verschiedenen Größen und Formen gefaßt:
814 Rauten, 209 böhmische Granate, 139
Smaragde, 112 Chrysolithen, 83 Amethyste,
73 Rubine, 14 spanische Topase und 2 Gra-
riatschalen 30. Art, Zahl, Gewicht und An-
ordnung der Steine sind genau angegeben.
Die 80 Strahlen des „großen Scheinls" sind
so im Kreise angeordnet, daß abwechselnd
je zwei kleineren Strahlen je drei größere
folgen; jeder Strahl ist mit 7 Edelsteinen
besetzt. 16 Strahlen des „Heil. Geist
Scheinls" sind mit je 7, die anderen 16 mit
je 6 „Räutln" geschmückt. Offensichtlich
machte es Freude, die Werke des Kunst-
handwerks mit Edelsteinen reichlich zu
zieren und die Arbeit des Goldschmieds
und des juweliers zu verbinden.
Auf einer profilierten Sockelplatte erhebt
sich der reich getriebene Vierpaßfuß (30x
23 cm). Die zahlreichen, in Farbe und Größe
verschiedenen Edelsteine, gliedernd in Ro-
cailleform angeordnet, stellen Blumen und
Pflanzen dar. Am Fuße eines Felsenaufbaues
hingestreckt liegt Petrus, die Hände zur
Anbetung gefaltet, daneben zwei Schlüssel.
Johannes, an den Felsen gelehnt, hält das
oifene Evangelienbuch im Schoß. jakobus
blickt voll Staunen zum verklärenden Licht
empor. Auf der Rückseite zieren Ähren-
bündel, Trauben und Weinlaub als Sym-
bole der Eucharistie die Wölbung des
Fußes, eine der Felsliächen trägt die In-
scl-irift: „transfiguratus cst antc eos Math.
XVII v. 2." Den Nodus bildet ein Fels-
stück, von Wolken umhangen, aus denen
ein Engelskopf herausschaut. Ein darüber
schwebender Engel hält ein Wolkengebilde,
auf dem die Füße Christi stehen, dessen
Leib die Hostie ersetzt. Wolken umwallen
Lunula und Schaugefäß. Auf der einen
Seite steht Elias, in faltigem Kleide, den
Wanderstab in der Linken, das Haupt hoch
erhoben, auf einer Wolkenbank, aus der ein
zvreikunger Wagen mit Feuerrädern her-
ausfahrt 31. Auf der anderen Seite schwebt
Moses auf einer Wolke. Die Rechte hält
er auf zwei Gesetzestafeln gestützt, mit der
Linken verbirgt er sein Antlitz vor dem
strahlenden Licht. Um den achtzigstrahli-
gen Brillantenkranz des leicht ovalen H0-
stienbehälters sind vier kleine Engelsköpfe
gruppiert. Auf jeder Seite neigt ein auf
Wolken kniender Engel in voller Gestalt
anbetend sein Haupt, der eine die Hände
gefaltet, der andere über der Brust gekreuzt.
Über dem „großen Scheinl" schwebt in
einem Strahlenkranz der Heilige Geist in
Gestalt einer Taube. Darüber legt Gott
Vater in wallendem Gewand seine rechte
Hand beherrschend auf die Weltkugel (mit
Brillantenreif), die von einem Engel ge-
tragen wird; die Linkc streckt er in der
Geste der Verkündigung aus. Ein mit
Rubinen besetztes Kreuz überragt den Auf-
bau, der sich vor einem Strahlenkranz
erhebt. Nur die Lunula, der mondsichel-
förmige Hostienhalter im Schaugefäß, ist
nicht, wie in der Spezifikation angegeben,
mit Brillanten, sondern mit (böhmischen)
Rubinen dicht besetzt. Außerdem trägt sie
gut erkennbar die Jahreszahl 1756 und eine
Punze der Prager Altstadt (Stadtmauer mit
20
drei Türmen) 32. Die Erklärung dafür Hndet
sich in der Eintragung des Sonntagberger
Memorabilienbuches, daß eine Gräfin Wrbna
aus Prag eine mit böhmischen Rubinen be-
setzte Lunula und einen Kelch auf den
Sonntagberg geopfert habe 33. Die ur-
sprüngliche Lunula der Sonntagberger
Monstranz wurde also durch die geopferte
ersetzt.
Die Monstranz ist fast 75 cm hoch und
wird gegenwärtig im Stifte Seitenstetten
aufbewahrt. Ihre Entstehungszeit ist durch
die Verträge und das Wiener Beschau-
zeichen (1762) eindeutig festgelegt. Sie trägt
auch mehrmals den Repunzierungsstempel
1806f7 (IZA) und den Befreiungsstempel
1809[lO. Durch schriftliche Belege und
durch die Meistermarke IWR an sechs ver-
schiedenen Stellen, und zwar an wichtigen
Einzelteilen dcs Kultgerätes, ist klar er-
wiesen, daß Joseph Wilhelm Riedl die
Goldschmiedearbeiten ausgeführt hat und
somit als der eigentliche Meister der Sonn-
tagberger Monstranz bezeichnet werden
kann. Die Fassung der Edelsteine stammt
laut Vertrag von Franz Kick.
