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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 114)

lidiem und privatem Besitz befand, zur Schau 
stellte und damit einen einmaligen Höhepunkt 
erreichte. Josef Folnesics vom Österreichischen 
Museum hatte mit Einsatz der ganzen Autori- 
tät, die das Wiener Institut genoß, alles, was 
nur irgendwie zu erreichen war, zusammen- 
getragen. Zu dieser bisher größten Präsentation 
von Wiener Porzellan, die unwiederholbar 
blieb und bleiben wird, erschien auch ein Kata- 
log, der, entsprechend den damaligen Usancen, 
sehr knapp in der Beschreibung war und keine 
Abbildungen enthielt, ein Manko, das die Be- 
deutung dieser Ausstellung stark beeinträd-itigte. 
In der Folge jedoch lieferte diese umfassende 
Überschau das Material für zahlreiche Bespre- 
chungen und brachte so eine Diskussion in 
Gang, die in allen musealen Fachblättern der 
Monarchie ihren Niederschlag fand. Zwischen 
1904 und 1914 wurde auf diese Weise das 
Wiener Porzellan ein Lieblingsthema der kunst- 
wissensdiaftlidien Forschung. Die ästhetischen, 
technischen und historischen Probleme wurden 
Geltung brad-iten, sollte es das wissenschaftliche 
Standardwerk bleiben, obwohl sidn seither die 
meisten Besitzverhältnisse auf Grund der Zeit- 
ereignisse vollständig gewandelt haben. 
In diesem Jahrzehnt blieb audu das private 
Sammlertum nicht untätig. Der Wiener Indu- 
strielle Karl Mayer konnte eine Sammlung 
zusammentragen, die, wie der von Josef 
Folnesics im Jahre 1914 verfaßte Katalog 
erkennen läßt, mit 528 Porzellanen nicht nur 
einen erstaunlichen Umfang erreichte, sondern 
aud1 höchste Qualität aufwies. Dieser Kata- 
log sowie der spätere Auktionskatalog vom 
Jahre 1928, die alle Objekte abbilden, sind 
für alle Sammler ein unentbehrliches Nadi- 
schlagewerk geworden. Sie sind bisher die beste 
Ergänzung zu dem Werk von Folnesics und 
Braun. 
Bis zum Zusammenbruch der Monarchie im 
Jahre 1918 lieferten E. W. Braun und Julius 
Leisching nod1 manchen Beitrag zu Detail- 
fragen, vor allem zu der mit nur wenigen 
Ernst, der Direktor des Wiener Museums, in 
Jahre 1925 dem Porzellan des Klassizismus de 
Sammlung Bloch-Baur noch einen stattlichei 
und aufwendigen Band widmete, der dies 
Epoche besonders würdigte, blieb die Versteige 
rung nicht aus. Ebenso erging es der Sammlun1 
Strauß und vor allem der Sammlung Ka: 
Mayers, die besondere Cimelien aus der Früh 
zeit enthielt. Von diesen beiden Samrnlungei 
konnte jedoch nur ein geringer Teil für da 
Museum erworben werden. Die meisten Por 
zellane wanderten ins Ausland, viele nad 
Amerika, wo vor allem nach 1938 das Inter 
esse am Wiener Porzellan erwacht war um 
durch emigrierte Sammler wachgehalten wurde 
Erst die Jahre nach dem zweiten Weltkriej 
rückten das Wiener Porzellan wieder in dei 
Blickpunkt des Interesses. Der wesentliche An 
stoß hierzu kam jedoch nicht von österreichi 
scher Seite. Hier hatte man noch andere Sorgen 
auch in dem Institut, das es als seine Aufgabi 
betrachtet hatte, dem Wiener Porzellan zu ge 
 
