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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 114)

Buchbesprechungen 
 
loslio lrtlin Laughlin Pewter in America. 
its Maken lt lh Murks". Farlnat 
11x13 cm, 56! Seiten, 6" Abbildungen, 
Barre Pllbllllllß, Barre Mass. U.5.A. 175D 
Dollar. 
Die Kette der Zinnbücher reißt nicht ab. Es 
ist, wie wenn das ioviale Metall in steigen- 
dem MaBe eine magisdle Anziehung auf 
den heutigen Sammler ausüben würde. 
Wenn man auch der Hexerei unserer Kunst- 
stoffchomio gebührende, wenn auch mit 
ahnungsvotler Scheu gepaarte Bewunderung 
zollt, versenkt man sidl um so lieber in 
eine verflassene Zeit, in der man nidtt nur 
Altbier aus zinnernen Krügen trank, son- 
dern in der auch jeder Haushalt, sozusa- 
gen, mit Zinn durchsetzt war. Auch im 
recht primitiven Dasein der englischen 
Settler, die 162D mit der „Mayflawer" am 
amerikanischen Kontinent gelandet waren, 
erwiesen sich Zinngeschirr und Zinngeröt 
unentbehrlich. Unter den Einwanderern be- 
fanden sich wahrscheinlidi englische Zinn- 
gießer, die, ausgerüstet mit heimisdlen 
Gußfarmen, ihr gewohntes Gewerbe be- 
treiben konnten. - Das Interesse des 
amerikanischen Sammlers wendet sich na- 
turgemäß diesen früheren Produkten zu, 
von denen iedoch nur sehr wenige Exem- 
plare existieren. Es sei hier erwähnt, daß 
die zahlreichen amerikanischen Zinnlieb- 
hober im „American Pewter Collectors 
Club" vereinigt sind, unter dessen Ägide 
Sammeln und Studium von Zinngegenstän- 
den mit echt amerikanischer Großzügigkeit 
und Akribie betrieben werden. Erstaunliches 
wird geleistet. Mr. laughlin, eines der 
ältesten Mitglieder, bringt in seinem kürz- 
lidt erschienenen Buch „Pewter in America, 
its Makers ßt their Marks" alles Wissens- 
werte, das über das amerikanische Gewerbe 
bekannt wurde; in nicht geringem Maße ist 
solches Wissen seiner unermüdlichen For- 
schungsarbeit zu verdanken. Zunächst gibt 
uns der Verfasser eine Beschreibung der 
Technik des Zinngusses und der Zinnbear- 
beitung, wobei audt auf europäische Quel- 
len (Salmen) verwiesen wird. Es folgt eine 
Typisierung der Gefäßformen, die fast aus- 
schließlich auf englische Vorbilder zurück- 
gehen. Hiebei stützt er sich auf die grund- 
legenden Arbeiten des englischen Forschers 
H. H. Cotterell und dessen Typologie. In 
der amerikanischen Formenwelt sind 
deutsche Einflüsse nur sporadisch erkenn- 
bar (in Pennsylvanien). ads Budn enthält 
Abbildungen von Kannen deutschen Ge- 
prages, allerdings in Kombination mit 
englischen Details. - Obwohl der amerika- 
nisdle Meister nidlt kategorisdlen Zunft- 
oder behördlichen Vorschriften zu gehor- 
chen holte, sondern als freier Handwerker 
schuf, lassen seine Produkte hinsichtlich 
Legierung und Bearbeitung nichts zu wün- 
schen übrig. Der freie Wettbewerb schien 
eine segensreiche wirkung ausgeübt zu 
haben. Auch mußte man beständig gegen 
die hochwertigen englischen Importe stand- 
halten. London und Bristol waren die Aus- 
gongshdren dieser Exporte, und so blieb 
denn oudl die Formgebung des amerikani- 
sdlen zinns vorwiegend englandhörig. In 
diesem Zusammenhang ist es bemerkens- 
wert, doB auch auf omorikanisdiem Zinn 
das eingestempelte Wort „LONDON" an 
sich eine Qualitötsbezeichnung darstellt. In 
Deutschland, z. B. Mainz, war dies auch 
üblich, was von den englischen Kollegen 
sehr übelgenommen wurde. Die englischen 
Exporteure waren so klug, das Produkt 
durch hochwertige Legierung (teilweise blei- 
frei!) und sorgfältige Bearbeitung so zu 
gestalten, doß dessen Prestige iahrhunderte- 
lang aufrecht erhalten werden konnte. Die 
Amerikaner neigten dazu, die übernom- 
menen Farmentypen nodt zu vereinfachen, 
wodurch deren puritanischer Charakter 
unterstrichen wird. Reliefguß erscheint sel- 
ten, z. B. an den „Ohren" der bekannten 
fladlen Breischüsselctlerl, und ist kennbar 
dui populär amerikanischen Geschmack 
eingestellt. Gravuren beschränken sidt auf 
56 
 
