BLÜHENDER JUGENDSTIL - FARBEN, FORMEN, DEKORE
Vom Naturalismus zur Abstraktion, vom Farbenrausch zur Monochromie, von der Li
nien- und Flächenkunst zur Raumplastik der Pflanze als Gefäß reichen die Phänomene
des Floralen im österreichischen Kunsthandwerk der Jahrhundertwende. In elegantem
Linienschwung oder strenger Statik, als Einzelmotiv oder im unendlichen Rapport, als
Randleiste, Umrahmung oder Flächenschmuck komponiert, als Blüte, Blatt, Zweig
oder Frucht, öffnet das Florale dem entwerfenden Künstler zahllose Gestaltungsmög
lichkeiten und entfaltet in der stofflichen Eigenart verschiedener Materialien und Tech
niken seinen besonderen Reiz.
FARBEN
Die Blumen des Jugendstils blühen in allen Farben des Regenbogens, in lebhaftem
Kontrast und in zartesten Farbnuancen, in klar konturierten Flächen und verfließenden
Malereien, in transluzidem Glas und opaker Keramik-Glasur, im seidigen Schimmer
des Silbers und dem Flimmern gewebter Stoffe.
Als gegensätzliche Strömungen stehen einander das leuchtende Rot und das kühle
Blau gegenüber - manchmal sogar auf einem Objekt vereint: im starken Kontrast oder
im Übergang delikater Schattierungen.
Auf subtil strukturierten, zart aufgerauht wirkenden keramischen Oberflächen wech
selt die Farbe der Blüten auf geschwungenen Stielen vom Grün über Türkis ins Blau
(Abb. 1). Vom Grün ins Blau verfließt auch das Glas der vierkantigen Vase (Abb.2),
deren golden schimmernde Außenhaut von dünnen silbernen Linien und flach stilisier
ten Auflagen gegliedert wird, die noch entfernt an Florales erinnern; in großzügigem
Schwung über die Kanten des Würfels hinweg setzt sich die metallische Sternblüte;
silbrig hier auch die Irisierung des Papillondekors vor dem Dunkelblau der Wandung
(Abb. 3).
In der Symmetrie vierfacher Motivwiederholung umfaßt die flache Metallmontierung
eine grünliche Vase (Abb. 4); vom Fußreif getragen, umgreift das Metall mit Stäben
und Blatt-Rosetten die bläulich-grünlich irisierende Wandung des Glases (Abb. 5),
während vom Mundrand herab flach anliegendes Metall zum unregelmäßigen Saum wie
zähflüssige, eben erstarrte Lava fließt.
Silbrig-metallische blaue und goldene Schimmer dominieren die Farbigkeit einer Vase,
aus der auch ein verhaltenes Rotbraun glüht (Abb. 6); ein unwirklich zartes Blau trägt
die im Gold-Grün-Violett-Akkord gehaltenen Blatt-Abstraktionen in geschwungenen,
langgezogenen Schrägen (Abb. 7).
Wie im Fluß der Bewegung plötzlich erstarrt, flimmert die Wellenbewegung des Blau
mit verzogenen Blütenmotiven vorm Grund aus glänzend und matt leuchtendem Gold
(Abb. 12); dem Glas farblich verwandt ist die Oberfläche keramischer Fliesen mit Li
nien- und Kreismotiven in duftigem Gelb, Blau und Grün (Abb. 9), während andere
Oberflächen klar konturiert Blattformen in bräunlichen und violetten Tönen (Abb. 11),
in Grün, Rot und Gelb (Abb. 8) zeigen und rote Früchte vor dem Grün des Blattes und
dem blauen Grund stehen (Abb. 10).
Verschieden im Material, doch vergleichbar im Farbklang Blau-Grau-Gelb, sind die ge
webten Blumenbuketts (Abb. 13) den gelb-goldenen, manchmal grünlich lüstrierenden
Blumen keramischer Vasen gegenüberzustellen (Abb. 14), deren Oberflächen-Marmo-
rierung in Gelb- und Blautönen gehalten ist.
Das Grün und Blau - Farben, die für das Wachsen der Pflanzen und die Kühle des Was
sers stehen - verbindet sich manchmal mit dem Feuer rotgoldener Farbtöne.
Die „Gräser“ Kolo Mosers (Abb. 15), in strenges Lineament abstrahiert, entsprechen
im Rot-Gelb-Akkord einem Feld mit roten Blüten vor gelblichem Grund (Abb. 16), wäh
rend die Vase selbst vom Blauton der Wandung und der Henkel getragen wird, farbig
kontrastiert von unregelmäßigen roten Flecken mit parallel verlaufenden Goldlinien.
Bunte Blüten und Früchte auf meist monochrom glasierten Wandungen charakterisie
ren die fröhliche Farbigkeit der Frainersdorfer Keramik (Abb. 17-20). Felder mit gelb-
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