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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 172 und 173)

2 Gianlorenzo Bernlni, lavierle Federzeichnung II 
von vier Engem getragenes frei stehendes Ziboriu 
ningvad. Eremitage 
3 Rom, St. Peter. Schrägsicht zum Baldachin und i 
Kuppelraum des Domes 
g stutzig werden müßte ein kunstverstandiger 
iachter darüber, daß in der Leningrader Ere- 
ge eine Zeichnung (Abb. 2) Berninis existiert, 
welcher das Ziborium getragen von vier zu- 
1h Kerzen haltenden Engeln erscheint. Ein gro- 
quadratisches Viereck wäre hier als nötiger 
zeingenommen wordent, eine Lösung, die in 
Iappella dei Sacramento schlechthin undenk- 
st, da sie einen Raum von großer Tiefe benö- 
und eine absolute Freistellung des Ganzen. 
al der Gläubige das von den vier Engeln be- 
zte Gevlert umschreiten konnte und damit 
Tempel, der das Mysterium der Eucharistie 
lelt, als vollrunde Gestaltung begriff. 
sam, daß solche ästhetisch-kritische Überle- 
ien nicht angestellt worden sind. Noch vor 
gen Jahrzehnten lebte eine Generation Ge- 
er, die auch bei den größten Werken der 
stler noch kritisch denken konnten. Beson- 
in Italien war das Prädikat des wstorico e crltl- 
'arten wirklich angebracht. Man erinnere sich 
in die grimmige negative Bewertung des Alta- 
ier Kathedra Petrl durch Giuseppe Delogu", 
arto PaneY, Antonio Munoz", ganz zu schwel- 
von Jakob Burkhardt. Das Ziborium war da- 
. noch nicht in das Blickfeld der Forschung 
ckt. 
scheint, daß zur Zelt allgemein die ästheti- 
in und morphologischen Überlegungen zu- 
treten zugunsten einer imponierenden Gelehr- 
2 
samkeit in geistesgeschichtlichen und ikonologi- 
schen Zusammenhängen. 
Es sei nicht versäumt, an dieser Stelle als beson- 
ders typisch Hans Kauffmann in seinem klassi- 
schen Essay zum Tabernakei Berninis mit kriti- 
scher Bewunderung zu zitieren": 
wBernini wahrte leder Aufgabe ihre Besonder- 
heit... Dieser gescharfte Anspruch leitete ihn, als 
er das Ziborium, diesen Bestandteil sakraler 
Kunst zur Bekrönung des Altars, frei für sich ent- 
stehen ließ, und sein Geschöpf verdankt die Ober- 
wältigende Wirkung nicht nur seiner Fliesigkeit (!), 
sondern in gleichem Maße seinem großartig herr- 
scheriichen Alleinsein (!).r 
Diese von Kauffmann so gepriesene nFliesigkelt, 
überwältigende Wirkung und das herrscherliche 
Alleinseina empfindet jeder, der vor diesem Werk 
steht, jedoch auch in entgegengesetzter Wertung, 
als zu riesig, als das Altarblatt Cortonas überwäl- 
tigend, als rücksichtslos herrscherliches Allein- 
sein -. Gottlob kann im Folgenden eine Erklä- 
rung angeboten werden, welche den Künstler 
rechtfertigt. 
Das bisher wissenschaftlich nicht ausgedrückte, 
jedoch im Effekt vorhandene Dilemma hat be- 
wirkt, daß zum Zlborlum keine eigene Werkmono- 
graphie vorgelegt worden ist. Das reiche Essay 
von Karl Noehles" gilt gleichermaßen Cortonas 
Gemälde und Glanlorenzo Berninis Ziborlum. Un- 
sere Ausführungen, die nicht als erschöpfende 
Anmerkungen 5 - 12 
9 Rlldüli Wlttkower, lll. Anm. Z, S. 260, Abh.116. Bei diese 
wuri wird der schwebende Tempietto von vier Engeln I 
Rechten gehalten, während die Linken Kerzen halten. 
' Giuseppe Delogu, La scultura del Selcento a del Settece 
renle 1932, S. 39-42. 
7 Roberta Pane, Bernini archiletio, Venezla 1953, S. 44 ff. 
' Antonio Munoz, Glanlorenzo Bernlnl, Archltetto e dec: 
Ruma 1925, S. 2B - 29. 
' Hans Kauflmann, Berninis Tebernakel, in: Münchener Ja 
NF., lll F Vi,1955, S. 225. 
"' Karl Noehles, lll. Anm. 4, gibt vor allem wertvolle Details 
tonas Ailürblütt. Interessent sind die Hinwnise au! früher 
sorlsche Ziborlan. sie haben jedoch keinen EinliuB auf 
Eowelslührung. 
" Decretaa et Fteaolutlones Rev. Febhr. S, Pietro ab anno ' 
annum 1560, VOI. ISS, Sitzung vom 17. März 1867. 
(im Archiv der Febbrlca ohne Schwierigkeiten elnzusehl 
" Hoberto Battaglla, La Cattedra Berniniana dl San Fletri 
1943 (ll. S. 154.
	        
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