Diese Monstranz, das liturgische Gerät zur
repräsentativen Darstellung und Anbetung
des eucharistischen Gottes, ist durch ihre
ideelle Aussage eindeutig für den Sonntag-
berg bestimmt. Die Wallfahrtskirche auf
dem Sonntagberg ist ein Dreifaltigkeits-
heiligtum, das in alten Schriften vielfach
„auf dem heiligen Berg"34 genannt wird.
Auf den Höhen eines heiligen Berges, des
Berges Tabor, zeigte sich Christus seinen
Jiingern im Lichtglanz der Verklärung. Die
Monstranz bringt die geistige Verbindung
des Dreifaltigkcitsgeheimnisses mit der Ver-
klärung Christi sichtbar zum Ausdruck.
Was der Künstler dargestellt hat, entspricht
ganz der Schilderung von der Verklärung
jesu, wie sie der Apostel-Zeuge Petrus und
Matthäus im Evangelium gegeben haben 35.
Die Komposition der Monstranz ist nur
vollkommen, wenn der Sohn Gottes in der
Eucharistie gegenwärtig ist. Christus im
Zentrum bildet einerseits wesenhaft mit
Gottvater und dem Heiligen Geist die Drei-
faltigkeit (Verbindung nach oben) und ist
anderseits verklärt vor Moses, Elias und
den drei Aposteln (Verbindung nach unten).
Inhalt und Aufbau dieses Sakralgerätes
zeigen deutlich, wie sehr der barocke
Mensch die Mysterien des christlichen Glau-
bens in einem fast überraschenden Realis-
mus bettachtete und mit seinen künstleri-
schen Schöpfungen verband 36. Es ist also
aus der Zusammenarbeit zweier Künstler
ein Meisterwerk der Wiener Goldschmiede-
kunst entstanden, das durch seine reife
Konzeption, seinen harmonischen Aufbau,
seinen malerischen Charakter und seinen
materiellen Wert Beachtung uncl Anerken-
nung verdient 37.
Wenn auch grundsätzlich für diesen Mon-
stranzentypus Vorbilder vorhanden sind 33,
konnte doch der spezielle Entwurf, der von
der Ausführung leicht abweicht, bisher
keinem bestimmten Autor zugeschrieben
werden J".
Auch nach Vollendung der Sonntagberger
ANMERKUNGEN 30-44
3" SIAS. 46 B. Spcziliknzimi denen steincrn, welche sich
auf 110! osscn MODSIISDZCH auf den GDBCICHOKIh Sonmg
Bcrg bchnclcn und waß sie an Gewicht haben, wclchc ich
Endis unterschrieben darauf gehst hab."
H 4. Buch der Königr: 2. 11712. __
31 Viktnr lknilzncr, AlK-WiCn-Lexikon für Osterrcichischc
und Süddeutsche Kunst und Kunstgcwcrbc, 3. Bd., Edel-
mclallc und dcrcn Punzcn. Wien 1952, S. 289.
33 Franz Übtrlatkvr. DiC Gtschichtc der Wallfahrt auf dcn
Sonnmgbcrg, Dm, Wien 1963, ".113.
34 In monlc sancro. Vgl. 2 Pur . l, 18! ..- . . cum ßscmus
cum ipso in mome sancio."
35 Z Petrus, l, 13; Mallh. 17, 179.
36 Htrmann Fillilz, Das kirchliche Kunstgewerbe der Barock-
zzit, in: jakob Prandlnucr und sein Kuuslkrtis. Aus-
slellungskztalog 1960. s. 26a.
v Die MOHSXTZIIZ ist wiederholt auf Kllnilallßlbllllllgßü ge-
zeigt wordcn. Siehe etwa: Jakob PKGIIÜXIHICF und scin
Kunstkreis, Außrullungskamlog 1950, S. 272, Nr, 546. In
der PfJKIlKiIClIC Maria l-Hih (BH Stty!) befindet sich m:
freilich kleiner und weniger kostbar ausgeführte K0 i:
der Sonnlagbvrgcr MOHSHZHZ (Martin Ricsenhuber. i:
kirchliche Daruckkunsl in Österreich. Linz 1924, 5.178).
Jß HEKHIEIIH Fillitz. n. a. 0., S. 265.
1' SzAS, Lade A 7. ME. Einwurf 65 x 46 Cm.
4" SIAS. CaniinCrcy-Rzipularc d: Anno 1762. S. 32.
41 SrAS. (hmlTlEfCy-Rüpülarl: ar- Anno 1763164, s. 4a.
41 StAS. 33 D. Fasz. Coldschmiedrationcs, 6. 5. 1753.
43 SIAS, 33 l"), Fasz. Goldschmicdraliones.
44 SKAS, 33 l), Fnsz. Guldsclamiedrakinxzes, 23. 5. 1765.