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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 114)

 
 
 
Walther Maria Neuwirth 
VlKTOR PIPAL UND SEIN 
POSTIMPRESSIONISMUS 
IM GEISTE DERIMUSIK 
Fast immer steht am Beginn der Größe die Bedräng- 
nis. Der Wiener Veduten-, Genre- und Landschafts- 
maler Viktor Pipal wurde am 29. November 1887 
als Sohn eines altösterreichischen kleinen Beamten 
in Samac in Bosnien geboren. Zeichen- und Malkurse, 
später Seminare an der Wiener Kunstgewerbeschule 
und an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, 
kunstgeschichtliche Vorlesungen sowie Atelierstudien 
bei Professor Franz Rumpler halfen dem iungen 
Lehrer Viktor Pipal zur eigenständigen Entfaltung 
seines ursprünglichen Talentes, das zwischen den 
kaloristischen Tonwerten der Wiener Tradition und 
dem aus Frankreich importierten Impressionismus 
durch einen geradezu explosiven Einbruch des klas- 
sischen Musikerlebens seine Vollendung im Bereich 
der Wiener Vedute erreichte. 
Dieser Durchbruch erfolgte im Jahr 1926. Viktor 
' al war damals schon 38 Jahre alt. Acht Jahre 
urde er ins Künstlerhaus aufgenommen. So- 
ekte der Rückschau. 
in Wirklichkeit war Viktar Pipals künstlerischer 
Wachstumsprazeß im Rahmen der turbulenten Wie- 
ner zwanziger Jahre natürlich viel komplizierter. 
Viktar Pipal war durch kein reglementiertes Akade- 
miestudium „manipuliert" worden. Vielfältige Ein- 
flüsse stürmten auf den sensiblen Suchenden ein: 
Nachwirkungen der Sezession und des Jugendstils, 
des Expressionismus, der Primitiven, die ersten Kon- 
takte mit der absoluten Abstraktion und das monu- 
mentale Erlebnis des Farbenlogikers Cezanne. 
Mut wurde Voraussetzung und Verpflichtung. Viktor 
Pipal mit dem deutschslawischen Blut stand schick- 
salsmäßig im Schatten, gehörte er doch zu den eher 
Behutsamen und scheinbar leicht Abweisbaren, zu 
den Stillen, in sich Verkapselten im hektischen Kalei- 
daskop der Danaustadt, aber auch zu den Hart- 
näckigen. Er überwand die Freilichtmalerei eines 
Theodor von Hörmann und dialogisierte mit Cezan- 
neschen Stilproblemen. 
Der Tiefpunkt der zwanziger Jahre schien überwun- 
den. Am 9. Juni 1926 wurde Usterreich von der 
Völkerbundkontrolle befreit, eine lebhafte Bautätig- 
keit setzte ein. Der pathetische Bildhauer Edmund 
Moiret stellte im Theseustempel des Volksgartens 
„Die Stadt des neuen Lebens" aus, und Wilhelm 
Dachauers Nibelungenmarke wurde in Amerika zu 
der schönsten Marke der Welt erklärt. Und gerade 
in diesem Jahre bastelte sich der musikalisch begabte 
Viktor Pipal, der in der Wiener Varstadtder„kleinen 
Leute" hauste und lehrte, einen wohlteilen, kleinen 
Detektorradioapparat, legte die Kopfhörer an und 
genoß mit wachstem Empfinden die damals noch 
fast an das Wunderbare grenzende akustisch 
Übertragung. 
Er erlebte in magisch anmutender Unmittel 
Beethoven, Schubert, Hugo Wolf, Schumann 
iew, Bach, Haydn, Brahms, Mahler, Mendr 
Richard Wagner, Anton Bruckner und 
Strauss. Für Eintrittskarten in die großen K 
söle hätte das Geld gefehlt, Die Eindrüc 
einsamen Hörers waren so gewaltig, daß 
Pipal während des Hörens mit Pastellkreic 
billigem, getöntem Papier, halb unbewußt, r 
sche Linien formte (Abstraktionen im w 
Sinne!) und nach dem ieweiligen geistigen 
des Klanges diesen intuitiv in wahlverwandte 
kleidete. Die so entstandenen Blätter der „m 
schen Graphik" zeigte er im Überschwai 
Erlebten musischen Freunden, die nun auch il" 
zu experimentieren begannen. Bei späteren ' 
chen stellte sich eine frappante Ähnlichl 
Gleichheit der gewählten Linien und Farben 
Von nun an war Viktar Pipal überzeugt, daß 
nur eine Logik der Farben, sondern auch ei 
bedeutsame gesetzmäßige Übereinstimmung 
und Farbe und von Rhythmus und abstrakter 
führung gibt. 
Ungefähr 50 Blätter dieser „musikalischen G 
wurden über die Not der Zeit hinübergeret 
sind im Besitz des Künstlers. Ocker-sepia 
Farbreihen, die die verschiedenen Stufen ei 
Formungen widerspiegeln, kontrastieren m 
blau-violetten Skala. Eine gelb-weiß und l 
zu hellrot sich steigernde Farbenreihe sche
	        
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