Walther Maria Neuwirth
VlKTOR PIPAL UND SEIN
POSTIMPRESSIONISMUS
IM GEISTE DERIMUSIK
Fast immer steht am Beginn der Größe die Bedräng-
nis. Der Wiener Veduten-, Genre- und Landschafts-
maler Viktor Pipal wurde am 29. November 1887
als Sohn eines altösterreichischen kleinen Beamten
in Samac in Bosnien geboren. Zeichen- und Malkurse,
später Seminare an der Wiener Kunstgewerbeschule
und an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt,
kunstgeschichtliche Vorlesungen sowie Atelierstudien
bei Professor Franz Rumpler halfen dem iungen
Lehrer Viktor Pipal zur eigenständigen Entfaltung
seines ursprünglichen Talentes, das zwischen den
kaloristischen Tonwerten der Wiener Tradition und
dem aus Frankreich importierten Impressionismus
durch einen geradezu explosiven Einbruch des klas-
sischen Musikerlebens seine Vollendung im Bereich
der Wiener Vedute erreichte.
Dieser Durchbruch erfolgte im Jahr 1926. Viktor
' al war damals schon 38 Jahre alt. Acht Jahre
urde er ins Künstlerhaus aufgenommen. So-
ekte der Rückschau.
in Wirklichkeit war Viktar Pipals künstlerischer
Wachstumsprazeß im Rahmen der turbulenten Wie-
ner zwanziger Jahre natürlich viel komplizierter.
Viktar Pipal war durch kein reglementiertes Akade-
miestudium „manipuliert" worden. Vielfältige Ein-
flüsse stürmten auf den sensiblen Suchenden ein:
Nachwirkungen der Sezession und des Jugendstils,
des Expressionismus, der Primitiven, die ersten Kon-
takte mit der absoluten Abstraktion und das monu-
mentale Erlebnis des Farbenlogikers Cezanne.
Mut wurde Voraussetzung und Verpflichtung. Viktor
Pipal mit dem deutschslawischen Blut stand schick-
salsmäßig im Schatten, gehörte er doch zu den eher
Behutsamen und scheinbar leicht Abweisbaren, zu
den Stillen, in sich Verkapselten im hektischen Kalei-
daskop der Danaustadt, aber auch zu den Hart-
näckigen. Er überwand die Freilichtmalerei eines
Theodor von Hörmann und dialogisierte mit Cezan-
neschen Stilproblemen.
Der Tiefpunkt der zwanziger Jahre schien überwun-
den. Am 9. Juni 1926 wurde Usterreich von der
Völkerbundkontrolle befreit, eine lebhafte Bautätig-
keit setzte ein. Der pathetische Bildhauer Edmund
Moiret stellte im Theseustempel des Volksgartens
„Die Stadt des neuen Lebens" aus, und Wilhelm
Dachauers Nibelungenmarke wurde in Amerika zu
der schönsten Marke der Welt erklärt. Und gerade
in diesem Jahre bastelte sich der musikalisch begabte
Viktor Pipal, der in der Wiener Varstadtder„kleinen
Leute" hauste und lehrte, einen wohlteilen, kleinen
Detektorradioapparat, legte die Kopfhörer an und
genoß mit wachstem Empfinden die damals noch
fast an das Wunderbare grenzende akustisch
Übertragung.
Er erlebte in magisch anmutender Unmittel
Beethoven, Schubert, Hugo Wolf, Schumann
iew, Bach, Haydn, Brahms, Mahler, Mendr
Richard Wagner, Anton Bruckner und
Strauss. Für Eintrittskarten in die großen K
söle hätte das Geld gefehlt, Die Eindrüc
einsamen Hörers waren so gewaltig, daß
Pipal während des Hörens mit Pastellkreic
billigem, getöntem Papier, halb unbewußt, r
sche Linien formte (Abstraktionen im w
Sinne!) und nach dem ieweiligen geistigen
des Klanges diesen intuitiv in wahlverwandte
kleidete. Die so entstandenen Blätter der „m
schen Graphik" zeigte er im Überschwai
Erlebten musischen Freunden, die nun auch il"
zu experimentieren begannen. Bei späteren '
chen stellte sich eine frappante Ähnlichl
Gleichheit der gewählten Linien und Farben
Von nun an war Viktar Pipal überzeugt, daß
nur eine Logik der Farben, sondern auch ei
bedeutsame gesetzmäßige Übereinstimmung
und Farbe und von Rhythmus und abstrakter
führung gibt.
Ungefähr 50 Blätter dieser „musikalischen G
wurden über die Not der Zeit hinübergeret
sind im Besitz des Künstlers. Ocker-sepia
Farbreihen, die die verschiedenen Stufen ei
Formungen widerspiegeln, kontrastieren m
blau-violetten Skala. Eine gelb-weiß und l
zu hellrot sich steigernde Farbenreihe sche