}( Für den Kunstsammler
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse -
kein Experiment mehr
Die Leistungsschau der graßteils aus Wien
stammenden Gemälde- und Antiquitätenhöndler
erbrachte nach der diesiährigen Messe (18.-25. Mai)
die Gewißheit, daß hier nicht mehr experimentiert
wird, sondern daß es den Veranstaltern gelungen
ist, die Fachwelt zu überzeugen. War von vorn-
herein klar, daß dieses kleine Kulturland
Usterreich wohl die Impulse, aber nicht das
Volumen eines internationalen Kunstumschlagplatzes
wie London oder Paris haben konnte, so zeigte
sich der begangene Weg folgerichtig: Wien mußte
seine Fähigkeiten in seinen charakteristischen Spe-
zialföchern ausbauen und sich einen Namen im
süddeutschen Raum unter besonderer Berücksichti-
gung des Begriffes „Wien" schaffen.
Die dritte Wiener Kunst- und Antiquitötenmesse
zeigte nun den Erfolg dieser Entwicklung und prä-
sentierte sich heuer mehr als in den beiden ver-
gangenen Jahren als ausgesprochene Fachmesse
verschiedener, dem Österreicher gelegener Spezial-
gebiete. Die Mehrzahl der 43 Aussteller bat dem
interessierten Publikum nicht nur Obiekte aller Her-
ren Länder, die gerade am Markt sind, sondern
spezialisierte sich fachlich auf ihre ureigenste
Tradition in einem Maße, das selbst in kritischesten
Kreisen Aufsehen erregte. Das Niveau wurde
teilweise bis in die Regionen musealer Meister-
werke gehoben, ia man fand einzelne Hauptwerke,
die es im Kunsthandel seit vielen Jahren überhaupt
nicht mehr gab. Die österreichische Malerei vom
Biedermeier bis zu den lmpressionisten war in hoher
und höchster Qualität vertreten. (Franz Alt, Fried-
rich van Amerling, Julius von Bloas, Tina Blau,
Josef Danhauser, Franz Eybl, Friedrich Gauermann,
Ludwig Halauska, Eugen Jettel, Hans Makart,
Johann Raffalt, August von Pettenkofen, Anton
Romako, Robert Russ, Jakob Emil Schindler, Joseph
Thomo, Georg Ferdinand Waldmüller u. a.) Dieses
wichtige Fachgebiet hat Käufer vom Privatsammler
bis zu den prominentesten öffentlichen Stellen auf
den Plan gerufen. Die Kaufabschlüsse waren ent-
sprechend der Qualitöt der gezeigten Exponate
ausgesprochen gut. Hohes Niveau zeigte auch die
Alte Malerei, die vom gotischen Tafelbild über
Jan van Goyen und Klaes Molenaer und von
Todeschini bis Giacomo del Po größte Beachtung
und entsprechendes Interesse fand, wenn sie auch
im europäischen Raum nicht so außer Konkurrenz
stand wie die vorgenannte Sparte. Dies trifft auch
für die gut vertretene Graphik zu. Das öster-
reichische Barockmöbel hat bis auf einzelne Pracht-
stücke etwas enttäuscht, dafür konnte aber das
Kunstgewerbe auf den Gebieten Porzellan, Silber,
Zinn und Glas international konkurrieren.
Renaissancebronzen sah man fast keine, aber dafür
begeisterten eine Anzahl französischer, feuerver-
goldeter Louis-XV.-Decorbronzen. Tapisserien und
Teppiche fanden mit musealen Exponaten höchste
Beachtung, und die mittelalterliche Skulptur lockte
mit einzelnen Meisterwerken bedeutende aus-
löndische Museen an. Mehr auf österreichischer
Basis lagen die wenigen gezeigten Meisterwerke
des Barock, darunter Giovanni Giuliani und
Meinrad Guggenbichler. Schließlich zählten wie in
den vergangenen Jahren eine beachtliche Aus-
stellung russischer Ikonen und nicht zuletzt eine
geschlossene Sammlung unbeschädigter, bäuerlicher
Hinterglasmolerei zu den Hauptonziehungspunkten.
Das Publikum war erfreulicherweise fachlich äußerst
versiert und hat sich das beachtliche Angebot ge-
schickt zunutze gemacht. Die Kollegenschaft kannte
mit den Verkaufsabschlüssen zufrieden sein, die
wenigen Aussteller, die vieles wieder mit nach
Hause nahmen, müssen mit der Kritik wohl bei sich
selbst anfangen. Was die Anzahl der Besucher be-
trifft, konnte festgestellt werden, daß die Zahl der
qualifizierten Käufer stetig im Steigen begriffen ist,
dagegen die Neugierde ausschließlich schaulustiger
Personen in den vergangenen Jahren so weit be-
friedigt wurde, daß sich ein Rummel nicht wieder-
holte. Ein geschöftsstörender Ansturm war lediglich
zu gewissen Stoßzeiten in der neueingeführten
Kaie für den Jungsammler zu beobachten. Der
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Gesehen im Kunsthandel
1 Salzburgisch, um 1410, sehr nahe verwandt dem
Vesperbild + lBramberglSalzburg.