Widmungen, Dotierungen u. dgl. Nirgends 
zeigt sidi ein Hang zu üppiger Ober- 
flüchendekoration, wie er besonders bei 
den deutschen Meistern zutage tritt. Durch 
den langiöhrigen Gebrauch alter Gieß- 
formen entsteht ein Konservativismus ohne- 
gleichen, und Stilverschleppungen von mehr 
als hundert Jahren sind keine Seltenheit. 
Offenbar verlangten die damaligen Kauter 
keineswegs immer das Neueste, womit sie 
sich von ihren Nachfahren sdlroff unter- 
sdlieden. Man kann sich schwer vorstellen, 
daß ein europäischer Sammler an solch 
nüchterner Sachlichkeit besonderen Gefal- 
len finden könnte, anders wie sein ameri- 
konischer Kollege, bei dem die patriotische 
Komponente eine besondere Rolle spielt. - 
Die bisher bekanntgewordanen Stempel 
amerikanischer Meister sind in Mr. 
Loughlins Buch fotografisch wiedergegeben. 
Nur wenige ähneln den in Europa üblichen. 
Als bevorzugtes Symbol erscheint der ame- 
rikanische Adler, ein Zeichen wachsenden 
Selbstbewußtseins und Appells an den 
Patriotismus des Käufers und seine Bevor- 
zugung des heimischen Produktes. Zinnge- 
schirr und Gerät, wie etwa die bekannten 
Tranlampen, Kerzengießformen und Bett- 
wärrner, waren im amerikanischen Haus- 
halt außerordentlidi verbreitet, vor allem 
in den nördlichen Staaten. Nur wenig ist 
davon übriggeblieben, und die Preise, die 
für alte authentische Stücke bezahlt wer- 
den, sind dementsprechend. Das meiste 
entstammt dein späten 1a. und frühen 19. 
Jahrhundert. Dclnn hat eine Flut von „Bri- 
tanniametoll" so wie in Europa die viel 
solidere Zinnware verdrüngt. Mr. Laughlin 
geht auch auf diese Kategorie ein und 
weist gebührend auf den ott zweifelhaften 
Gescttmadi, der diesen Produkten anttattet. 
- Auch wenn europäische Sammler kaum 
Gelegenheit finden werden, amerikanisches 
Zinn zu erwerben und auch in ihrer Ge- 
sdlmocksrichtung anders orientiert sind, 
dürften doch der kultivierte Text und die 
schöne Ausstattung des Buches Freude 
schenken. 
Wien, Juli 1970 Robert M. Vetter 
Helene und Thema: Finkenstaodt, Stangl- 
a und Große Kerzen - Stäbe, 
Kerzen und Stangen der Bruderschaften 
und Ziinfta in Bayam, Anton H. Konrad 
Verlag Wo anhorn, 196D, BD Saiten Text, 
71 Saiten Tafeln, 8 Farbtafeln, DM 19.11.1. 
Mit der sdlänen Freiheit des „Amateurs", 
der aus einer anderen Wissenschaft kommt, 
der Anglistik nämlich, hat Thomas Finken- 
staedt zusammen mit seiner Frau iahrelang 
in Bayern Prozessionsstanigen, Bruderschafts- 
stäbe und -kerzen festgestellt, systematisch 
bearbeitet und fotografiert. Aus einem 
Bestand von über 2000, die in sehr unter- 
schiedlicher Zahl in den einzelnen Land- 
schuften erhalten sind, so in Oberbayern 
700, degegen in Unterfranken nur etwd loo, 
werden mehr als B0 einzeln im Bild vor- 
gestellt und sehr ausführlich beschrieben 
und kommentiert. lkonogrophisch ergibt 
sich ein höchst interessanter und anmutiger 
Reigen von Patronen der verschiedensten 
Zünfte und Brudersdtaften, wobei vor allem 
in der wichtigen Einleitung gerade zur 
Geschichte dieser Verbünde und Gemein- 
schaften neues Material und neue Erkennt- 
nisse vorgelegt werden. Finkenstaedt ver- 
sucht über die Rechtszeichen der Zünfte, 
eben iene Kerzen und stongen, etwas über 
die Sozialordnung im ausgehenden Mittel- 
alter und im Barock - also vor der Ge- 
werbetreiheit - zu erfahren, Zitate aus den 
Zunftordnungen lassen die Vielschichtigkeil 
erkennen, zeigen ober immer, daß die 
ökonomisch-soziale Welt der Handwerker 
selbstverständlich in die große ordnung der 
Kirche eingeordnet war. So wird etwa am 
Tage des Patrons abgerechnet, die Rang- 
ordnung überträgt sich auf iene in der 
Prozession usw. Eine erstounlidte Fülle van 
Gesichtspunkten bei der Betrachtung sol- 
cher kleiner Kunstwerke, wenn man sich 
 
