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beiden mittleren in dunkel leuchtendem Grün und
ebenso sattem Rot erscheinen.
Lydia Roppolt notiertedazu: i-Mrr gefiel die gotische Kir-
che sehr gut, und ich wollte etwas Kostbares schaffen.
ich glaube. ich habe das Wesen der Gotik erfaßt. In der
Glaskunstmußmanwirklich sehreinfachsein,damitdie
Wirkung umsogroßer ist. Das Licht der Sonne bringt die
Farben zum Leuchten und Klingen." Sie weist auf den
intensiven Widerschein dieser Gestalten auf das im
Chorhangende Kruzifix hin. insbesondere auf das inder
Glaskunst so seltene Grun liiHoffnungsschimmer. . .i).
und nennt die grüne Gestalt beiläufig "Biantf. Ohne sol-
che spontane Äu ßeru ngen überzubewerten, bestätigen
siedoch die Beobachtung, daß selbst die abstraktesten
Schöpfungen von Lydia Roppolt nicht gegenstandslos
sind, sondern daß ihnen sehr reale Erfahrungen
zugrunde liegen.
Fur die elf Fenster der kreisrunden Taufkapelle der
Christkonigkirche in Linz-Urfahr schuf Lydia Roppolt
stark abstrahierte Bildfenster in Echtantikglas zum
Thema iiFlammenzungen und Wasserflusseri, einem
Thema, das bei vielen alten lnitiationsriten eine Rolle
spielt und auch der christlichen Taufe symbolisch Aus-
druck verleiht ln hellen, überaus duftigen Farben wer-
den die blauen Wasser, herabsturzend in Wasserfällen
und in Becken ruhend. und die darüber schwebenden
roten Feuerzungen dargestellt Von oben ragt die rote
Sonne in die seitlichen Fenster herein, wahrend sie in
den mittleren Fenstern, selbst nicht sichtbar, in den
Wassern rot widerscheint. Dieses Werk verströmt trotz
seinerLebendigkeit in FarbeundSlrich einegroße Ruhe
und atmet die Frische einer sommerlichen Mor-
genfruhe.
Wie kaum ein anderer Künstler der letzten Jahrzehnte
hat Lydia Roppolt durch ihr Werk Anteil an der grundle-
genden Erneuerung der christlichen Kunst. Wie ein
erratischer Block steht ihr Werk inmitten der durch die
ratlose Flucht der im Glauben wie in der Kunst Verunsi-
cherten. Ihr kompromißloses, auf den Wesenkern des
Glaubens direkt zugehendes Gestalten hat unzählige,
konventionelle Betrachter durch ihre Kühnheit befrem-
dende, oft erschreckende Werke hervorgebracht, die-
neben den großten Zeugnissen christlicher Kunst wür-
dig bestehen können. Niemals allerdings hatte sie
beabsichtigt, künstlerisch zu schockieren Die offen-
bareWahrheitaberistnieangenehnmuriddie Frohe Bot-
schaftverlangtvomChristen nichtwenigeratssotortige
Umkehr und Anderung seines Lebens.
Die großen Präsentationen religiöser Kunst, die rund
um den Katholikentag T983 in Wien, Linz, Salzburg und
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anderswostatttanden,haben ein grellesSchlaglichtauf
diese allgemeine Verunsicherung und Ratlosigkeit ge-
worfen. Die Fragen nach der Wahrhaftigkeit der Kunst
und nach der Wahrhaftigkeit des Glaubenswurden dort
sowenig berührLalsobes nicht not tate,sieimmerwie-
derzu stellen und immervon neuem nach Antworten zu
suchen.
Erzbischof Dr. Jachym hat Lydia Roppolt den ehrenvol-
len Auftrag erteilt, die Fenster der neuen Ptarrkirche
zum Göttlichen Erlöser in Wlen-Brigittenau (Burghart-
gasse)zugestalten undmitdiesem,seinemletzenWerk
als Baureferent der Wiener Erzdiözese dem Wunsch
der Künstlerin entsprochen, das zentrale Thema des
Glaubens nicht bloß symbolisch. sondern figürlich dar-
stellenzudürfen.Seinem persönlichen Mutundseinem
Vertrauen in die gestalterische Kraft Lydia Roppolts ist
diese überwältigende Verkörperung christlichen
Bekenntnisses zu verdanken.
Lydia Roppolt fand hier nicht einfach eine Fensterwand
vor, sondern sieben Raumoffnungen unterschiedlicher
Größe, Form und Höhenlage, die zudem in verschiede-
nen Ebenen mit einem kräftigen konstruktiven Raster
geschlossen wurden und den Kirchenraum hinten ab-
QTGHZGTT.
