10., 11. und 12. Jahrhundert, bei Berücksichti-
gung dieser Zielsetzungen nicht nur mit erhal-
tenen Obiekten der frühen Babenberger-Zeit al-
lein dokumentiert werden können. Hier sind
Hilfskonstruktionen wie Fotomantagen, Diapo-
sitive und Moulagen einzusetzen gewesen. Wenn
davon reichlich Gebrauch gemacht wird, unter-
scheidet sich die Babenberger-Ausstellung da-
durch deutlich von der anderen großen histori-
schen Gedächtnisausstellung dieses Jahres mit
dem Thema „Wien im Mittelalter".
Bei der Erstellung des Konzepts war uns klar,
daß die einzelnen Zeitperioden mit Originalen
unterschiedlich dokumentiert werden können.
Während die vorhandenen Obiekte und Rea-
lien aus der Frühzeit, der Periode der Mark,
spärlich sind, werden sie etwa seit dem Beginn
des 12. Jahrhunderts reichlicher und sind im
13. Jahrhundert schon in großer Zahl und Dich-
te vorhanden.
Bei der Erstellung des Konzepts wurde natürlich
auch auf die räumlichen Voraussetzungen Rück-
sicht genommen. Während die Abwicklung des
historischen Geschehens im Kreuzgong möglich
ist, können im Kapitelsaal und im Laienbrüder-
dormitorium durch die Konzentrierung wertvoller
Obiekte Höhepunkte geschaffen und auch den
erhöhten Sicherheitsbedingungen für einzelne
Obiektgruppen voll entsprochen werden. Gleich-
zeitig ergibt sich automatisch die Bildung von
Schwerpunkten. Dies ist äußerst wichtig, weil
dadurch das Publikumsinteresse beim Rundgang
immer wieder neu belebt werden kann. Es wur-
de nämlich auch darauf Rücksicht genommen,
daß die Ausstellung „durchschwingt", das heißt,
daß Passagen, die mehr den Fachmann anspre-
chen, mit solchen wechseln, die allgemeines In-
teresse erwecken sollen und werden. Dabei
spielten auch Überlegungen eine Rolle, wie bei
starkem Besuch Stauungen vermieden und in den
Rundgang Ruhepunkte eingebaut werden kön-
nen. Wir hoffen, manche Erfahrungen früherer
Großausstellungen berücksichtigt zu haben, ob-
wohl ieder neue Ausstellungsort seine besonde-
ren Probleme bietet.
Die Disposition der Ausstellung
Aus den Erfahrungen früherer Londesausstel-
lungen, besonders der ähnlich gelagerten auf
der Schallaburg, wurde etwa übernommen, daß
eine allgemeine Übersicht notwendig ist, um
ein Verständnis für den dargebotenen Zeitraum
zu erzielen. Aus diesem Grund wird einleitend
eine ausgeprägte Gegenüberstellung der Reichs-
geschichte und der gleichzeitigen österreichi-
schen Entwicklung, besonders auf die einzelnen
Babenberger bezogen, angeboten. Ganz be-
wußt werden hier, mit Hilfe von Fotomantagen
und Kopien gestaltet, die Perioden der einzelnen
Kaiserdynastien der Ottonen, Salier und Stau-
fer mit_den Herrschaftsdaten der babenbergi-
schen Markgrafen und Herzöge konfrontiert.
Auch den Beziehungen der Bayern zu den Un-
garn wurde ein einleitender Abschnitt gewidmet,
denn aus der Konfrontation dieser beiden Völ-
ker ist Österreich entstanden. Die Frühzeit von
976 bis 1095, die man als die Periode der „Mark"
bezeichnen kännte, ist neben Hinweisen auf die
Siedlungsgeschichte im ersten Teil vorwiegend
mit archäologischen Funden gestaltet worden.
Diese sind in den letzten Jahrzehnten bei neuen
Ausgrabungen in größerer Zahl erschlossen
worden, etwa in Gaiselberg oder Gars-Thunau.
Daneben gibt es die schon lange bekannten
Fundstätten der „Köttlacher Kultur" oder Gra-
bungsergebnisse im Raum von Tulln, bei St. Pöl-
ten oder im Marchfeld. Manche dieser Funde
ergänzen das bisher aus Urkunden oder Anna-
len bekannte Geschehen des frühen 11. Jahr-
hunderts.
4
10
11
12
Bischof Otto von Freising, Glasgemälde. Scheibe
aus dem Brunnenhaus Stift Heiligenkreuz, 14.
Jahrhundert
Markgräfin Agnes, Glasgemälde. Scheibe aus
dem Brunnenhaus Stift Heiligkreuz, 14. Jahr-
hundert
Falkensteiner Codex, Titelblatt, 1166-1196. Baye-
risches Hauatstaatsorchiv, München
Falkensteiner Codex, Burg Hernstein (fol. 14],
1186-1196
Kruzifix aus der Ruprechtskirche, um 1170. Stift
MelkNiederösterreich
Sogenanntes Schreibzeug des hl. Leopold, 12.
