ist sicherlich nicht ohne die allgemeine Kenntnis der ln-
ventionen Frangois Duquesnoys und Alessandro Algar-
dis (Geißelungsgruppe) bzw. deren Abwandlungen bei
Georg Petel und David Heschlerd.Ä. denkbar, erinnert
aber auch an Werke Francesco Terillis in Venedig."
Besonders für die Hurdtersche Johannesfigur scheint
weniger bei Giovanni Bolognaw als hier, etwa in den
themengleichen Figuren aus Holz in Sant' Alvise und
aus Bronze in der Chiesa del Redentore in Venedig".
beide von F. Terilli. eine Quelle der Komposition zu lie-
gen. - Sicherlich später als die Langenauer Kirchen-
ausstattung entstanden, könnte die sehr weich model-
lierteElfenbeinstatuetteeinesChristusvorderSäuleim
Hessischen Landesmuseum, Darmstadtaz. die an ltalo-
Flamisches erinnert, vielleicht Ulmer Herkunft sein.
Schon Klaiber und Wortmann haben bei der den Schall-
deckel der Langenauer Kanzel bekrönenden Figur Jo-
hannes des Evangelisten (Abb. 5) an die Werkstatt J. U.
Hurdters gedacht", was im Vergleich mit den Relief-
figuren in Baltimore nur bestätigt wird und mindestens
ebenso für die Sitzfigur des hl. Petrus im Gehäuse dar-
unter gelten mag. Der den Kanzelkorb tragende Engel.
dessen Typus an Münchener Bronzen Hubert Gerhards
und seines Kreises denken läßt. könnte in der weichen
Formgebung von Gesicht und Haar z. B. ebenfalls in der
Werkstatt entstanden sein (Abb. 6). Sein Typ ist offen-
sichtlich Vorbild u. a. für Johann Christian Braun (s, lll.
Abb.) geworden.
Es muß einer eigenen, die Bildwerke größeren Formats
von allen Mitgliedern der Familien Heschler und Hurd-
ter erfassenden Untersuchung vorbehalten bleiben, Jo-
hann Ulrich Hurdters Holzskulpturen in ihrem Verhalt-
nisz. B. zu dem einige Zeitvor 1 679fertiggestelltenAltar
in Langenau zu bestimmen". welcher als Gesamtkcm-
position. aberauch in Einzelheiten wie dem Auszugsbild
von Matthias Campanus aus Ulm auf den einfacheren.
1659 datierten Atlar der Evgl. Stadtptarrkirche in Gien-
gen a.d. Brenz (Abb. 8) zurückgeht? die bekronende
Figur des aulerstandenen Christus nimmt den Typus
von Giovanni Bolognas Luccheser Statue aulu Die
sehr schönen Engel in Langenau (Abb. 7) stehen der
Kanzelfigur des hl. Johannes Ev. ebenda nahe, In ihnen
scheint sich. übertragen ins große Format und in das
Material Holz, der auf Körperbewegung und -torsion so-
wie verschlungene, reich ondulierende Draperien
orientierte Spätstil von David Heschlers d. Ä. Elfenbein-
arbeiten (s. Teil I. Abb. 1,4) widerzuspiegeln. Die dage-
gen eher steif und unbeweglich seitlich des Altars pla-
zierten Statuen von Moses und Aaron erinnern etwas an
die Männergestalten von Hurdters Kreuzabnahme
(Abb. 2), derAaron zudem vor allem in der Art von Haar-
und Bartbehandlung an den Stil David Heschlers d. Ä.
lndiesem gesamten Zusammenhang und geradefürdie
Taufdeckel- und Kanzelfiguren Hurdters und seiner
Werkstatt (Abb. 3 l., 5 f.) scheint auch Sigmund Hesch-
1er, Davids d.Ä. Vater und seit 1634 in Ulm, u. a. für die
Vermittlung italienischer Einflüsse eine gewisse Rolle
gespieltzu haben. Dieschon bald nach 161 B entstande-
ne Holzgruppe des Christus als Sieger über den Teufel.
ehemals in der Ulmer Dreifaltigkeitskirche (Abb. 8a)"
scheint die nur wenig ältere Schöpfung Francesco Te-
rillis in Venedig vorauszusetzenfe Im plastischen Stil,
in der weichen Behandlung des Stoffes sind der zeit-
liche Abstand und die künstlerisch unterschiedliche
Auflassung von S. Heschler und J. U. Hurdter überaus
deutlich. - Die Johannesfigur der Kanzel in lsny - of-
fensichtlich zumindest in Sigmund Heschlers Umkreis
entstanden - deutet in dieselbe Richtung"; sie bildet
eine der Voraussetzungen für den Stil der Langenauer
Kanzelbekrönung aus der Hurdterschen Werkstatt.
Auch die Evangelisten an der Kanzel in lsny sind z.T.
nicht ohne italienische Vorbilder des späten 16. Jahr-
hunderts zu denken." - Die figurale und räumliche
Freiheit der Hurdterschen Taulgruppe in Langenau
(Abb. 3) wird deutlich im Vergleich zu Sigmund Hesch-
lers unbeholfen wirkender Darstellung desselben The-
mas an derselben Stelle von etwa 1645146 in St. Nikolai
in Isny". die nach einer nach Ulm geschickten Visie-
rung geliefert wurde (Abb. 9).
