Buchbesprechungen
loslio lrtlin Laughlin Pewter in America.
its Maken lt lh Murks". Farlnat
11x13 cm, 56! Seiten, 6" Abbildungen,
Barre Pllbllllllß, Barre Mass. U.5.A. 175D
Dollar.
Die Kette der Zinnbücher reißt nicht ab. Es
ist, wie wenn das ioviale Metall in steigen-
dem MaBe eine magisdle Anziehung auf
den heutigen Sammler ausüben würde.
Wenn man auch der Hexerei unserer Kunst-
stoffchomio gebührende, wenn auch mit
ahnungsvotler Scheu gepaarte Bewunderung
zollt, versenkt man sidl um so lieber in
eine verflassene Zeit, in der man nidtt nur
Altbier aus zinnernen Krügen trank, son-
dern in der auch jeder Haushalt, sozusa-
gen, mit Zinn durchsetzt war. Auch im
recht primitiven Dasein der englischen
Settler, die 162D mit der „Mayflawer" am
amerikanischen Kontinent gelandet waren,
erwiesen sich Zinngeschirr und Zinngeröt
unentbehrlich. Unter den Einwanderern be-
fanden sich wahrscheinlidi englische Zinn-
gießer, die, ausgerüstet mit heimisdlen
Gußfarmen, ihr gewohntes Gewerbe be-
treiben konnten. - Das Interesse des
amerikanischen Sammlers wendet sich na-
turgemäß diesen früheren Produkten zu,
von denen iedoch nur sehr wenige Exem-
plare existieren. Es sei hier erwähnt, daß
die zahlreichen amerikanischen Zinnlieb-
hober im „American Pewter Collectors
Club" vereinigt sind, unter dessen Ägide
Sammeln und Studium von Zinngegenstän-
den mit echt amerikanischer Großzügigkeit
und Akribie betrieben werden. Erstaunliches
wird geleistet. Mr. laughlin, eines der
ältesten Mitglieder, bringt in seinem kürz-
lidt erschienenen Buch „Pewter in America,
its Makers ßt their Marks" alles Wissens-
werte, das über das amerikanische Gewerbe
bekannt wurde; in nicht geringem Maße ist
solches Wissen seiner unermüdlichen For-
schungsarbeit zu verdanken. Zunächst gibt
uns der Verfasser eine Beschreibung der
Technik des Zinngusses und der Zinnbear-
beitung, wobei audt auf europäische Quel-
len (Salmen) verwiesen wird. Es folgt eine
Typisierung der Gefäßformen, die fast aus-
schließlich auf englische Vorbilder zurück-
gehen. Hiebei stützt er sich auf die grund-
legenden Arbeiten des englischen Forschers
H. H. Cotterell und dessen Typologie. In
der amerikanischen Formenwelt sind
deutsche Einflüsse nur sporadisch erkenn-
bar (in Pennsylvanien). ads Budn enthält
Abbildungen von Kannen deutschen Ge-
prages, allerdings in Kombination mit
englischen Details. - Obwohl der amerika-
nisdle Meister nidlt kategorisdlen Zunft-
oder behördlichen Vorschriften zu gehor-
chen holte, sondern als freier Handwerker
schuf, lassen seine Produkte hinsichtlich
Legierung und Bearbeitung nichts zu wün-
schen übrig. Der freie Wettbewerb schien
eine segensreiche wirkung ausgeübt zu
haben. Auch mußte man beständig gegen
die hochwertigen englischen Importe stand-
halten. London und Bristol waren die Aus-
gongshdren dieser Exporte, und so blieb
denn oudl die Formgebung des amerikani-
sdlen zinns vorwiegend englandhörig. In
diesem Zusammenhang ist es bemerkens-
wert, doB auch auf omorikanisdiem Zinn
das eingestempelte Wort „LONDON" an
sich eine Qualitötsbezeichnung darstellt. In
Deutschland, z. B. Mainz, war dies auch
üblich, was von den englischen Kollegen
sehr übelgenommen wurde. Die englischen
Exporteure waren so klug, das Produkt
durch hochwertige Legierung (teilweise blei-
frei!) und sorgfältige Bearbeitung so zu
gestalten, doß dessen Prestige iahrhunderte-
lang aufrecht erhalten werden konnte. Die
Amerikaner neigten dazu, die übernom-
menen Farmentypen nodt zu vereinfachen,
wodurch deren puritanischer Charakter
unterstrichen wird. Reliefguß erscheint sel-
ten, z. B. an den „Ohren" der bekannten
fladlen Breischüsselctlerl, und ist kennbar
dui populär amerikanischen Geschmack
eingestellt. Gravuren beschränken sidt auf
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Widmungen, Dotierungen u. dgl. Nirgends
zeigt sidi ein Hang zu üppiger Ober-
flüchendekoration, wie er besonders bei
den deutschen Meistern zutage tritt. Durch
den langiöhrigen Gebrauch alter Gieß-
formen entsteht ein Konservativismus ohne-
gleichen, und Stilverschleppungen von mehr
als hundert Jahren sind keine Seltenheit.
