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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Sonderheft Europäisches Denkmalschutzjahr 1975) (1975)

lMörbisch, Bgld. Luftaufnahme des Ortskernes. 
Im Vordergrund rechts die katholische Kirche, 
links daran anschließend das bis zu einem schma- 
len, senkredit verlaufenden Fahrweg reichende 
Planungsgebiet. 
2 Mörbisch, Bgld., sag. Hof asse. 
3 Mörbisdi, Bgld. Überda te Stiegenaufgönge in 
einer Hofgasse, dat. 1863 (Hauptstraße 121-123). 
4Mörbisch, Bgld. Fassadenabwicklung des Pla- 
nungsgebietes. 
 
 
 
 
 
und aus eigener Anschauung Einsichten erlan- 
gen, die ihnen sonst kaum zugänglich wären. 
Diese Bestrebungen erfreuen sich des fördernden 
Interesses der Bundes- und Landesstellen. 
im eigenen Wirkungsbereich hat die Landes- 
regierung Schloß Esterhazy in Eisenstadt, ge- 
meinsam mit dem Bundesministerium für Wissen- 
schaft und Forschung die Schlösser Halbturn und 
Kiltsee restauriert und für kulturelle Einrichtun- 
gen nutzbar gemacht. Ebenfalls dem Zusammen- 
wirken van Bundes- und Landesinstanzen ist die 
Errichtung des Freilichtmuseums siidburgenländi- 
scher Holzbauten in Bad Tatzmannsdorf und die 
Rettung des einmaligen Kellerviertels von Heili- 
genbrunn zu danken. 
Die Aufzählung wäre mangelhaft, enthielte sie 
nicht wenigstens einige wichtige Kirchenrestau- 
rierungen, wie Frauenkirchen, Jois, Eisenstadt- 
Oberberg, Donnerskirchen, Draßburg, Ritzing, 
Eberau und Gaas-Maria Weinberg im katholi- 
schen, Oberschützen und Stadtschlaining im 
evangelischen Bereich. 
ln gleicher Weise wie den Einzeldenkmälern 
galt die Obsarge der mit dem Denkmalschutz 
befaßten Organe auch den alten Bauensembles. 
Hier waren allerdings nur Teilerfolge zu erzie- 
len, und zwar gelang es, dort einen wirkungs- 
vollen Ensembleschutz zu praktizieren, wo man 
es, wie in Eisenstadt, Rust oder Stadtschlaining, 
mit kleinstädtischen, aus mehr oder weniger re- 
präsentativen Bürgerhäusern zusammengesetzten 
Ensembles zu tun hatte. Der Kampf um das bur- 
genländische Darf hingegen wurde verloren, 
mußte verlorengehen, weil es hier um Probleme 
Zu den aufgezählten Fakten kommt aber noch 
als gravierendstes Element die innere Einstellung 
der Dorfbewohner zu den alten Höusern: Die 
weißgekalkten Dreiecksgiebel, die den burgen- 
löndischen Ortschaften ihr eigentümliches Ge- 
präge geben, sind für die Menschen, die hier 
leben, einfach keine Augenweide, sondern sie 
sind die Sinnbilder einer tristen Vergangenheit, 
die zu überwinden man alle Anstrengungen un- 
ternommen hat. Man kann sich heute kaum mehr 
vorstellen, wieviel Armut und Not hier geherrscht 
haben ',wieschwer es in früheren Zeitenwar, bloß 
die Sicherung der nackten Existenz zu erlangen. 
Die Auswandererzahlen aus der Zeit vor und 
nach dem ersten Weltkrieg sprechen eine deut- 
liche Sprache, und noch heute ist der burgen- 
ländische „Pendler" der Beweis dafür, daß selbst 
in Zeiten der Hochkoniunktur das Land seine 
Kinder nicht ernähren kann. Sobald die Men- 
schen aber die Armut bezwungen und den so- 
zialen und wirtschaftlichen Aufstieg geschafft 
haben, wollen sie auch die äußeren Merkzeichen 
des früheren Lebensniveaus, die niedrigen, muf- 
figen, unpraktischen Häuser beseitigen. Kann 
