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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Sonderheft Europäisches Denkmalschutzjahr 1975) (1975)

Eine Einschränkung muß allerdings gemacht 
werden: Die vorliegende Studie ist auf eine ganz 
spezifische Situation abgestimmt und bringt kei- 
ne Patentlösung. Sollte aber eine Realisierung in 
Mörbisch gelingen, wird im Grundsätzlichen ge- 
wiß manche wertvolle Erfahrung für weitere 
derartige Aktionen zu gewinnen sein, Die Zeichen 
der Zeit sind günstig: Die Selbstfindung der 
Burgenländer hat Fortschritte gemacht, und im 
Schatten des Fremdenverkehrs lernt man die 
Werte der eigenen traditionellen Bau- und Le- 
bensformen wieder zu schätzen! ' 
Das Projekt Mörbisch 
In seinem alten Ortskern ist Mörbisch ein typi- 
sches Schmalangerdorf (Abb. 1). Einen einzigen, 
gerade verlaufenden Straßenzug begleiten links 
und rechts die Dreiecksgiebel der Wohnhäuser, 
unterbrochen von den meist torlosen Hofeinfahr- 
ten. Vorherrschende Bauform ist der Streckhof, 
wobei örtliche Gegebenheiten zur Ausbildung 
sogenannter Hofgassen geführt haben (Abb. 2): 
Nach dem gleichen Schema von Stube - Küche - 
Stube bzw. Kammer - Stall - Düngerhaufen - 
Scheune gegliederte Wohn- und Wirtschattsein- 
heiten sind zwei-, drei- und viermal hinterein- 
ander aufgereiht, manchmal stehen auch zwei 
solcher Reihen einander gegenüber. Eine male- 
rische Note erhalten viele dieser Hofgassen 
durch die Stiegenaufgänge zu den Wohnräumen, 
die oft laubenartig überdacht sind. Der Dach- 
vorbou kann von einer oder mehreren kleinen 
Steinsäulen getragen sein, wodurch ein altan- 
artiges Gebilde entsteht (Abb. 3). Diese Eigen- 
heiten sind wohl auch in anderen nordburgen- 
ländischen Orten zu finden, treten aber nirgends 
so massiert auf wie in Mörbisch. 
Gegenwärtig ist nun, wie der Ortschronist 
schreibt, die Lage so, daß zwar ein erhaltens- 
werter Ortskern noch vorhanden ist, „aber die- 
ser besteht aus Häusern mit zum großen Teil 
feuchten, ungesunden und auch räumlich den 
heutigen Bedürfnissen nicht mehr entsprechen- 
den Wohnungen. Wer die Möglichkeit hat, ver- 
läßt die engen Hofgassen . .. Leerstehende Häu- 
ser drohen zu verfallen. Andere bauen um, und 
dabei stehen ihre persönlichen Interessen den 
Interessen und Bestrebungen des Denkmalschut- 
zes entgegen. Aufklärung, Planung und Bereit- 
stellung von Geldmitteln sind dringend notwen- 
dig, will man den Ortskern von Mörbisch sanie- 
ren und damit rettena." Gerade dieser letzte 
Satz steht programmatisch für das, was sich die 
Wiener Architekturstudenten Walfang Kaitna, 
Rüdiger Reichel und Kurt Smetana zum Ziel ge- 
setzt haben. 
Die Bekanntschaft mit Mörbisch machten die drei, 
als eine Studentengruppe der Technischen Hoch- 
schule Wien vom Vorstand des Instituts für 
Wohnbau und Entwerfen 3 die Aufgabe gestellt 
erhielt, unter der Devise „Ländliches Wohnen 
und städtische Freizeit" ein Projekt für die Sanie- 
rung und Nutzbarmachung einer bestimmten 
Häusergruppe im Ortskern zu erstellen. Ziel der 
Studie sollte es sein, für die Bewohner dieser 
Häuser „eine zeitgemäße Wohnform" zu fin- 
den (das hieß, sie ouszusiedeln) und für die Alt- 
bauten bestimmte „Freizeitfunktionen" zu erar- 
beiten. im Verlauf der Arbeit kristallisierte sich 
der Plan heraus, die bewußte Häusergruppe in 
Apartments aufzugliedern und diese an Gäste 
zu vermieten oder sie überhaupt erholungsu- 
chenden Großstädtern als Zweitwohnungen an- 
zubieten. Damit konnte man, so schien es, zwei 
Fliegen auf einen Schlag treffen: einen erhal- 
tungswürdigen Baubestand vor dem Untergang 
bewahren und für das im Raum um den Neusied- 
ler See besonders leidige Apartmentproblem eine 
Ideallösung präsentieren. Tatsächlich hatten diese 
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Vorschläge für die nach einem Ausweg aus der 
Apartmentmisere Suchenden etwas Faszinieren- 
des an sich. 
