MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 200)

Die Wiederaufnahme historischen Formenguts zum 
Ende einer Epoche, eine Art Historismus also, ist in den 
verschiedensten Kulturen feststellbar. Der europäi- 
sche Historismus als solches Phänomen ist uns ver- 
traut; ähnliches läßt sich auch in Japan feststellen w- 
fast zur gleichen Zeit. aber unabhängig. Das Ende der 
Shogunherrschaftund weitreichende gesellschaftliche 
Veränderungen gehen hinter einer Fassade kultureller 
Vielfalt vor sich, in der das traditionelle Kunsthandwerk 
seine letzte Hochblüte erreichte 7 oder sollte man 
sagen: in der es stagnierte? 
Als der letzte Shogun aus der Familie der Tokugawa 
1868 abdankte und so den Weg zu einerÖffnung Japans 
frei machte, hatte das künstlerische Schaffen in diesem 
Lande eine über 250 Jahre dauernde ruhige Entwick- 
lunghintersich.sehrlangeisoliertundohnefremdländi- 
sche Einflüsse. Fördernd für diese Situation war dar- 
über hinaus das - ebenfalls überJahrhunderte hinweg 
gleichbleibende - Verhältnis zwischen Auftraggeber 
undAuftragnehmer.AlsTokugawaleyasuoererstevon 
15 Shogunen aus dieser Familie, 1603 die Herrschaft 
übernahm. wurde sofort die gesellschaftliche Struktur 
des Landes durch Gesetz festgelegt. Ein Militäradel - 
die Samurai - bildeten die oberste, Kaufleute und 
Handwerker die letzte, am wenigsten angesehene 
Klasse. 
Krieger ohne Krieg e wer sich nicht großer Taten rüh- 
rnen kann, sucht sich in Kunst und Prunk zu verwirkli- 
chen, wird zum Forderer von Theater und Literatur. In 
dieser Zeit enstehen Rüstungen und Waffen, die ihrer 
Kostbarkeit wegen nurtür Fiepräsentationszwecke und 
Paraden geeignet waren oder als wertvolle Geschenke 
von Fürst zu Fürst weitergereicht wurden. Japanische 
Schwertfeger verwendeten oft Monate zur Fertigung 
einer Klinge und genossen hohes Ansehen. Schwert- 
1 Utagawa Kuniyoshi, um 1855. Farpholzscnriittaus der Serie 
uBerühmte Krieger Chinas und Japaner. OMAK, lnv. K. l. 
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2 Wilhelm Burger. Ein Daimyo in Kriegsausrüstung. Fotoauf- 
nahmevonderosterreichisch-ungarischen Expedition nach 
Siam, China und Japan, 1868-1871 
3 Ausschnitt aus dem Rollbild von Tatesuke (Abb 12); einer 
der 16 Lehenslürslen der Tokugawa-Familie 
 
stichblätter (tsubas) und Beimessergrlfte waren i 
verschiedensten Metallegierungen und reichen 
gearbeiten so prezios gestaltet. daß sie selbst beg 
Samrnelobjekte wurden. 
Dosen, Schachteln. Truhen sowie kleine Büchser 
Anhängen (inros)wurden von Lackkünstlern in der 
niertesten Techniken reich verziert. 
Gewänder (kimonos) hatten die einfachste Form, 
waren die Stoffmuster umso reicher gestaltet. 
Wiederum charakteristisch für eine Spatzeit ma 
langsame Veränderung der i-Auftraggeberscl 
sein. Ab dem späten 18. Jahrhundert sind es die 
leute und das Stadtbürgertum, die zu Reichtum un 
fluß kamen. Während der unproduktive Kriege 
zunehmend verarmt und in finanzielle Abhäng 
gerät. versuchen gerade jene - der neue Geldar 
sich mit solchen Kunstwerken zu umgeben. wiesi 
her nur dem Erbadel vorbehalten waren, und d: 
Lebensstil nachzuahmen. 
Diese gesellschaftliche Veränderung macht sich 
in allen Sparten des Kunsthandwerks bemei 
Lackarbeiten, Keramiken, Schmuck sowie kos 
Gewänder verraten uns nicht sofort den Besi 
Schwerter, Rüstungen und Waffen hingegen wr 
durch Metallobjekte ersetzt, in denen die ganze E 
der hochentwickelten Schwertfegerkunst zum Tr 
kommt. Der Farbholzschnitt hingegen ist schon 
rein bürgerliche Kunst und soll die wertvollen Flolll 
und Stellschirrne aus den adeligen Hauer 
ersetzen. 
Der Begriff ukyo-e - Bilder der vergänglichen W 
wird sowohl für die Malerei wie für Drucke verwe 
auch die Themen sind die gleichen: Heldengesc 
ten, Schauspieler, "schöne Frauenii und Ansii 
bekannter Landschaften. Gerade in letztgenan 
4 AndoHiroshige,iiShibaderAtago-Bergxi721 Ansict 
den iiHundert berühmten Ansichten von Edori, 1856-" 
OMAK, lnv. K. l. 10522l7 7 Sammlung Exner
	        
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