oraa stem. Jetzt anni er seinen groben
Es ist möglich, daß er doch den wahren
' ans Messer geliefert hat. Als einziger
in dieser Lage - so scheint es ihm -
ur das Sicherhängen".
der philosophisch und diplomatisch be-
zschulte Repräsentant der Weltmacht, ist
indeln genötigt werden. Er kannte sich
irch die Rolle eines „Cunctators" aus der
nehmen Lage befreien. ihm bleibt ledig-
s Philosophieren über das Wesen der
eit.
ch die tiefe und ernste Gläubigkeit Frie-
vergegenwärtigen, kann man wohl kaum
im halbwegs hinlänglichen Verständnis
dastragödie" gelangen. Er war - wie
lunstschaffende" im Wien der Jahrhun-
de - Jude, ist aber zum Protestantismus
ert. Beides trug ihm viele Anfeindungen
s gängige Schimpfwort „Jud" blieb ihm
ese tiefe und echte Gläubigkeit Friedells
ber das Fundament und den Ausgangs-
ir seine Weltanschauung, für seinen Hu-
i, wenn man so will, für sein Lachen. 1m
:h, als Kabarettier und auch in seiner
"agödie" sind seine offenen, lausbübi-
md seine tiefgründigen, hachgeistigen
stets erfüllt von seinen sittlich-ethischen
nen geistig-moralischen Anschauungen.
spezifische „Witz" [im weitesten Sinne
ehen) Friedells brauchte natürlich Reso-
riedell erwartete Echo und Antwort. Das
er von seinem Gegenüber. An der Ober-
var er Komödiant; alles andere in ihm
len Philosophen dar. So wird auch die
tung Hermann Bahrs verständlicher, der
einen „iaculator Dei" nannte".
Judastragödie" wurde teilweise ein „epi-
kanstruiertes, unschäpferisch-erdachtes
idrama" gesehen. Und „die große Mühe,
steiler von Gewicht daran gewendet ha-
enso wie (der) wieder einmal nutz- und
i (vertane) Aufwand von Zeit und Geld"
„herzlich" beklagt". Teilweise hieß es
ch: „Diese grandiose biblische Dichtung
:h über das Schrifttum unserer Zeit hin-
'. Derartige Kritiken verfehlen aber ihr
treffen vielleicht manches, nicht aber -
tntlich beabsichtigt - Friedells „Judastra-
Alfred Polgars Kritik" dringt hingegen
ch tiefer vor. Es wird darauf hingewie-
ß der Judas dieser Tragödie in Jesus
errat an den Freiheitsbestrebungen des
n Volkes sieht. Judas „will Erdenglück für
ttamm"". In dem Messias, den er erwar-
rebt ihm ein Krieger vor Augen, der zum
aufwühlt, nicht aber ein alles verge-
Wanderprediger, dem sich Frauen und
in der Hoffnung auf Friede, Liebe und
lnis zuwenden. Die Versprechungen, daß
rnel ein ewiges Leben schenkt, daß Gott
trgibt, müssen einem auf irdischen Frei-
ipf drängenden Fanatiker gefährlich vor-
. So ist der Verrat des Judas zu ver-
iriedell läßt in seiner Tragödie offen, ob
wenigstens zeitweise - glaubt, er selbst
Messias. im Epilog weist aber Friedell
hin, daß Judas durch das leere Grab,
e Auferstehung Christi, den Glauben an
gene Sendung verliert. Polgars Interpre-
es Judas (und die der ganzen Tragödie
pt) ist interessant, kann aber nur für
7 Friedell-Freund Alfred Polgar: Wurde Friedell
ermordet?
Anmerkungen 20-30
f" Vgl.: Franz Ugg, Das Geheimnis des Judas. In: Egon
Friedell, Die Judastragödie, 2. Aufl., Wien 1963, S. 5-8.
7' Judastragödie, S. 93-107.
n Ebd., S. 95.
f] Ebd., S. 95 (Friedell erkannte sehr früh die Bedeutung
des Films.)
" Ebd., S. 95.
" Ebd., S. 95.
ff Ebd., S. 95.