Die insgesamt 33 m breite Bildkomposition zeigt den
geheimnisvoll geordneten Kosmos unter dem als Zei-
chen der Versöhnung alles überspannenden Regenbo-
gen und im 6 m hohen Mittelfeld den die Grenzen des
Raumes überschreitenden gottlichen Erlöser am
Kreuz.
Lydia Roppolt notierte zu ihrem Erlöserfenster: wln der
Mitte ist der Erlöser, DieGeste des geneigten Kopfes ist
tief mystisch und bewegend, ist Hingabe. Er ist fürewig
als Erlöser erhoben. Für den Leib wählte ich Hellrot,
Selen;derKreuzesbalkenistinleuchtendem Rot. Damit
der Korpus richtig erstrahle. umkränzte ich ihn mithel-
len Liniendamiterumsomehr leuchte, und mitmeinen
Schwarzlotlinien brachte ich noch ern richtiges Vibrie-
ren und Glitzern hinein Ganz ruhig und herrlich schön
ist dieserChristus geworden. Unirdisch hebt er sich in
denHimmel.WasichamAnfangmeineskunstlerischen
Weges gewollt habe, ist nicht verforengegangen, im
Gegenteil. ich habe eine Steigerung erreicht. Es war ein
sehr lieber Pfarrer dort. der sagte, bei ihm würde das
eine Wallfahrtskirche werden f!
Lydia Roppolt ist begnadet mit dem unter den heute
schaffenden Künstlern überaus seltenen Charisma der
Bildverkündigung. Unter Verzicht aut alle äußeren
Zufälligkeiten,wie körperliche SchönheiLjaselbst ana-
tomische Richtigkeit, die von den Künstlern früherer
Zeiten oft nur unter dem Vorwand religiöser Thematik
ins Bild gebracht werden durtten und daher oft über die
thematische Notwendigkeit hinaus ausgekostet wur-
den, stoßt Lydia Roppolt abrupt zum eigentlichen
Thema vor. dem durch seine Bereitschaft zum Leiden
und zum Tod tur unsere Erlosung erniedrigten Aller-
hochsten Diese Ambivalenz Christi - wahrer Mensch
und wahrer Gott, der mit aller Schuld beladene schuld-
los Reine, der durch den Tod zum ewigen Leben Aufer-
standene -, dieses unbegreitliche Paradox des neuen
Testaments ist in Lydia Roppolts Erloserfenster faszi-
nierend zum Ausdruck gebracht.
Lydia Roppolt schuf ein Christusbild, das gewaltig ist
und zugleich innig und zart. Ein Bild jedenfalls und kein
Foto. Ihre Schopfung kann daher weder naturalistisch
noch ungegenständlich sein. Sie will keine Sachver-
halte mitteilen. die Leidensgeschichte weder illustrie-
ren noch versinnlichen und Christus nicht porträtieren.
Ihr Gegenstand ist eigentlich die geistige Realität des
Glaubens. Ihre Gestalten entstammen zwar dem
Bereich unserer Erfahrungen. da sie verstandlich sein
mussen wie jede Verkundigung, und sind daher dem
Inhalt nach gegenständlich. der Form nach abstrakt.
das heißt. von den Zufälligkeiten der Erscheinungsviel-
falt befreit und auf das allgemein Gültige verdichtet.
Diegedrungenen Korperproportionen des Erlosers und
seine abgewinkelten Arme rufen die Erinnerung an das
Kind in der Krippe wach, das widerspruchsloser geliebt
wird als der Gekreuzigte. Zusammen mit den duftlgen
Farben des Körpers drücken sie Verfetzlichkeit und
Schutzbedürftigkeit aus. rufen unsere Muttergefuhle
wach, appellieren an unsere Ritterlichkeit und besänfti-
gen unsere Aggressionen gegen Größe und Herrlich-
keit. lndem uns Christus schwach erscheint. fuhlen wir
unsgestarktundzurVerantwortung aufgerufen.Gleich-
zeitig aber ist Christus über die Maßen groß und prach-
trg, laßt uns unsere Kleinheit und Begrenztheit erken-
nen. versetzt uns in die Rolle des Schutz suchenden
Kindes.des minderen Bruders, ruftunsautunsliebens-
würdig zu erweisen und erweckt unsere Sehnsucht. so
zu werden wie er
NichtdiebeklemmendeRealitätdesTodes,sondern die
Verheißung neuen Lebens darzustellen, war das
erklärte Ziel der Kunstlerin. Nicht Leichenblässe, son-
dern die Farben der untergehenden Sonne gab sie dem
Gekreuzigteri, unct das Bild erstrahlt umso feuriger. ie
weiter die Sonne westwärts sinkt
Wenn Lydia Roppolt die Wundmale Christi als Quellen
leuchtender.endlos sich ausbreitenderundindieande-
ren Teile der Gesamtkomposition hinüberfließende