eben nidit nur als Kunst-„Gegenstöndf 
sieht, sondern ihrer eigentlichen Funktion 
nadtforscht. Doß zudem von den Kunst- 
historikern zu Unrecht wenig beachtete 
Werke von Rang nicht einmal in den 
lnventaren verzeichnet waren und sind, er- 
fährt man auch. So etwa die Ferdinand 
Tietz zugeschriebene Stange mit dem frei- 
stehenden heiligen Michael aus Neun- 
kirchen bei Fordtheim oder die nur zu 
Fronleichnam aufgestellten 3D i!) Stangen 
im Dorn zu Eichstätt. - Leider fehlen neben 
den genauen Beschreibungen die Größen- 
angaben. 
Ein auch buchkünstlerisch sehr hübsch ge- 
machter Band, ein Nachschlagewerk zu- 
gleich, anregend für den Historiker, den 
Soziologen, den Kunsthistoriker, den Ha- 
giographen - nichts für Sammler, da zu 
hoffen ist, doß der noch erhaltene Be- 
stand in den Kirchen und bei den Zünften 
gehütet wird, zumal er vielerorts an Fron- 
leichnam seiner uralten Bestimmung dient, 
mitgetragen zu werden zur Ehre des Altar- 
sakraments und eines „ehrboren Hand- 
werks". 
Walther Maria Nauwirtlt „Versunken die 
bitteren Worte", 1M philosophisdt orien- 
tiarte Gedankengcdicltte, 1D! Saiten, „Uxter- 
tetdiisdte verlegsdnstdlt", wie 
gebunden. hat Sdtutzumldtlagr 
oder DM 9.80, str 10.-, Dollar 2.50. 
Als Anregung zu geistigen Erlebnissen und 
somit als Lektüre für feinsinnige Leser 
bestimmt. Über die Dichtung von Walther 
Maria Neuwirth urteilt die Presse: „Für 
die Lyrik, die Walther Maria Neuwirth in 
seinem Gedidttband ,Versunken die bitteren 
Worte' zusammengetaßt und zur Architek- 
tur gestaltet hat, besitzt das Prädikat 
,lapidar' Geltung. Es ist Aussage, die in 
wenigen Zeilen, ta oft in einem Wort, mehr 
Dichte und Essenz gibt, als Lyrik es sonst 
vermag. Diese Aussage hat aber auch den 
subiektiven Kreis menschlichen Erlebens 
durchbrochen, sie ist seherisch und allge- 
meingültig, sie ist Erbe und Zukunft zu- 
gleich. Sie ist Gedonkenlyrik, aber nidtt 
mehr Bildungslyrik Im beschaulich betrach- 
tenden sinn, sie nimmt auch das rhythmi- 
sche Gefälle, die Bilder und Gleichnisse 
der Antike und des Christentums nicltt 
reflektierend in ihren Wortschatz auf, son- 
dern neusdtopferiscti, mit einem zukunfts- 
weisenden Sinn. Denn Neuwirth formt an 
einem glücklidteren, geistigen Mensdlen- 
bild - er gibt ihm großartige Chiffren der 
Weisheit, magische Zeichen mit auf den 
Weg. Er hebt das Dichlertum wieder in den 
Rang des Sehertums." 
Professor Ernst wurrn, Wiener Neustadt 
„Linzer Tagblatt"; „Natürlich bedarf eine 
so feinsinnige Lyrik für ihre intuitive 
Verschwisterung von Leser und Werk einer 
starken Konzentration..." , heinlandzei- 
tung": „Diese Gedankenlyrik läßt die Um- 
risse eines neuen Menschenbildes ahnen 
und einer kommenden Welt ohne Bitterkeit, 
aber mit dem Wissen um die Dinge..." 
(FH), „Neue Osnobriicker Zeitung"; „Wut. 
ther Maria Neuwirth ist ein engagierter 
Lyriker, obgleich er sidi nicht init aktuellen 
Togesereignissen bescttaftigt. Mit Hilfe der 
Sprache, des Gedichtes will der Uster- 
reicher dazu beitragen, eine bessere, men- 
schenwürdigere Welt zu gestalten . . ." 
 
