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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 165)

Punkt im Wohnraum war und auch als solcher be- 
sonders betont wurde. Entweder erhöhte man den 
Fußboden durch ein Podest oder aber man benütz- 
te einen sogenannten "Lug ins Land" (Abb. 14), ei- 
nen Armlehnsessel auf verlängerten Beinen, mit 
dessen Hilfe es möglich war, besser auf die Stra- 
Be zu sehen. Ein anderes Hilfsmittel, die Vorgänge 
auf der Straße besser beobachten zu können, war 
die Anbringung von Erkerfenstern, die entweder 
viereckig oder halb rund sein konnten, wobei das 
verlängerte Fensterbrett aus durchsichtigem Glas 
bestand. Das Wohnzimmer der Erzherzogin So- 
phie in Schloß Laxenburg illustriert ebenfalls die 
eben besprochene Entwicklungsstufe des bieder- 
meierlichen lnterieurs. Man findet die bereits aus- 
gebildete Wohninsel, bestehend aus Schreibtisch 
(man beachte die verwendete Holzmaserung) und 
Fauteuil, sowie den mit einer gepolsterten Sitz- 
bank ausgestatteten Fensterplatz. Bezeichnend 
für die beinahe kleinbürgerliche Atmosphäre des 
Wiener Hofes sind die ohne Cache-pcts aufge- 
stellten irdenen Blumentöpfe. Interessant ist die 
Wandgestaltung. im Gegensatz zu der noch stark 
vorn Empire beeinflußten Periode ist die Wand 
jetzt nicht mehr in Felder eingeteilt, sondern 
durchgehend mit einem Muster bemalt. Einfache- 
re Wohnräume waren in hellen, einfärbigen Tönen 
ausgemalt. Papiertapeten waren sehr teuer und 
kamen daher nur sehr selten zur Anwendung. Die 
Plafonds waren meistens in Weiß- und Grautönen 
gehalten; nur die Mitte wurde durch eine aufge- 
malte Rosette betont. 
Eine bedeutende Rolle spielte die Ausgestaltung 
der Räume mit Textilien. Waren in der Frühzeit der 
hier besprochenen Periode um 1815120 noch gan- 
ze Räume mit Stoff ausdrapierti so beschränkte 
man sich später auf die Fensterwand (Abb. 6), und 
um 1835 wurden nur mehr die einzelnen Fenster 
beziehungsweise Türen mit Vorhängen verhängt 
(Abb. 12, 14). Den Formen der Draperien waren 
ähnlich den Möbeln keine Grenzen gesetzt; jede 
auch noch so ausgefallene Form war möglich und 
wurde auch ausgeführt. Neben den Draperien an 
Fensterwänden und vor Türen waren es die 
Schlafzimmer, die besonders reich mit Textilien 
ausgestaltet waren (Abb. 16). Die Betten wurden 
dabei meistens in einen ganz mit Stoff ausdrapier- 
ten Alkoven gestellt und mit einem der Phantasie 
freien Lauf lassenden Himmel versehen. Natürlich 
konnte man sich den Luxus einer solchen Schlaf- 
zimmerinszenierung nur in reichen Häusern lei- 
sten. Eine vereinfachte Variante des Schlafzim- 
mers war das sogenannte vgemischte Zimmer", 
das gleichzeitig als Wohn- und Schlafzimmer dien- 
te (Abb. 9). Bei wohlhabenden Familien war das 
Bett in der Art eines einfachen Himmelbettes mit 
Vorhängen ausgebildet und an eine Seite des Rau- 
mes gestellt. Die einfachste Art des Bettes besaß 
keinen Himmel und keine Vorhänge, sondern wur- 
de untertags mit einem stoffbespannten Rahmen 
abgedeckt (Abb. 9). 
Um dem Toilettezimmer eine weibliche Note zu 
verleihen, war auch dieses ganz mit Stoff ausdra- 
piert (Abb. 10). Sämtliche darin befindlichen Sitz- 
möbel und der Toilettetisch waren gänzlich mit 
Stoffen überzogen. In dieser ersten großen Zeit 
des Polstermöbels wurde eine Reihe neuer Sitz- 
möbeltypen kreiert, die die ganze verschwenderi- 
sche Pracht der heimischen Textilproduktion aus- 
nützten. Eckbänke, Dos a Dos (Abb. 5) und Sofas 
waren unentbehrliche Mobilien für die Wohnzim- 
mer geworden, wo sie als Teile von Wohninseln 
fungierten und einen Sammelpunkt für die ganze 
Familie darstellten. Auch zwischen die Beine der 
Sitzmöbel wurden Draperien gespannt (Abb. 9). 
Bei einigen Entwürfen der Danhauserschen Mö- 
belfabrik wurden sogar über Arm- und Rückenleh- 
nen volantartige Stoffdrapierungen gelegtö. 
Um das Jahr 1834 trat abermals ein Wechsel im 
Möbelstil ein. In den von Josef Danhauser heraus- 
gegebenen "Wiener Meuble Formenu tauchten 
nun wiederum historisierende Formen auf, die den 
Beginn des zweiten Rokoko für den Wiener Raum 
bedeuteten (Abb. 13). Bereits um 1830 hatten die 
Möbelformen schon begonnen, schlankere und 
leichtere Proportionen anzunehmen (Abb. 12). 
Parallel zu dieser Entwicklung wurden auch die 
Formen des Empire wiederum aufgewärmt, die ja 
immer latent vorhanden waren und nie wirklich 
aufgehört hatten, eine Rolle zu spielen. Bei der 
Disposition der Möbel im Raum hatte sich jedoch 
kaum etwas verändert. Einzig die Verwendung von 
Textilien wurde etwas eingeschränkt und die Räu- 
me begannert sich mit Möbeln und Bric a Brac zu 
füllen. 
Ein weiteres signifikantes Gepräge des bieder- 
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