Offenbar verlangten die damaligen Kauter
keineswegs immer das Neueste, womit sie
sich von ihren Nachfahren sdlroff unter-
sdlieden. Man kann sich schwer vorstellen,
daß ein europäischer Sammler an solch
nüchterner Sachlichkeit besonderen Gefal-
len finden könnte, anders wie sein ameri-
konischer Kollege, bei dem die patriotische
Komponente eine besondere Rolle spielt. -
Die bisher bekanntgewordanen Stempel
amerikanischer Meister sind in Mr.
Loughlins Buch fotografisch wiedergegeben.
Nur wenige ähneln den in Europa üblichen.
Als bevorzugtes Symbol erscheint der ame-
rikanische Adler, ein Zeichen wachsenden
Selbstbewußtseins und Appells an den
Patriotismus des Käufers und seine Bevor-
zugung des heimischen Produktes. Zinnge-
schirr und Gerät, wie etwa die bekannten
Tranlampen, Kerzengießformen und Bett-
wärrner, waren im amerikanischen Haus-
halt außerordentlidi verbreitet, vor allem
in den nördlichen Staaten. Nur wenig ist
davon übriggeblieben, und die Preise, die
für alte authentische Stücke bezahlt wer-
den, sind dementsprechend. Das meiste
entstammt dein späten 1a. und frühen 19.
Jahrhundert. Dclnn hat eine Flut von „Bri-
tanniametoll" so wie in Europa die viel
solidere Zinnware verdrüngt. Mr. Laughlin
geht auch auf diese Kategorie ein und
weist gebührend auf den ott zweifelhaften
Gescttmadi, der diesen Produkten anttattet.
- Auch wenn europäische Sammler kaum
Gelegenheit finden werden, amerikanisches
Zinn zu erwerben und auch in ihrer Ge-
sdlmocksrichtung anders orientiert sind,
dürften doch der kultivierte Text und die
schöne Ausstattung des Buches Freude
schenken.
