Grund der Überlegung gewesen sein, die größte Schau dieses Herbstes, die
den etwas umständlichen Titel „österreichische Kunst 1970 Skulpturen plastik
abiekte" führte, im Schloß und Park EGGENBERG zu zeigen. Denn hierher
kommen täglich viele Besucher, Einheimische und Fremde, um das Bauwerk
zu besichtigen; und hier sollten sie auch mit den Zeugnissen unserer Zeit
konfrontiert werden. Um es kurz zu sagen: Das Schloß hat eine großartige
Architektur, und von den Zeugnissen unserer Zeit bestanden daneben nur wenige,
viele kaum, die meisten überhaupt nicht. Daß es aber zu dieser Diskrepanz
kam, war sidier eine Folge der Auswahl, aber auch, und nicht zuletzt, eine Folge
der vollkommen verfehlten Aufstellung.
Zur Auswahl wäre zu sagen, daß bei einem Übergewicht an unreifen
Experimenten neuer Strömungen, wobei immer weniger vorgegeben und immer
mehr dem „Betrachter" zu „tun" überlassen wird, gerade die „Bewahrer des
Menschenbildes", wie es in dem schönen Katalog genannt wird, zum Teil in
geringer Anzahl und zum anderen Teil mit schlechten Kräften vertreten waren.
Warum ist etwa nichts von Andreas Urteil ausgestellt gewesen? [Nur weil er
gestorben ist?) Warum sind Schweiger, Bottali und Coufal nicht, dafür aber
Erich Unterweger und Erich Huber, Graz, dabei? Warum hing ein so
schwacher Rotterdam und verschwand Cornelius Kalig fast gänzlich?
Und damit kommen wir schon zur Aufstellung, für die Oswald Oberhuber
verantwortlich zeichnet. Sowohl die Reihungen zur „Siegesallee" der
Auffahrtsstraße als auch die Gruppierungen im Hof waren verunglückt.
Lieblose Aufstellung, wie etwa die drei Steine Karl Prantls, die sich infolge
des unebenen Hofbodens [eder in eine andere Richtung neigten, oder die
begehbare Plastik Gsöllpointners, die niemand zu begehen wagte, weil sie
mitten im Gras stand (dafür aber schön rat auf dem Grün wirkte, samit aber
wieder nur zum Anschauen warl). Eine Ausstellung österreichischer Skulpturen,
Plastiken, Obiekte, eine Präsentation der modernen österreichischen Strömungen,
wie erfreulich und wünschenswert, aber nicht in dieser „ZufälligkeiW.
Als dritte Trigon-Personale stellte man im KUNSTLERHAUS (GRAZ) vom
4. Oktober bis 2. November 1970 den Mailänder Bruno Munari dem
österreichischen Publikum vor. Mit der Gestaltung der Exposition hatte Skreiner
Jörg Mayr betraut und damit einen guten Griff getan. Die rund 100
Gegenstände wurden auf eine vorn Dach abgehängte, frei schwebende
Konstruktion in der Längsachse des Raumes placiert. Eine kühle und
übersichtliche Anordnung, wie sie den kühlen und strengen Obiekten Munaris
entsprach.
Der Künstler ist ein Bahnbrecher der zeitgenössischen Kunst. Schon 1933
schuf er „Zweckfreie Maschinen" aus bemaltem Karton und dünnen Seidenfäden
und 1935 veränderliche kinetische Strukturen. Aus den gezeigten Werken ging
eindeutig die mehrschichtige Struktur des Künstlers hervor: hier Designer,
Gestalter praktisch verwendbarer Dinge, wie Aschenbecher, Leuchtkärper,
Speisewärmer u. ä., dort reine Graphiken, Lichtspiele, Plastiken, Dinge mit
rein ästhetischem und spielerischem Wert. Es wird aber auch die
Verschränkung der beiden Elemente einleuchtend, denn auch die
Asdienbecher und Speisewärmer haben in ihren sparsamen Formen eine
ästhetische Komponente, und mit den reinen Obiekten kann man hantieren,
spielen, Entspannung finden. Bemerkenswert, mit welch einfachen Mitteln
große Wirkungen erreicht werdenl
In der GALERIE MOSER waren vom 4. bis 24. Oktober 1970 neue Ulbilder
und Zeichnungen von Wolfgang Hollegha zu sehen. Diese Ausstellung
wäre allein eine Reise zum „Steirischen Herbst" wert gewesen. Der
österreichische Künstler, um den es seit einiger Zeit stiller geworden war,
zeigte seine großformatigen Arbeiten. Die Farben in freiem Auftrag mit
solcher Beherrschung auf die Fläche gesetzt, mit feinen Nuancierungen in sich,
zu einem dynamischen Ganzen vereint, beweisen die ungebrochene Kraft
Holleghas. Im allgemeinen sind die Gefüge diditer geworden. Besondere
Leistungen stellen auch die außerordentlich großen Graphiken dar. Auch hier
ist die Sicherheit einmalig, mit der die Hand, auch dort, wo es ersichtlich
sehr schwungvoll und emotionell geschieht, den Strich zog.
