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ist etwas überaus Lebendiges, Impulsives darinnen, mit einfachen, aber
künstlerischen Mitteln viel erreicht: Ausdruck der Seele, des Charakters der
Dargestellten mit überzeugen-
der Gewalt. Ebenso hoch steht
diePettenkofer- Medaille mit dem
unübertrefflichen Revers (Her-
cules mit der Hydra). Und
Hildebrands Bismarck-Medaille
(Guss), höher stehend als die
dazugehörige Plaquette, ist
gleichfalls von vorzüglicher
energischer Art. Alle Anderen
erreichen diese Höhe nicht, sie
stecken noch tief in alter, veral-
teter Manier. Börsch' grosse
Gussplatte mit dem Porträt des
Professors Gysis ist flott und
markig, aber sein Prinzregent
keine gute Leistung und noch
weniger die Kinderporträts und
Ausstellungsmedaillen. Hugo
Kaufmann, ebenfalls ein Mün-
chner, hat einen nicht gerade
Peter Breithut, Excellenz Baron Gautsch, schlechten jungen Goethe' aber
Bronzeplaquette mit einer mehr als conven-
tionellen Darstellung von Wahr-
heit und Dichtung im Revers, alles andere, vornehmlich der männliche
Act ist spröde, wie in Holz geschnitzt, im Materialstil ganz verfehlt. Der
bayrische Hofgraveur Gube ist durchaus unmodern, die fünf grossen Güsse,
vier Porträts (darunter das des Cardinals Haller wohl das beste} und eine
sehr naive Darstellung von Dachshunden entsprechen nach keiner Richtung
höheren Anforderungen; vor allem sollte die spiegelnde Lackirung aufgegeben
werden, die unter den Pariser Künstlern nur von Trojanowsky noch geübt,
in Wien als den plastischen und malerischen Gesetzen zuwider längst
vermieden wird.
Die Schweizer zeigen, wie man von einer führenden Nation sich führen
lassen und doch sich selbst treu bleiben kann: ihr Bestes stammt aus
Frankreich, aber est ist schweizerisch naturalisirt. Die Pestalozzi-Plaquette
von Hans Frei (Basel) ist ein gemüthvoll liebenswürdiges Werk, seine
Plaquette auf Jacob Burckhardt ein kraftvoll durchgeistigtes, nicht minder
trefflich die Erasmus-Plaquette nach Holbeins berühmtem Bilde im Louvre.
Noch höher steht I-Iantz, der Director des Genfer Museums, mit seiner
Ausstellungs-Medaille, zugleich ein Denkmal für den weitreichenden Einfluss
Rotys. Huguenin (Le Locle) bietet in einer Artilleriescene ein nicht nur für
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Soldaten interessantes Stück voll Leben und Bewegung, I-Iomberg (Bern)
überrascht mit dem Porträt des Professors Schleuniger, während seine
Schützenmedaillen nicht über das
Mittelmass solcher in breiten
Kreisen cursirenden und daher
einer doppelt ernsten Pflege
würdigen Stücke hinausragen.
Hier wäre der Punkt, wo wohl-
verstandene Kunstpflege kräftig
einzusetzen hätte; so lange
Schützen, Sänger und Turner,
diese Tausende und Abertausende
medaillenverlangender Menschen
nicht das Gefühl dafür erlangt
haben, das sie befähigt, das künst-
lerisch Wertvollere dem minder
Wertvollen vorzuziehen, wird kein
dauernder Aufschwung dieser
Joseph Kowarczik, Menzel, Gussrnedaillon volkskunst zu erwarten Sein-
Staat und Kirche müssen aber
vorausgehen; dem Hartgelde ist künstlerische Fonn zu geben, wie in
Frankreich, und die Kirche, deren Feste und dienende Corporationen für
Schau- und Gedenkmünzen so starken Absatz und Bedarf sichern, sollte
auch hier auf den Schönheitssinn der Masse einzuwirken trachten, dessen
Pflege ihr stets am Herzen lag.
Nicht nur des Lobes und Tadels, productiver Kritik bedarf die Kunst,
mehr als je gilt es, durch Eindringen in Wesen, Aufgabe und jeweilige
Entvvicklungsform der Kunst sich klar zu machen, was sie uns sein soll und
zu leisten vermag. Speculative Ästhetik oder rhetorische, wie G. Keller sie
genannt hat, brauchen wir nicht, daran hatten wir genug und die Künstler
höhnten sie nur. Praktische empirische Ästhetik thut uns noth, im Kleinen
wie im Grossen. Und solchem Zwecke dienen solche Specialausstellungen
mehr als der grosse lärmende Kunstmarkt, der verwirrt und alle intime
Beziehung zur Kunst im Keime vernichtet. Das Österreichische Museum,
das eine Schule der Geschmacksbildung zu sein berufen ist, für Geniessende
nicht nur, auch für die Künstler, hat mit Freuden die Gelegenheit begrüsst, der
Medaille und ihrer erneuten Schätzung zu dienen. Dankbar ist des hervor-
ragenden Antheils zu gedenken, dessen der medaillenkundige Regierungsrath
von Loehr, als Obmann des Ausstellungscomites, auch bei diesem zeit-
gemässen Unternehmen sich rühmen darf. Die Ausstellung hat der Sache
und dem Museum, den Künstlern und dem Publicum einen grossen Dienst
geleistet.