Der Beschreibung nach soll es sidi um eine Tuschzeich-
riung," ehemals im Besitz der Graphischen Sammlung
in Munchen, gehandelt haben. Ihre Maße sind nicht be-
kannt. Vgl. Malerei und Plastik des 18. Jahrhunderts in
Elayeirar; und Grenzlanden, 2. Aufl, München 1913, Kot.-
r. .
" A. a. 0., S. 73.
"A. Henle, Die
r tw'ckl d "dd d.
Kanzel deslß. ieiiriiifnfirigfig, Ä. e." "g er s" au" e"
0., S. 38-42.
Cl Unser Autor;
Dr. Gerhard P. Woeckel
Zentralinstitut für Kunstgeschichte!
Forschungsunternehmen
Meiserstraße 10
Z-München