JahLhundert. Stift KlosterneuburglNiederöster-
reic
Siculo-arabisches Pastorale, 2. Hälfte 12. Jahr-
hundert. Stift AItenburglNiederösterreich
Auch anthropologische Arbeiten, besonders die
Untersuchung der Babenberger-Gräber im Stift
Melk, brachten ebenfalls beachtliche Ergebnisse
für die Frühzeit des Babenberger-Geschlechts.
Was schon 1936 bei Leopold lll. versucht wurde,
ist nun auf breiterer Basis fortgeführt worden.
Auch Urkundenfarschung, Siedlungskunde und
Ortsnamenforschung spielen für diese Periode
eine große Rolle, und es ist verständlich, daß
wir versuchen, das allmähliche Werden des Lan-
des anhand einer großen Übersichtskarte zu zei-
gen. Wenn die Arbeiten des im vergangenen
Jahr verstorbenen Univ.-Prof. Dr. Karl Lechner,
ergänzt und fortgeführt durch iüngere Mitar-
beiter, die Grundlagen für diese Karte lieferten,
so ist damit das Ergebnis eines Forscherlebens
in einem einzigen Ausstellungsobiekt niederge-
legt.
Die Urkunden zur frühen österreichischen Ge-
schichte sind nur zum geringen Teil in österrei-
chischen Archiven erhalten, im Haus-, Hof- und
Staatsarchiv oder im Stiftsarchiv Klosterneuburg.
Überwiegend befinden sie sich im Bayerischen
Hauptstaatsarchiv, wo nach der Säkularisation
des Jahres 1803 die Archivalien der Hochstifte
konzentriert wurden. Die ältesten Urkunden, die
Österreich und die Babenberger betreffen, stam-
men nämlich aus den Hochstiftsarchiven Passau,
Freising oder Regensburg, so ist auch die so-
genannte „Ostarrichi-Urkunde" von 996 eine
Schenkungsurkunde für Freising, während die
Urkunde, in der zum erstenmal am 21. Juli 976
ein Babenberger als Markgraf genannt wird, für
Metten, einem Benediktinerkloster bei Deggen-
dorf, bestimmt war. In diese frühe Periode gehärt
aber auch die Entstehungsgeschichte der ältesten
Klöster des Landes, wie Melk, Göttweig oder Her-
zogenburg. Aus deren Besitz stammen auch die
ersten wertvollen Realien, etwa der berühmte
Annalenkodex van Melk, von dem fast iede
Seite ein historisches Dokument ist, oder das
Tragaltärchen der Markgräfin Swanhilde als
ältestes erhaltenes Denkmal, das von einem Ba-
benberger überkommen ist. Aus diesen Aufzäh-
lungen ergeben sich bereits deutlich die Zuord-
nungsprinzipien dieser kulturhistorischen Aus-
stellung. Anders als bei einer kunsthistorischen
Dokumentation wird hier das Obiekt zur Person
und zum Zeitraum eingeordnet und soll in die-
sem Zusammenhang wirken.
Das gilt in viel größerem Maße auch für die
nächste Abteilung, die Leopold dem Heiligen
und seiner Familie gewidmet ist und die man
als die Zeit des „Prinzipates" bezeichnen könn-
te. Aus dieser Periode sind die zeitgenössi-
schen Realien schon häufiger, etwa das „Schreib-
zeug Leopolds des Heiligen", die Krümmen aus
Göttweig, Altenburg oder St. Florian, es müs-
sen aber auch Gegenstände herangezogen wer-
den, die erst im 14. und 15. Jahrhundert entstan-
den sind. Dazu zählen die Glasfenster mit den
Babenbergern, die in Heiligenkreuz und Klo-
sterneuburg erhalten blieben. Sie wurden als
älteste bildliche Darstellungen der Babenberger
bewußt schon in diesen Teil der Ausstellung ein-
bezogen. Die Gründung weiterer Klöster, von
Klosterneuburg und Heiligenkreuz über Zwettl,
Altenburg, Seitenstetten und den Schotten in
Wien, aber auch die Umgestaltung von St. Flo-
rian, letzthin auch „das Werden Wiens" fallen
in diese Periode und bieten die Möglichkeit,
nicht nur Urkunden, sondern auch bedeutende
Handschriften, wie das Stiftungsbuch von Zwettl,
die sogenannte „Bärenhaut", oder kostbare Reo-
lien vorzustellen.
Den Abschluß dieser Periode bildet der Kom-
plex des „Privilegium minus", iener Urkunde, mit
der Österreich im Jahre 1156 in ein Herzogtum
umgewandelt und von Bayern getrennt wurde.