Kaitna, Reichel und Smetano, durch ihre Arbeit 
in Mörbisch mit den Problemen des ländlichen 
Raumes und der Denkmalpflege mittlerweile gut 
vertraut, erkannten aber auch die Nachteile; 
Verdrängung der bodenständigen Bevölkerung 
aus dem Ortskern; 
räumliche Trennung von Feriengästen und Ein- 
heimischen; 
nur saisonweise Nutzung des Altwohngebietes. 
Sie konnten sich daher nicht weiter mit einer 
derartigen Planung identifizieren und suchten 
einen eigenen Weg „im Sinne einer ausschließ- 
lichen Erhaltung des Ortskernes für die dort an- 
sässigen Bewohner". 
Nach anfänglichen Fehlleistungen - die von der 
Dreiergruppe erarbeiteten Vorschläge wurden 
vorn betroffenen Bevölkerungskreis nicht akzep- 
tiert - gelang es schließlich in enger Fühlung mit 
den Bewohnern des Planungsgebietes und nach 
eingehender Befragung hinsichtlich der herr- 
schenden Ansprüche und Vorstellungen, eine aus- 
gereifte Studie zu erstellen. Diese wurde mit 
Unterstützung durch die burgenländische Landes- 
regierung, deren wohlwollende Förderung die 
Studenten erlangen konnten, in Form einer um- 
fangreichen Broschüre mit einer Auflage von 
vierhundert Stück herausgegebeni In dem mit 
Plänen, Fotos und Zeichenskizzen reich ausge- 
statteten Heft sind von der Bestandsaufnahme 
über die detaillierten Planungsvorschläge bis 
zur Finanzierung und Organisation sämtliche 
Arbeitsunterlagen für die Realisierung des Pro- 
jektes enthalten. Die nachfolgende Darstellung 
ist eine Zusammenfassung der angestellten Über- 
legungen, in der die Autoren der Broschüre so 
oft als möglich selbst zu Worte kommen sollen 5. 
Das Planungsgebiet umfaßt eine südlich an die 
römisch-katholische Pfarrkirche anschließende 
Häusergruppe an der Hauptstraße von Mörbisch 
mit den Orientierungsnummern 35 bis 69 (Abb. 4). 
Ein Konglomerat von Wohn- und Wirtschafts- 
bauten ist hier entlang einiger typischer, senk- 
recht zur Straße ausgerichteter Hofgassen auf- 
gereiht. Die Grundrißgestalt läßt bereits die 
komplizierten Eigentumsverhältnisse ahnen (Abb. 
5, 6). „lnnerhaIb des Planungsgebietes findet 
man 18 verschiedene Eigentümer, von denen 
zwei allerdings nur je eine Scheune besitzen. 
Von den restlichen 16 Eigentümern wohnen elf 
in diesem Gebiet, zwei arbeiten hier in ihrem 
Geschäft, besitzen daneben aber noch andere 
Objektanteile, zwei Eigentümer haben je eine 
Wohnung vermietet, eine Wohneinheit ist vom 
Burgenländischen Landesmuseum als Heimathaus 
eingerichtet (S. 14)." Van der verbauten Fläche, 
ohne Scheunen rund 2500 Quadratmeter, ist über 
ein Drittel zum Wohnen genutzt, 270 Quadrat- 
meter dienen als Geschäftslokale und 1150 Qua- 
dratmeter teilen sich auf Abstellräume, Lager, 
Kammern, Waschküchen und Ställe auf. Der 
Bauzustand, vor allern der Wohnobjekte, ist un- 
terschiedlich, jedenfalls gibt es kein Gebäude, 
das nicht in irgendeiner Hinsicht reparaturbe- 
dürftig ist. Bevölkerungsmäßig besteht eine aus- 
gewogene Zusammensetzung von ca. je einem 
Drittel unter zwanzig, von zwanzig bis vierzig 
und über vierzig Lebensjahren. 