man ihnen das verübeln? 
Daß die entstehenden Neubauten nur selten 
guten Geschmack verraten, steht auf einem an- 
deren Blatt. Die Ursachen sind leicht durch- 
schaubar: Sie liegen in einer Baugesinnung, die 
ihre Ideale in den Wohnanlagen der neuen 
Wiener Satellitenstddte in Kagran, Kaiserebers- 
dort und Stadlau sieht, in einer Baupraxis des 
„Do-it-yourself", in welcher irgendein Baumeister 
bloß seinen Stempel auf den selbstfabrizierten 
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Anmerkungen 1-2 
'Vgl. dazu die iüngst erschienenen Aufzeidtnungen eines 
Lnnclarztes über die wirtschaftlichen, sozialen und hy- 
gienischen Verhältnisse im Seewinkel in den ersten Jahr- 
zehnten unseres Jahrhunderts u. Egermann, Die Ge- 
schichte der Marktgemeinde lllmitz, Eisenstadt 1974). 
7A. Schmeller, Das Bur enland. Seine Kunstwerke, hi- 
storischen Lebens- und iedlungsformen, Salzburg 1965. 
ging, die weder mit Idealismus noch mit viel 
Geld zu bewältigen waren. 
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, sollen hier 
kurz iene Gegebenheiten dargelegt werden, die 
ieden Versuch zur Bewahrung der charakteristi- 
schen Dorflandschaft des Burgenlandes von vorn- 
herein zum Scheitern verurteilen mußten: 
Die altüberlieferten Baulichkeiten sind für die 
modernen wirtschaftlichen Erfordernisse, vor 
allem für die Aufnahme maschineller Einrich- 
tungen, viel zu gering dimensioniert. 
Die innere Organisation der dominierenden 
Hoftype, des Streck- bzw. Hakenhofes, eine 
stereotype, längsgerichtete Aneinanderreihung 
bestimmter Räumlichkeiten, erschwert den Ein- 
bau sanitärer Einrichtungen und steht somit 
der Erzielung eines höheren Wohnkomforts 
entgegen. 
Die verwendeten Baumaterialien sind von min- 
derwertiger Qualität, wodurch die Lebens- 
dauer der Gebäude verkürzt ist bzw. ein 
höherer Erhaltungsaufwand entsteht. 
Der Wohnwert ist durch primitive Fußböden, 
feuchte Wände, kleine Fenster und niedrig 
liegende Decken stark herobgemindert. 
Einreichplon für die Baubehörde drüdd, in der 
Überschwemmung der Dörfer mit billigen Mas- 
senprodukten der Baustoffindustrie, umgekehrt 
aber auch in der naiven Meinung besser situier- 
ter „Häuselbauer", alles, was teuer ist, müsse 
auch eo ipso „schön" sein. 
Bei den Vorarbeiten für sein Burgenland-Buch 
hat A. Schmeller anfangs der sechziger Jahre 
noch rund 150 interessante dörfliche Ensembles 
registriert 2. Es läßt sich nicht verschweigen, daß 
zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur noch Rudi- 
mente davon vorhanden sind. Wenn trotzdem 
noch immer von einer „Rettung der burgenlän- 
dischen Dörfer" gesprochen wird, so zeugt das 
lediglich von Unkenntnis der Sachlage und un- 
belehrbarem lllusionismus. Worum es heute geht, 
ist der Versuch, neben ein paar markanten Ein- 
zelobiekten die eine oder andere Häusergruppe 
- wenigstens in ihrer überlieferten äußeren Er- 
scheinungsform - zu bewahren, wenn schon in 
der Innengestaltung im Interesse der Revitalisie- 
rung Konzessionen an selbstverständliche Erfor- 
dernisse einer zeitgemäßen Wohnkultur gemacht 
werden müssen. Hier weist nun das „Projekt 
Mörbisch" einen, wie es scheint, gangbaren Weg. 
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