Belangen und merkwürdig retrospektiv wirken nun die
Assistenz-Figuren zu dem in der Kath. Pfarrkirche
St. Martinus in Dietenheimllller, südlich Ulm, erhalte-
nen Kruzifix von 1588l90 (7), die laut Inschrift auf der ln-
nenseite des Standbretts von "Hans Ulrich Hurdter Ulm
16801 gearbeitet wurden (Abb. 10). Beide Figuren stan-
den früher unter dem Chorbogen." Der Gesichtstyp
der Maria(Abb.10a)findetsichaufdem Kreuzabnahme-
relief (Abb. 2), dessen last graphische Zeichnung des
Gewandes sowie Gestik und Ausdruck von Händen und
Gesichtern kehren in den Holzfiguren wieder. - Die
nicht nurqualitative Entfernung von Vorbildern in derArt
von Petels Augsburger Gruppe von 1631" und - in an-
derer Weise 7 von Heschlers Bühler Kreuzigung (Teil
l, Abb. 17) wird ebenso deutlich wie der stilistische und
zeitliche Abstand zu Hurdters eigener Taulgruppe von
1668l69(Abb. 3). - Wie ein zeitgenössischer Kruzifixus
zu den Dietenheimer Figuren ausgesehen haben könn-
te. zeigt der von R. Wortmann in der Klosterkirche zu
Söflingen (Abb. 11) entdeckte. 28 cm hohe Elfenbein-
corpus, dessen Typus auf Giovanni Bologna zurück-
geht, dessen Faltenstil - im Gegensatz zu dem eher al-
tertümlichen Gesicht - an David Heschler d. Ä. späte
Werke (nach 1650151) erinnert." Von 1686 bis 1693
wurde die Kirche umgebaut und mit reicher neuer Aus-
stattung versehen, deren Künstlerzum großen Teil aus
Ulm kamen.'5
Von Johann Ulrich Hurdter selbstdagegen istder 36 cm
hohe Corpus aus Buchsbaumholz von Typus des Cristo
vivo imGermanischen Nationalmuseum, Nürnberg. mit
drei Nägeln (Abb. 12)." Er trägt unter seinem rechten
Fuß inTinte das Monogramm NVHGÜFI Ligatur). Eine Ver-
bindung von Monogramm und Stil mit Hendrik Frans
Verbruggen (1654 - 1724) in Antwerpen scheint mir
ausgeschlossen zu sein."
Bis in das Handschriftliche von weich sich ringelnden
Locken. zart angedeutetem Bart, knochigen langen Fin-
gern und Zehen und kleinteilig gemuldetem und gedeli-
tem Tuch ist das Bildwerk den Christusdarstellungen in
Langenau(Abb. 4)und Baltimore (Abb. 2)ähnlich,wenn-
gleich sich in der Auflassung des Aktes im allgemeinen
ein klassisches Vorbild, eher in der Art Duquesnoys als
Algardis, durchzusetzen scheint," Eine zeitliche Ein-
ordnung vor1700,zwischen 1670 und1690,scheintder
Vergleich mit dem stark von seinen italienischen und
deutschen Prototypen geprägten Relief von 1674 (Abb.
17) und mit zwei noch unbekannten ausgesprochenen
Alterswerken nahezulegen.
Es sind dies zwei rückseitig am Sockel bzw. an derSäule
signierte (Abb. 13a, 14a), 13,3 bzw. 13,4 cm hohe Elfen-
beingrüppchen des Ecce Homo (Abb. 13) und des Chri-
stus vor der Geißelsaule (Abb. 14) in den Musees Roy-
aux d'Art et d'Histoire, Brüssel." Die Geißelungs-
gruppe ist bezeichnetrrVH AET(alles in Ligatur) . 85a, die
des Ecce Homo v1 716. VH. AET. (in Ligatur) . 85a.
Das angegebene Lebensalter von 85 Jahren entsprä-
che derAngabe vom 31. Juli 1715 irn Ulmer Ratsproto-
koltabernichtdem Geburtsjahr, wenndieses1632war.
als Hurdter am 15. Juni getauft wurde. Entweder Hurd-
terwurdeschon 1631 geboren oderersignierteim noch
laufenden 85. Lebensjahr. In jedem Fall sind die matt
wirkenden Figuren auffallend summarisch und einfach
behandelt, entbehren jedoch nicht einer gewissen Ein-
dringlichkeil im Ausdruck. Die Formen der Gewänder
z. B. sind wie Haltung und Gestik von großer Beschei-
denheit - etwa im Vergleich mit der Taulgruppe von
1668l69 (Abb. 3), dem Relief in Baltimore (Abb. 2) oder
auch dem Nürnberger Gekreuzigten (Abb. 12).
Ein in allerjüngster Zeit im Londoner Kunsthandel auf-
getauchtes Elfenbeinrelief der Grablegung Christig", of-
fenbar nach italienischen Vorlagen des 16. Jahrhun-
derts, könnte ähnlich wie eine hochlormatige Geiße-
lungsszene, 1978 in Londonm, von ulmischen Voraus-
setzungen in der Art der zwei Brüsseler Gruppen und
der Kreuzabnahme(Abb. 13 l., 2) ausgegangen sein. -
Es wäre sicher hochinteressant zu wissen, wie ein von
G.K. Nagler 1863 beschriebenes nSChÖflES kleines
Schnitzwerk. welches Christus vorstellt. wie ihm die
Mütterdie Kinderbringen.underdieHandautden Säug-
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