Die Problemstellung besteht konkret darin, „daß 
ein Großteil der Wohnungen nicht mit Bad und 
WC ausgestattet ist, sowie einerseits eine sehr 
hohe Belagsdichte besteht und andererseits viele 
Objekte leer stehen und ungenutzt sind". Ein 
weiteres Problem bilden die „verworrenen Be- 
sitzverhältnisse innerhalb der Hofzeilen, die ver- 
hindern, daß bei Bedarf ein leerstehendes Haus 
zur Wohnungserweiterung herangezogen wer- 
den kann" (S. 10 f.). Mit Sanierungsgeda 
hat sich bisher kaum einer der Bewohner 
Planungsgebietes befaßt, denn es fehlt den 
sten an den nötigen Mitteln, und über geset 
geregelte Möglichkeiten einer öffentlichen 
derung von Maßnahmen zur Wohnungsve 
serung herrscht weitgehende Unkenntnis. G: 
so wie in anderen Orten des Burgenlandr 
auch hier zu konstatieren, „daß die städti: 
Lebensformen als Vorbild übernommen wer 
und „man die Wohnform des Einfamilienht 
anstrebt" (S. 11). 
Als Zielvorstellungen ihrer Planung, die sie 
den geschilderten Problemen entwickelte, r 
die Autorengruppe (S. I1 und 20): 
Möglichst weitgehende Beibehaltung der 
zeitigen Nutzung der Objekte. 
Keine allzugroße Veränderung der beste 
den Raumeinteilungen, da die Auswech 
von Konstruktionselementen, wie trage 
Decken und Wänden, preislich sehr hoc 
stehen käme. 
Hebung des Wohnkomforts durch die E 
tung von Bad und WC sowie Maßnal 
zur Mauerentfeuchtung. 
Schaffung größerer Wohnungen durch l 
nungszusammenlegungen (Einbeziehung l 
nützter Objekte und Räumlichkeiten) unte 
rücksichtigung bereits bestehender Vorste 
gen der Bewohner. 
Ausbau leerstehender Objekte, die zu ur 
stig liegen, um sie in einen Wohnungsver 
einzubeziehen, zu vermietbaren Wohnei 
ten mit der Zielsetzung, den hier wohne 
Gästen den gewünschten Komfort zu bi 
sie aber nicht von den Einheimischen zu 
nen, sondern eine Durchmischung von t 
den und Ortsansässigen herbeizuführen. 
Erstellung einer Kostenberechnung zu den 
nungsvorschlägen und notwendigen S 
rungsmaßnohmen. 
Aufzeigen von Finanzierungsmäglichk 
und den notwendigen organisatorischen I 
nahmen. 
In der Broschüre wird sodann jede einzelne 
einheit für sich im vorgesehenen Sinne b: 
delt, und zwar ist in einem Grundrißplar 
vorgeschlagene Raumwidmung eingetragen, 
ters sind die Ausschreibungsunterlagen fü 
Professionisten erstellt, und schließlich gibt 
nach Einzelpositionen aufgeschlüsselte Kc 
berechnung Aufschluß über die erfordert 
Geldmittel (S. 32-71). 
In einem Anhang (S. 84 f.) werden noch gi 
derte Vorschläge für die Scheunennutzung L 
breitet. Dazu meint die Autorengruppe: „Di 
den Wohnungen gelegenen landwirtschaftl 
Objekte und Scheunen ergeben aus städte 
licher und historischer Sicht ein einheitlicl 
schlossenes Bild, das aber durch den einge 
nen Nutzungswandel bereits bedroht ist. Sr 
hen diese Scheunen heute entweder leer 
dienen als Abstellraum für nicht mehr beni 
Gegenstände und Altwaren. Dies hat zur F 
doß die Hofgassen zwar von der Haupts 
her noch attraktiv und anziehend wirker 
Gegensatz dazu aber von der rücksei 
Hauerstraße trostlos und verfallen, wozu 
kommt, daß ein Teil der Scheunenbesitzer 
mehr im Planungsgebiet wohnt und daher 
Objekte nur bedingt nutzen kann. In der 
planung ist ein großer Teil der Scheune: 
Abstellplatz für Pkw, Traktoren und Anhi 
vorgesehen mit Zufahrt van einem vorhand 
jedoch neu auszubauenden Gemeindeweg 
dadurch den anfallenden Verkehr aus den 
gossen herauszuhalten." 
Zieht man eine Summe aus den für die e. 
nen Wohnobjekte (ohne Scheunen) nach
	        
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