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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 165)

Eyck Teile der Stadtvedute der Holm-Madonna des 
Louvre im Hintergrund der Kartäuser-Maria... Of- 
fenbar hat der Maler einzelne Elemente jeweils zu 
einem Ganzen verbunden und geniert sich keines- 
wegs, jene Partie der boglgen Pfeilerbrücke mit 
Turm ziemlich genau zu wiederholen." 
Die Entwicklung einer eigenständigen Motiv- und 
Formensprache verknüpft sich bei R. v. d. Weyden 
eng mit dem Begriff der Grisaillemalerei. Zwar 
greifen bereits Campin und Jan van Eyck auf die 
se Form gemalter Steinarchitektur zurück, die 
ihren Ursprung in der italienischen Malerei des 
13. Jahrhunderts hat, nirgends ist diese Art der Ar- 
chitekturdarbietung indessen so ausgeprägt wie 
bei Rogier van der Weyden. Mit ihrer Hilfe gelingt 
es scheinbar, die Flächenhaftigkeit des Tafelbil- 
des aufzulösen und die Illusion von Räumlichkeit 
zu schaffen. Ihren synthetisch anmutenden Cha- 
rakter verdankt die Grisaillemalerei v. d. Weydens 
1. der Minuziosität in der Darstellung, 
2. der Mannigfaltigkeit gotischer Stilelemente in 
ihrer Allcikation auf engstem Raum, 
3. ihrer Umgestaltung zu einer differenzierten Rah- 
menarchitektur, 
4. der Verknüpfung der Bildarchitektur mit dem 
Bildthema. 
Alle erwähnten Charakteristika treffen im Ansatz 
bereits auf die um 1432 gemalte Maria mit dem 
Kinde zu, einem Frühwerk Rogiers. Die Architektur 
konzentriert sich hier um die Figur der Maria in fre- 
quentem Wechsel zwischen Plastik, Ornament 
und Relief. Die reliefartig dargebotenen Szenen 
sind ebenso wie die zentrale Figur der Maria von 
einer Nische eingelaßt. Schon dadurch wird die 
Beziehung zur Thematik des Bildes rein formal 
deutlich. 
Rogiers Einfluß auf die Architekturdarstellung 
bleibt im Werk seiner Nachfolger lebendig. Dies 
zeigt sich überzeugend in der Tafelmalerei von 
Dirk Bouts und Petrus Christus. Erst mit Haris 
Merriling tritt ein tiefgreifender Wandel ein. Seine 
Altarbilder stellen uns einer Sakralarchitektur ge- 
genüber, die aufgrund ihrer Kulissenhaftigkeit 
und Komplexität stilistisch nur schwer einzuord- 
nen ist. Zwar sind. wie z. B. im DonneAlrar, noch 
gewisse Anklänge an gotische Stilformenß vor- 
handen, jedoch deutet sich hier bereits die Zuwen- 
dung zu neuen, phantasievollen Formen an, die 
mit dem Aufkommen der Frlihrenaissance gene- 
rell in verstärktem Maße zu beobachten ist. 
Zur Rahmenfunktion der Architekturdarstellung 
Das Phänomen des Rahmens tritt mit dem Fort- 
schreiten der Tafelmalerei in vielfältiger Weise in 
Erscheinung. Ursprünglich als trennende Zone 
zwischen Bild und Betrachter konzipiert, gewin- 
nen neben ästhetischen zunehmend ikonologi- 
sche Aspekte an Bedeutung. Die Entwicklung el- 
ner spezifischen Flahmenarchitektur in der flämi- 
schen Malerei der Spätgotik basiert wesentlich 
auf dem Oeuvre Rogier v. d. Weydens. Von ihm 
sind die entscheidenden Impulse übertragen wor- 
den auf Meister wie Petrus Christus, Dirk BouIsQ 
u.a. Um das Wesen der Rahmenarchitektur bei 
Rogier v. d. Weyden zu verstehen, müssen wir zu- 
nächst dessen Rauminterpretaticn naher in den 
Blick fassen. Flogier interpretiert den Raum seiner 
Andachtsbilder als etwas in sich Abgeschlosse- 
nes - als eine nach außen streng abgegrenzte sa- 
krale Sphäre, die keine Einmischung des Prolanen 
zulaßt. Der Flahmen gestattet es, diese Raumgren- 
ze nach außen hin, d.h. gegenüber dem Betrach- 
ter, transparent zu machen: durch die Abbildung 
von Architektur hat er Bezug zur Welt des Betrach- 
ters, durch die Verwendung christIich-ikono- 
graphischer Motlve wird er gleichzeitig Bestand- 
teil der sakralen Sphäre des Andachtsbildes. Die 
se trennende und doch zugleich verbindende Wir- 
kung (Ambivalenz) ist kennzeichnend für den Ar- 
4 Rogier van der Weyden, "Der hl. Lukas malt die Mariarr 
5 Dirk Bouts, YIDHS heilige Abendmahl". Tryptichon (Mit- 
telteil) 
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6 Jan van Eyck, i-Maria in der KllChS" 
8 Rogier van der Weyden, "Christus erscheint seiner 
Mutter-r. MiralIores-Allar (rechter Flügel) 
Anmerkungen 5-9 
5 R. Genailie. Die flämische Malerei, Stuttgart 196i. S 140. 
i Interessante stilistische Parallelen bestehen oiisrisicriiiicri zur trü- 
risn Mass- wie auch zur Scheldegotik. Typisch lur den Baustil der 
lruheri Maasgotik (l a. Jh i ist die Art das Tritoriums, das im Bereich 
des Langhauses aus kleinen Spltlbdglgen Arkaturan besteht (Aus- 
tuhrungsbelsplele in A .1. v. de Walle. Gotische Kunst II'I Belgien, 
Wien und Munchen 1972, Äbb. 128 und Ähh. 150). 
Domiriierarid ist der EiritluB der irunsn Scheldegotik (Region um 
raurnan. so 1 a dis ll'l spitzen Bogen zulaufenden Arkaden des 
Langhauses, die sich auf ein System von Burldelpfeilern stutzen 
Charakteristisch liir den Baustil der Schaldegotik ist auch die Tri- 
lorierigaisris, die sich vom Queriiaus iiber den cndr erstreckt; als 
Ausfutirungsbeispiel Dletßl sich das Chorinnere der Kathedrale 
von Tournai an, A. J. v de Walle, a.a 0., Abb IIB. 
i T. Musner, Untersuchungen zu Hogier van der Weyden urid Jan van 
Eyck. Stuttgart, O.J. s. 9er. 
z.B. die Saulenkapitelle, die mit ihrem ainrainigsn Knospenorna- 
man! stilistisch auf die Brahamer Gotik hindeuten. 
' bei Dirk Bouts wird dis vorbildhatta Beziehung zu n. v d. Weyderi 
besonders sugenfallig, so 1.2. in der Rahmenarchitektur des vier- 
leiligeri Maddnna-Aitars (Madrid. Prado), 
11
	        
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