Wien, Juli 1970 Robert M. Vetter
Helene und Thema: Finkenstaodt, Stangl-
a und Große Kerzen - Stäbe,
Kerzen und Stangen der Bruderschaften
und Ziinfta in Bayam, Anton H. Konrad
Verlag Wo anhorn, 196D, BD Saiten Text,
71 Saiten Tafeln, 8 Farbtafeln, DM 19.11.1.
Mit der sdlänen Freiheit des „Amateurs",
der aus einer anderen Wissenschaft kommt,
der Anglistik nämlich, hat Thomas Finken-
staedt zusammen mit seiner Frau iahrelang
in Bayern Prozessionsstanigen, Bruderschafts-
stäbe und -kerzen festgestellt, systematisch
bearbeitet und fotografiert. Aus einem
Bestand von über 2000, die in sehr unter-
schiedlicher Zahl in den einzelnen Land-
schuften erhalten sind, so in Oberbayern
700, degegen in Unterfranken nur etwd loo,
werden mehr als B0 einzeln im Bild vor-
gestellt und sehr ausführlich beschrieben
und kommentiert. lkonogrophisch ergibt
sich ein höchst interessanter und anmutiger
Reigen von Patronen der verschiedensten
Zünfte und Brudersdtaften, wobei vor allem
in der wichtigen Einleitung gerade zur
Geschichte dieser Verbünde und Gemein-
schaften neues Material und neue Erkennt-
nisse vorgelegt werden. Finkenstaedt ver-
sucht über die Rechtszeichen der Zünfte,
eben iene Kerzen und stongen, etwas über
die Sozialordnung im ausgehenden Mittel-
alter und im Barock - also vor der Ge-
werbetreiheit - zu erfahren, Zitate aus den
Zunftordnungen lassen die Vielschichtigkeil
erkennen, zeigen ober immer, daß die
ökonomisch-soziale Welt der Handwerker
selbstverständlich in die große ordnung der
Kirche eingeordnet war. So wird etwa am
Tage des Patrons abgerechnet, die Rang-
ordnung überträgt sich auf iene in der
Prozession usw. Eine erstounlidte Fülle van
Gesichtspunkten bei der Betrachtung sol-
cher kleiner Kunstwerke, wenn man sich
eben nidit nur als Kunst-„Gegenstöndf
sieht, sondern ihrer eigentlichen Funktion
nadtforscht. Doß zudem von den Kunst-
historikern zu Unrecht wenig beachtete
Werke von Rang nicht einmal in den
lnventaren verzeichnet waren und sind, er-
fährt man auch. So etwa die Ferdinand
Tietz zugeschriebene Stange mit dem frei-
stehenden heiligen Michael aus Neun-
kirchen bei Fordtheim oder die nur zu
Fronleichnam aufgestellten 3D i!) Stangen
im Dorn zu Eichstätt. - Leider fehlen neben
den genauen Beschreibungen die Größen-
angaben.
Ein auch buchkünstlerisch sehr hübsch ge-
machter Band, ein Nachschlagewerk zu-
gleich, anregend für den Historiker, den
Soziologen, den Kunsthistoriker, den Ha-
giographen - nichts für Sammler, da zu
hoffen ist, doß der noch erhaltene Be-
stand in den Kirchen und bei den Zünften
gehütet wird, zumal er vielerorts an Fron-
leichnam seiner uralten Bestimmung dient,
mitgetragen zu werden zur Ehre des Altar-
sakraments und eines „ehrboren Hand-
werks".
Walther Maria Nauwirtlt „Versunken die
bitteren Worte", 1M philosophisdt orien-
tiarte Gedankengcdicltte, 1D! Saiten, „Uxter-
tetdiisdte verlegsdnstdlt", wie
gebunden. hat Sdtutzumldtlagr
oder DM 9.80, str 10.-, Dollar 2.50.
Als Anregung zu geistigen Erlebnissen und
somit als Lektüre für feinsinnige Leser
bestimmt. Über die Dichtung von Walther
Maria Neuwirth urteilt die Presse: „Für
die Lyrik, die Walther Maria Neuwirth in
seinem Gedidttband ,Versunken die bitteren
Worte' zusammengetaßt und zur Architek-
tur gestaltet hat, besitzt das Prädikat
,lapidar' Geltung. Es ist Aussage, die in
wenigen Zeilen, ta oft in einem Wort, mehr
Dichte und Essenz gibt, als Lyrik es sonst
vermag. Diese Aussage hat aber auch den
subiektiven Kreis menschlichen Erlebens
durchbrochen, sie ist seherisch und allge-
meingültig, sie ist Erbe und Zukunft zu-
gleich. Sie ist Gedonkenlyrik, aber nidtt
mehr Bildungslyrik Im beschaulich betrach-
tenden sinn, sie nimmt auch das rhythmi-
sche Gefälle, die Bilder und Gleichnisse
der Antike und des Christentums nicltt
reflektierend in ihren Wortschatz auf, son-
dern neusdtopferiscti, mit einem zukunfts-
weisenden Sinn. Denn Neuwirth formt an
einem glücklidteren, geistigen Mensdlen-
bild - er gibt ihm großartige Chiffren der
Weisheit, magische Zeichen mit auf den
Weg. Er hebt das Dichlertum wieder in den
Rang des Sehertums."