"Ebd., S. 95 f.i „Eutipides, der reiche müde Erbe einer
Kultur, die in Philosophie, Seelenkunde, Ausdruckstechrtik,
Kunst des Sehens und Hörens nahezu bis an die letzten
Grenzen gelangt war, sah sich genötigt, seine psycholo-
gischen Differentialkalküle mit äußeren Mitteln zur Dar-
stellun zu bringen, die für einen lndianertanz oder
einen Dorfzirkus gerade noch fein genug gewesen wären.
Shakespeare mußte seine Phantasiewelt, die alles ent-
hielt, was es gibt, und daneben noch so ziemlich (i)
alles, was es nicht gibt, in einer bretternen Matrosen-
schenke realisieren, und dieser erotischste aller Drama-
tiker hatte ein Ensemble ohne Weiber! Molieres Zerrissen-
heit, Unruhe und opalisierende Laune wurde in einen
langweiligen ver oldeten Salon gesperrt, unter Menschen,
deren höchster Ehrgeiz es war, das Aussehen und das
Gefühlsleben einer Drahtpuppe zu erlangen. Bloß lbsen
war es vergönnt, die Form vorzufinden, die ihm voll-
kommen gemäß war, das Theater mit verdunkeltem
Zuschauerraum, scharf isolierter, grellbeleuchteter Bühne,
drei festen Zimmerwänden und massiven verstellbaren
Möbeln: die Bühnenform, wie sie die soeben zur Welt-
herrschaft gelangte Bourgeaisie sich geschaffen holte"
7' Ebd., S. 96.
1' Ebd., S. 96. „Der Kinemataqraph ist durchaus nichts
Zufälliges. Kein anderes Zeitalter hätte ihn erfinden
können. Es gibt überhaupt keine zufälligen Erfindungen.
DaB ein Gemälde oder ein lyrisches Gedicht das organi-
sche Produkt des Zeitalters tst, in dem es geschaffen
wurde, wissen heutzutage sogar schon die Universitäts-
professoren; aber mit den Erfindungen und Entdeckungen
ist es auch nicht anders: sie sind ebenfalls einfache
Fal eerscheinungen der ieweiligen seelischen Gesamt-
ver assung der Menschheit."
Etwas weniger polemisch fährt er fort: Es ist nicht wahr,
„daß das ausgehende neurizehnte Jahrhundert dem Tele-
phan, dem Telegraphen, den Blitzzügen und dergleichen
Dingen ein neues Gefühl von Zeit und Raum, ein unend-
lich beschleunigtes Lebenstempo verdankt, sondern dieses
neue Tempo war das Primäre, dieses neue Zeit- und
Raumgefühl wurde mit der Generation, die den Magnetis-
mus, die Elektrizität und die Dampfkraft nutzbar machte,
bereits geboren, es mußte diese Lebensformen schaffen.
Immer ist der Geist das Primäre, beim einzelnen wie bei
der Gesamtheit.
Versähnen wir uns also mit dem Kinematagraphen! Er ist
ein Ausdruck unserer Zeit, und ein sehr prägnanter.
Zunächst: er ist kurz, rapid, gleichsam chiffriert. Das
paßt sehr gut zu unserem Zeitalter, das ein Zeitalter der
Extrakte ist. Sodann: er hat etwas Skizzenhaftes, Abruptes,
Lückenhaftes, Fragmentarisches. Das ist im Sinne des
modernen Geschmacks ein eminenter künstlerischer Var-
teil. Die Erkenntnis der Schönheit des Fragments beginnt
sich allmählich in allen Künsten Bahn zu brechen;
schließlich ist ia aber alle Kunst nichts anderes als ein
geschicktes und bisweilen geniales Auslassen van Zwi-
schengliedern. Ferner ist der Kinematagraph etwas höchst
Dilettantisches. Ein eminenter, noch lange nicht genug
geschätzter künstlerischer Vorteil! Denn was ist ein
,Dilettant'? Ein Künstler, der Temperament, Universalität,
Verachtung für Einzelheiten und eine neue Technik hat.
Richard Wagner war ein musikalischer Dilettant, er wufite
nicht, wie man eine Fuge schrei t; Mitterwurzer kannte
weder eine Rede gliedern noch seinen Körper ebenmäßig
bewegen; Nietzsche war nicht imstande, systematisch zu
denken und Monet konnte nicht zeichnen. Und ein
ähnlicher Dilettont ist der Kinematograph."
