die schon von Christian Scherer 1931 benannten gra-
phischen Prototypen -Adam Ghisi und Albrecht Dürer
(Fortuna)"" - zurückzugehen. Hieran orientiert sich
auchderplastischeStil,dieminutibs-feinteilige undwei-
che Oberfiächenbehandiung des Elfenbeins - an Lö-
wenfeii, Haaren. Keule z. B. -, darin von dem Kreuzab-
nahmerelief (Abb. 2) und der Langenauer Christusfigur
von 1668169 (Abb. 4) etwas abweichend.
Ohne Kenntnis des heute verlorenen Originals ist die
Beurteilung der monogrammierten Bacchusstatuette
in Berlin (Abb. 18), ehemals im Kunstgewerbemuseum,
äußerst schwer", doch scheint auch sie in der Körper-
modeiiierung und Behandlung von Attributen wie Füll-
horn und Weinlaubkranz von ähnlich weich verschlei-
fender Formgebung. Der Gestus des an den Mund ge-
führten Fingers macht vielleicht eine zusätzliche mora-
iisierende - Warnung vor zu großem Genuß - bzw.
sinnbildliche-Schweigenistgut-Bedeutung augen-
fällig. Nicht nurderkreisrunde, ausgehöhlte Aufsatz auf
dem Kopf, sondern vorailem die Große derauf einer ge-
drechseiten Basis stehenden Figur - Höhe 20 cm -
erklären die Venrvendung als nStänderu eines Pokais in
der Art von Marcus Heidens 1631 datiertem großem
Gefäß" und anderen Beispielen u.a. in der Münchener
Sammlung?! Das bedeutet zudem, daß Hurdter mit sei-
ner Werkstatt nicht nur Gefäßzylinder - für Humpen,
Becher, Pokale - für eine Fassung durch Silber-
schmiede, sondern auch weitgehend nur aus dem ge-
schätzten xHeiffenbein-r bestehende Prunkgefaße ge-
schaffen zu haben scheint." Daß dabei eine Werkstatt
mitbeteiligt war, scheint der Vergleich z.B. des Bac-
chusknaben mit dem Amor neben der Liebesgöttin mit
Apfel und Taube (Abb. 20) auf dem sogen. Kienlen-
Humpen in Ulm zu bestätigen, die im persönlichen Stil,
in der Technik des Schnitzens und auch in der Qualität
sehr unterschiedlich sind. DerAmor wirkt etwas massi-
ger, plumper und im Detail gröber, darin derAuffassung
der merkwürdig gehemmt bewegten Venus ähnlich, de-
ren nantikischeii Tuchdrapierung und von einem "Flo-
sendiadema bekranzter Kopfschmuck allerdings rück-
seitig mehr Schwung und Großzügigkeit verraten. -
Die nackten, sich den Sinnenfreuden von Liebe, Spiel
und Trunk hingebenden Gestalten des Fielieffrieses des
sogen. Kienlen-Humpens(Abb. 1. 19) entsprechen in ih-
rem harmonischen Zusammensein ganz den Schilde-
rungen Sandrartsf" - Die Frauenfiguren, besonders
z. B. der Kopf deram Boden Sitzenden, die ein Kind lieb-
kost, sind nach Typus und Durchbildung der Omphale
(Abb. 17), aberauch den Zeichnungen (Abb. 15, 16) un-
mittelbar venuandt. Dasselbe gilt für die Charakterisie-
rung des Bodens und seiner Bewachsung und den dar-
gestellten Früchten u.a'. Die einmal hockenden, dann
unbeholfen stehenden und auch herumspieienden Put-
ten sind von dickiich-schwerer Körperlichkeit; ihre
Kopftypen wechseln zwischen breit-gedrungenen und
schmaleren mit hohen Schläfen. Der Vergleich mit
Hurdters gesicherten Werken bestätigt voll die bisher
hypothetische Zuweisung zumindest an seine Werk-
statt.
Eher die bekronende Statuette eines Putto über einer
Schildkröte - auch Sinnbild häuslicher Liebe und
Treue" - als die in Zeichnung, Modellierung und in
den Details doch schwächeren Figuren des eigentli-
chen Zylinders des siibervergoldeten Humpens von
Hans Ludwig Baur im Ulmer Museum (Abb. 21) schei-
nen mir J. U. Hurdters eigenen Arbeiten vergleichbar.
obwohl der Fries sein Typenrepertoire und die für ihn
von Sandrart typisch genannten, aber allgemein gängi-
gen nNeptuncs, Tritones, See-Nymfen: zeigt."