Alltag und Fest im Mi alaltar, Katalog der 
Ustlrraidtildien Gala e Wien, 197D, 110 
Seiten, 31 Abbildungen. 
Der Katalog der gleichnamigen Ausstellung 
im Unteren Belvedere, die vom 14. Novem- 
ber 1969 bis 15. November 197D geöffnet 
war, beinhaltet neben einer kurzen Einlei- 
tung vcm Direktor Aurenhamrner, in der auf 
das neugegründete „lnslitul tur mittelalter- 
liche Realienkunde osterreidis", durch de- 
ren Mitwirkung die Ausstellung zustande 
kam, hingewiesen wird, zwei wichtige 
Abhandlungen zum Thema. Leopold 
Schmidt schreibt über "Den Wirklicttkeits- 
 
geholt der gotischen Tafelbilder 
kundlicher Sicht" und Harry Ki. 
„Die Wirklichkeit und ihr Abbi 
Kunst des Spätmittelalters". Sch 
auf die realen und nichtrealen 
den dargestellten Realien hin, e 
die „topos"-Bildung und macht 
vorsichtigen Formulierungen auf 
schichligkeit aufmerksam, die n 
weiteren Erforschung bedarf. Ha 
umreißt kurz die Aufgaben der f 
arbeit an Hand der gegebener 
keiten, skizziert ein Bild der Sit 
in Frage stehenden Zeit und l 
Grund der veränderten Sozialst 
Spätmittelalters zu der Faststal 
eine immer realistischer werdi 
stellungsweise der Kunstwerke 
Forschung auf dem Gebiet d: 
wesentlich erleichtert. Absdtliet 
er zusammen, daß gerade die 
Naturgetreue der idealistischer 
lungsweise der frühen Epoche 
naturnähere der späten ihre 
kungen, Uberzahnungen und 
düngen einer eingehenden Erfor: 
dürfen. Aus den beiden Aufs 
aus der ganzen Ausstellung wi 
lidl, wie wichtig das genannte 
das die Komplexität des Materic 
flechten hat. 
ß 
Eingelangte Bücher: 
wiLLi FISCHER, OFFSETDRUCK t 
Seiten, m1 Abbildungen, Leinen 
phansUmschlag, 1970. Heinz Moi 
München, DM 111.-. 
NICOLAS SCHUFFER, DIE KYBEF 
STADT, 115 Seiten, zahlreidte Ab 
brosrh, 197D. Heinz Moos Verlag 
MUSEEN IN HESSEN. Ein Hand 
öffentlichen Museen und Samm 
Lande Hessen, herausgegeben vom 
Museumsverbond, Kassel. 415 Seiti 
bildungen, Leinen, 197D, DM 22.5 
RENATE WAGNER-RIEGER, WIEt 
TEKTUR IM w. JAHRHUNDERT, 
TeXf, 96 Seiten Schwarzweißab 
Zeichnungen im reit, Leinen, 19 
reichischer Bundesverlag, Wien, 
es 490.-. 
HELGA AICHINGER, am KURNt 
DEN PFAU, Verse van Josef Gugl 
Seiten, kart., 197D. Verlag Ernst 
LahrlSdtwarzwaldt DM 14.80. 
MICHAL WALICKI, JAN VERN 
DELFT, 140 Seiten mit 6B Abbildi 
von llvierfarbig, Leinen mit farbig 
umschlag, 19m. VEB Verlag der K 
den, DM 14.50.
	        
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