6 Runder Teller mit buntem V0 el und indianisdiem Blüren 
zwt-igmotiv, um 17204725, sterteidiisdtes Museum m 
angewandte Kunst, Wien. _ 
7 Schüssel aus einem Service mit barndtern Vasenrnotiv um 
indianischen Blütenzweigen, um 1720. Slg. Fürst Liediten 
Stein. 
a Große Schüssel aus einem Jagdsetvice, Hatzgruppe mit g: 
jagtem Pfcld, um 1710-1740. Slg. Fürst Liediteustein. 
eingehend behandelt, besonders in „Kunst und 
Kunsthandwerk", der Zeitschrift des Wiener 
Museums, und führten mitunter auch zu hef- 
tigen Kontroversen. Diese Auseinandersetzun- 
gen befaßten sich vor allem mit der Frage der 
Markenbezeichnung, ein Problem, das durch 
einen Beitrag von Heinrich Modern über „Un- 
bekannte Marken der Kaiserlichen Wiener 
Porzellanfabrik" ausgelöst worden war und 
sd-iließlich in seinem Sinne geklärt werden 
konnte. 
Der Hauptertrag der Wiener Ausstellung war 
dann die bisher größte und umfassendste Pu- 
blikation zur Gesdiichte der Wiener Porzellan- 
manufaktur im Jahre 1907. Von den beiden 
Autoren behandelte josef Folnesics vorn Wie- 
ner Institut die Geschirr- und Geräteproduktion 
und E. W. Braun den Beitrag über die Porzel- 
lanplastik. Mit zahlreichen Abbildungen ver- 
sehen, die der damaligen Reproduktionstechnik 
entspradien und nur selten die „eigentümliche 
Sdmönheit" der Wiener Porzellane zur vollen 
32 
Akten belegten Frühzeit der Wiener Manufak- 
tur, deren Produktion und deren Künstler. 
Von einer Rußlandreise brachte E. W. Braun 
die Kenntnis von Wiener Porzellanen für den 
russischen Hof nach Hause, die sich in der 
Eremitage befanden und worüber er in „Kunst 
und Kunsthandwerk" berichtete. julius Lei- 
sching wieder zeigte noch im letzten Kriegsjahr 
in seinem Brünner Museum eine Ausstellung 
von 309 Porzellanen aus Brünner Privatbesitz. 
Ein Nachweis, daß auch in den Kronliindern 
das Wiener Porzellan ein begehrtes Sammel- 
objekt geworden war. 
Die Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1938 war 
mit ihren Wirtschaftskrisen nicht dazu angetan, 
das Interesse am Wiener Porzellan wachzuhal- 
ten oder zu fördern. Die Besitzer der großen 
Sammlungen, wie Max Strauß, Karl Mayer und 
Ferdinand Bloch-Baur mußten sich von ihren 
Sammlungen trennen; in den zwanziger und 
dreißiger Jahren begann der Ausverkauf von 
österreidnschem Kunstbesitz. Obwohl Richard 
bührender Geltung zu verhelfen. Hier reicht: 
es 1952 nur zu einer kleinen Publikation in de: 
Reihe der Bildhefte des Instituts, die sich aus 
schließlich mit dem Porzellan aus der Manua 
faktur Du Paquiers befaßte und in erster Lini: 
zur Information der Museumsbesucher gedadii 
war. ln diesen Jahren war das wissenschaftlich: 
Interesse fast ausschließlich auf dieses Themz 
gerichtet. Hier lagen nicht nur die meister 
ungelösten Probleme, sondern die Porzellan: 
dieser Zeit hatten durch das Sammlerinteress: 
für Arbeiten der Frühzeit, die ja in Wien weger 
ihrer „eigentümlichen Schönheit" sidn von der 
Erzeugnissen der anderen Manufakturen unter- 
schieden, eine ästhetische und finanzielle Aufl 
wertung erfahren. Es war der englische Kunst- 
historiker John Forrest Hayward, der als erste; 
diese „eigentümliche Schönheit" der Du 
Paquier-Porzellane wieder erkannte. In einei 
Aufsatzreihe, zuerst im „Apollo" erschienet 
und dann zu einem Buch zusammengefaßt, ver- 
öffentlichte er ebenfalls im Jahre 1952 seinl
	        
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