Zwar in den allgemeinen Figurtentypen und auch in der
- hier einfacheren - Reiiefauffassung und -anord-
nung vielleicht uimisch und von der Werkstatt Hesch-
lers bzw. Hurdters beeinflußt, aber dennoch kaum von
einem der beiden Meister ist der erst 1980 in Paris für
das Museum der Stadt Ulm erworbene Deckeihumpen
in seiner Johann Adam Kienlen d.Ä. zugeschriebenen
Montierung (Abb. 22)." Die überregionale Wirkung von
Leonhard-Kern-Vorbiidern wird besonders in der
Rücken- und Sitzfigur der Darstellung von Callisto vor
Diana deutlich. - Ähnliches gilt für den vielleicht ein
oder zwei Jahrzehnte früher, um 16501600) entstande-
nen Deckelhumpen von Johann Adam Kienlen d.Ä.
ebenda (Abb. 23)", den ein Seepferd bekrönt und in
dessen dicht gedrängtem Puttenreigen auf dem mit
Früchten bedeckten Boden man vielleicht ein frühes Er-
zeugnisderHurdter-Werkstaltsehen könnte, vergleicht
man den Cupido (Abb. 20) des sogen. Kienlen-Humpens
und die Puttentypen auf David Heschlers d. Ä. Münche-
ner Prunkschüssel (I, Abb. 9, 9a). - Die stilistischen
Verbindungen und die schnitztechnisch vergleichbare
Materialbehandlung werden im Hinblickaufdie Deckel-
figur eines Putto mit Fisch und Delphin eines Humpens
im Kunstgewerbemuseum Köln (Abb. 24) offenbar, den
Hans Ludwig Kienlen d..J. (1623 - 1670) gemacht hat."
Als wahrscheinlich von derselben Schnltzerhand zuge-
hörig istdersitzende kleine Putto mit Delphin der Skulp-
12 Kruzifix. Buchsbaumholz. Bezeichnet xVH: (lig
J. U. Hurdter, Ulm. Spätes 17. Jahrhundert. Germi
Nationaimuseum, Nürnberg
13 Ecce Homo. Elfenbein. Moncgrammiert nVHu (lii
J.U. Hurdter, Ulm. Datierl 1716. Musees Fioyaux
d'Histoire, Brüssel
13a Signatur der Ecce-Homo-Gruppe (Abb. 13)
14 Christus vor der Geißeisäuie. Moncgrammiert von J.
ter. Musee Royaux d'Art et d'Histoire, Brüssel
14a Signatur derGeißelungsgruppe (Abb. 14)
Anmerkungen 60 - 68 (Anm. 69 - 79 s. S. 42)
w Vgl. Anm. 12.
" Kriegsverlust. - Die Abbildung nach einer Reproduktion dei
Volbachs Katalog von 1923.
ß v. Philippovich. 19825 Abb. 372.
" FI. Berliner. Die Biidwerke in Ellenbein .. Kataloge des B3
Nanonalmuseums München XIII. 4. Augsburg 1926. KB!
TaI. 142, 228. Tai. 143.
'- Zu Dreohslem in Ulmwenig bekanntvghauch zurAbgrenzur
hauer W. Fleischhauer. Barock im Herzoglum Wümemberg
1956, S. 72 I. 75.
u lnv. Nr. 192 5110. - Häberle, Klanlen, 1926, Abb. S.
Anm. 4. - mer durch das Ulmer Museum, Ulm 1966?
Abb. S. 55. H. H. Mlschell. Ulmer Goldschmiedekunst. in'
Kunst. XLV, 14. 15. VII. 1975. S. 1202 1.. Abb. 2. - G asbani
des MORRIS, Februar 1983. Ulmer Museum. rr1i1 Äbb.
ß Vgl. 1.. KernsAdam-Eva-Gruppe m Berlin, zuletzt c. Theuerka
BrandenburgischbPreuBische Kunstkammer. Berlin 1981, 1
K31. Nr. B9. Äbb.
"' lnv. Nr. 8968. 7 H mit Deckel 19 um. - Ehemais Sammlu
mann. Kalaloq 1912. Nr. 159 (andere Ellenbemnumpen dies
lung The Wadswonh Alheneum. Har11ord(Conn..USA).
ler. Mü chemAuklion 65. 1.12. X. 195115. 15, Nr. 257,A.bb.
Beschau R". 4732.
" lnv. Nr. 19809091. H. 20cm. - EX C011. Goldschmidl. ii
G901. ImDORBDI Silver. S. XI. 1976, S. 54. Nr. 219. Taf. 65.