Die Räume der NEUEN GALERIE GRAZ beherbergten die Ergebnisse der
fünften INTERNATIONALEN MALERWOCHEN AUF SCHLOSS RETZHOF.
Diese Leistungsschau bestätigte einmal mehr, daß bei diesen Arbeitstreffen
wesentliche Leistungen geschaffen werden und daß hier, trotz eines gegen-
seitigen regen Meinungsaustausches und einer im Menschlichen verankerten
Begegnung, ieder Künstler seine Persönlichkeit bewahrt und wesentlich Eigenes
schafft. Aus den drei benachbarten Ländern waren von Italien Bruno Conte,
Maurizio Nannucci und Giancarlo Zen, von Jugoslawien Petar Dabac,
Metka Krasovec und Vladimir Velickovic, von Österreich Peter Blaas, Andrea
Kovachich, Jorrit Tornquist und Robert Zeppel-Sperl gekommen, um in dem
bei Leibnitz gelegenen Schloß für Wochen in Ruhe arbeiten zu können.
Die besten Arbeiten hat in ieder Hinsicht der Jugoslawe Vladimir Veliökavit
geboten. Die drei großen sdiwarzgrundigen Bilder, auf denen blau-weiße
Figuren agieren, sind engagiert und doch künstlerisch packend, einfallsreich
und doch sparsam. Hier werden Zeitbezüge mit wenigen Andeutungen, Skalen,
Rastern hergestellt; der Mensch hängt drinnen wie in einem Netz, aus dem es
kein Entrinnen gibt, ist festgebannt wie auf dem Fernsehschirm. Das ist
eine neue Figuration, die mehr als Fleischbeschau ist, die zeitnah ist und unter
50
die Haul gehl. Besonders müßle man auch Tornquisl mit seinen gleichsam aus
dem Laboralorium kommenden Farbweriigkeilsfrägern nennen. Ebenso isl
der Beitrag des sleirischen Wieners Zeppel-Sperl originell. Er komm! aus der
enlgegengesefzlen Ecke, sozusagen aus der drillen, und malt unbekümmerl
seine Blumenmädchen und -knuben in eine landsdnafllicher gewordene
Zeppel-Welf. Erstmals wurde auch ein Foiograf IU den Leibnilzer Wochen
eingeladen, der Zagreber Pelar Dabac, dessen Milarbeil im Katalog auch zu
erwähnen wäre. (Abb. 23-29).
Alois V01
BlLDTEXTE 23-29
23
24
25
26
Snirisdier Herbsf 197D, Helmuih
Gsöllpoininer, Begehbare Plastik, 1969.
Harfsdiaumbeschichäeö
Bruno Gironcali, 27 Siüdr Obiekle,
1770. Gi s, Mafrafzen
Bruno unari, Graphik ahgewandell
der Name Munari
Trigon-Personale Bruno Munurl
27 lnlernalionale Malerwochen auf Sch
Relxhaf, Bilder des lnnshrudcers P:
Blaas
28 Wolfgang Hollegha in der Gali
Moser, Graz
29 Internationale Malerwochen auf Srh
Relzhcf, Bild von Vladirnir Veliökt
(Jugoslawien)