Professor Ernst wurrn, Wiener Neustadt
„Linzer Tagblatt"; „Natürlich bedarf eine
so feinsinnige Lyrik für ihre intuitive
Verschwisterung von Leser und Werk einer
starken Konzentration..." , heinlandzei-
tung": „Diese Gedankenlyrik läßt die Um-
risse eines neuen Menschenbildes ahnen
und einer kommenden Welt ohne Bitterkeit,
aber mit dem Wissen um die Dinge..."
(FH), „Neue Osnobriicker Zeitung"; „Wut.
ther Maria Neuwirth ist ein engagierter
Lyriker, obgleich er sidi nicht init aktuellen
Togesereignissen bescttaftigt. Mit Hilfe der
Sprache, des Gedichtes will der Uster-
reicher dazu beitragen, eine bessere, men-
schenwürdigere Welt zu gestalten . . ."
Alltag und Fest im Mi alaltar, Katalog der
Ustlrraidtildien Gala e Wien, 197D, 110
Seiten, 31 Abbildungen.
Der Katalog der gleichnamigen Ausstellung
im Unteren Belvedere, die vom 14. Novem-
ber 1969 bis 15. November 197D geöffnet
war, beinhaltet neben einer kurzen Einlei-
tung vcm Direktor Aurenhamrner, in der auf
das neugegründete „lnslitul tur mittelalter-
liche Realienkunde osterreidis", durch de-
ren Mitwirkung die Ausstellung zustande
kam, hingewiesen wird, zwei wichtige
Abhandlungen zum Thema. Leopold
Schmidt schreibt über "Den Wirklicttkeits-
geholt der gotischen Tafelbilder
kundlicher Sicht" und Harry Ki.
„Die Wirklichkeit und ihr Abbi
Kunst des Spätmittelalters". Sch
auf die realen und nichtrealen
den dargestellten Realien hin, e
die „topos"-Bildung und macht
vorsichtigen Formulierungen auf
schichligkeit aufmerksam, die n
weiteren Erforschung bedarf. Ha
umreißt kurz die Aufgaben der f
arbeit an Hand der gegebener
keiten, skizziert ein Bild der Sit
in Frage stehenden Zeit und l
Grund der veränderten Sozialst
Spätmittelalters zu der Faststal
eine immer realistischer werdi
stellungsweise der Kunstwerke
Forschung auf dem Gebiet d:
wesentlich erleichtert. Absdtliet
er zusammen, daß gerade die
Naturgetreue der idealistischer
lungsweise der frühen Epoche
naturnähere der späten ihre
kungen, Uberzahnungen und
düngen einer eingehenden Erfor:
dürfen. Aus den beiden Aufs
aus der ganzen Ausstellung wi
lidl, wie wichtig das genannte
das die Komplexität des Materic
flechten hat.
ß
Eingelangte Bücher:
wiLLi FISCHER, OFFSETDRUCK t
Seiten, m1 Abbildungen, Leinen
phansUmschlag, 1970. Heinz Moi
München, DM 111.-.
NICOLAS SCHUFFER, DIE KYBEF
STADT, 115 Seiten, zahlreidte Ab
brosrh, 197D. Heinz Moos Verlag
MUSEEN IN HESSEN. Ein Hand
öffentlichen Museen und Samm
Lande Hessen, herausgegeben vom
Museumsverbond, Kassel. 415 Seiti
bildungen, Leinen, 197D, DM 22.5
RENATE WAGNER-RIEGER, WIEt
TEKTUR IM w. JAHRHUNDERT,
TeXf, 96 Seiten Schwarzweißab
Zeichnungen im reit, Leinen, 19
reichischer Bundesverlag, Wien,
es 490.-.
HELGA AICHINGER, am KURNt
DEN PFAU, Verse van Josef Gugl
Seiten, kart., 197D. Verlag Ernst
LahrlSdtwarzwaldt DM 14.80.
MICHAL WALICKI, JAN VERN
DELFT, 140 Seiten mit 6B Abbildi
von llvierfarbig, Leinen mit farbig
umschlag, 19m. VEB Verlag der K
den, DM 14.50.