"' Ebd., S. 97.
ränen Blitz des dramatischen Dichters zerschmet-
tert"".
In iedem (bedeutenderen) Kunstwerk bleibt ir-
gend etwas offen, „unerärtert". Als Judas seinen
tragischen" lrrtum erkennt, wählt er den einzig
noch gangbaren Weg, den Selbstmord. Erkennt-
nis durch Offenbarung, Vergebung und Gnade
sind Grundpfeiler des christlichen Glaubens; der
„souveräne Blitz des dramatischen Dichters" hin-
gegen ist das fragwürdige Ergebnis eines Jour-
nalisten, dem die klingende Phrase lieber ist als
die Suche nach dem - ihm vielleicht verloren-
gegangenen - Glauben, das Ergebnis eines Li-
teraten, der sich nicht recht hat lösen können von
der Zeit, da er erfolgreich Einakter für Kaba-
retts schrieb.
Es wurde nie ernsthaft behauptet, daß Friedell
mit seiner „Judastragödie" eines iener epocha-
len Dramen vorgelegt hat, die für die Literatur
Brisanz- oder Wendepunktcharakter bedeuten.
Daß es sich aber nur um eine „glitzernd geäder-
te Unterhaltungm" handeln soll, wird auch nicht
haltbar sein. Friedell selbst" hat in seinem
„Nachwort zur Judastragödiew ausführlich Stel-
lung bezogen zu seinem Drama. Er legte, seiner
Art gemäß, einen kulturgeschichtlichen Essay
vor". Sein eigenes Theaterstück betreffend, ging
er besonders auf iene Punkte ein, bei denen er
fühlte, daß sie allgemein nicht verstanden und
deshalb abgelehnt wurden. Das waren die Tech-
nik, „die in gewissen Partien an den Film er-
innert""; die Zeit, in der das Stück spielt, näm-
lich „im Altertum (während doch heutzutage das
Historische auf der Bühne für deplaziert gilt)"";
außerdem wird das antike Milieu nicht klassisch,
sondern naturalistisch behandelt (dennoch ge-
schehen Wunder]; schließlich schildert es „Judas
als den Messias und Jesus als das Gegenteil
davon"?
Friedell vertritt ganz entschieden die Meinung,
daß der Dramatiker keine neuen Formen schaf-
fen kann. Diese Ansicht versucht er mit folgen-
dem Gedankengang zu begründen, „daß die
Dramatiker immer ihre Hauptaufgabe darin er-
blickt hätten, das Theater ihrer Zeit ,mit kühnem
Griff' zu revolutionieren, in eine neue Form um-
zugießen"". Die Weltliteratur hingegen zeige,
„daß das genaue Gegenteil der Fall war. Die
Dramatiker haben an der Theaterform, die sie
vorfanden, niemals das geringste zu ändern ver-
macht, sie haben sich ihr immer anpassen müs-
sen, ob es ihnen bequem war oder nicht. Mei-
stens war es ihnen natürlich sehr unbequem"?
Friedell schließt seine Überlegung mit einem auch
heute noch interessanten Gedankengang:
Nun verändert das Theater ia aber doch im
Laufe der Geschichte seine Form. Wer also
verändert diese, wenn es die Dichter nicht tun?
Nun ganz einfach der Zeitgeist. Er ist es, der
alle Institutionen schafft, der (eder Genera-
tion ihr bestimmtes Mienenspiel vorschreibt,
der die neuen Formen hervorbringt; in der
Religiosität so gut wie in der Interpunktion,
im Naturgeführ so gut wie in der Haartracht".
Für Friedell stellt der „Kinematograph" diese
neue Theaterform, „die der Geist der Gegen-
wart geschaffen hat"", dar. Dieser Kinemato-
graph gewährleistet - so Friedell - für die „Welt
der Tiere und Pflanzen, der Häuser und Maschi-
nen, des ganzen Naturpanoramas eine künstle-
rische Bedeutung, die sie in dramatischen Dar-
stellungen bisher noch nicht gehabt hat"". Die
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