Galerie Sanct Lucas, Carl Herzig 8- Co.,
Wien 1, Josefsplatz 5, Palais Pallavicini
2 Ferdinand Waldmüller, Mutterglück, UllHolz,
60 x 52 cm. Sign. Waldmüller.
Fisher Gallery Ltd., 18 South Lodge,
London Grove End Rd.
(NW 8 9 ES) T. 289 3240
3 Lamprecht Georg, Servierplatte mit Tier-
malereien nach Nicolaus Perchem, 1796,
„Antiquitöten" Gerlinde Dutz,
Wien 1, Mahlerstraße 9 und 11
4 Vanitas, ltalien, um 1700, UllLwd, 34x 42 cm.
Galerie Erich Kuhn,
Wien 1, Doratheergasse 12
5 Elefanten-Uhr, vergoldete Bronze, Werk und
Bronze sign., Paris, Mitte 18. Jh., H 47,5 cm.
C. Bednarczyk, Kunst und Antiquitäten,
Wien 1, Doratheergasse 12
6 Hallenschrank, 2. Hälfte 18. Jh., Eiche natur,
lntorsia, Originalbesdilöge, H 203, B 157, T 51 cm.
Galerie FührichfBurgmüller KG,
Wien 1, Führichgasse 6
7 Vier Louis-XVL-Fauteuils, Frankreich, um 1770,
Nuß massiv, teilweise getaßt, alter Seidenbezug.
Reinhold Hofstätter, Kunst und Kunstgewerbe,
Wien 1, Bräunerstraße 12 und Doratheergasse 15.
8 Ankleideschrank, um 1904. Entwurf Josef
Hafmann, Ausführung Wiener Werkstätte.
galerie am graben, lnge Asenbaum,
Wien 1, Graben 7
Auktionen
Dorotheum Wien
600. Kunstouktion, 22. bis 25. Mai 1973
9 Egon Schiele (1890 TullnlNÜ.-1918)
„Klosterneuburg" (Straße in Klosterneuburg),
UllKarton, 19,4 x 21,9 cm (Kot-Nr. 350).
Taxe: S 70.000.-
10 Lynn Chadwick (1914 geb., London], „Drawing
from Twig", sign. und dat. Chadwick 61,
Tusche-Feder, 72,5 x 55 cm (Kat.-Nr. 303).
Taxe: S 25.000.-
Neumeister KG vorm. Weinmüller, München
147. Auktion, 9. und 10. Mai 1973
11 Heinrich Biirkel (1802 Pirmasens-1869 München),
Winterlandschaft mit Hufschmiede und
Kahlenmeiler, sign. u.datiert, UllLwd.,59x 89cm
Erlös: DM 80.000.-
Kunsthaus Lempertz, Köln
533. Auktion, 6. bis 8. Juni 1973
12 Gott Vater, Weichholz, rüdrseitig ausgehöhlt,
originale übergegangene Fassung,
Oberösterreich, 3. Viertel 18. Jh., H 121 cm.
Joh. Peter Schwanthaler d. Ä. (1720-1792)
zugeschr. (Kot-Nr. 1584). Taxe: DM +++.-
Galerie Koller, Zürich
29. Auktion, 25. Mai bis 2. Juni 1973
13 Hornbill-Helm, Kopf des Nashornvogels
[Calao Casque), ausnehm.seltenes Sammlerstück.
China, Ch-ien lung, H 22, L 21 cm (Kat.-Nr. 403).
Taxe: sfr. 3.800.-
Kunsthaus am Museum, Köln
54. Auktion, 21. bis 24. März 1973
14 Max Slevogt (1868 Landshut-1932 Neukastel),
Sonnenuntergang in der Pfalz, Landschaft bei
GodramsteinlWeinstraße. ÖllLwd, 61 x 74 cm.
Bez. unten rechts: Slevagt 1913 (KaL-Nr. 2086).
Taxe: DM 30.000.-
Sotheby, London
Auktion vom 2. Mai 1973
15 Reichgeschmückter Bücherschrank, ausgeführt
von Michael Orley (Firmenetikette), Wien, um
1860, H 305, B 203 cm (Kat.-Nr. 172).
Erlös: Gns 620.-
Christie's London
Auktion vom 16. Mai 1973
16 Ein Paar englischer „Lang Flintlock Holster
Pistols", sign. John Cozens, Stempel RS, ca. 1670
(Kot-Nr. 274).
Erlös: Gns 3600.-
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