Eine Einschränkung muß allerdings gemacht
werden: Die vorliegende Studie ist auf eine ganz
spezifische Situation abgestimmt und bringt kei-
ne Patentlösung. Sollte aber eine Realisierung in
Mörbisch gelingen, wird im Grundsätzlichen ge-
wiß manche wertvolle Erfahrung für weitere
derartige Aktionen zu gewinnen sein, Die Zeichen
der Zeit sind günstig: Die Selbstfindung der
Burgenländer hat Fortschritte gemacht, und im
Schatten des Fremdenverkehrs lernt man die
Werte der eigenen traditionellen Bau- und Le-
bensformen wieder zu schätzen! '
Das Projekt Mörbisch
In seinem alten Ortskern ist Mörbisch ein typi-
sches Schmalangerdorf (Abb. 1). Einen einzigen,
gerade verlaufenden Straßenzug begleiten links
und rechts die Dreiecksgiebel der Wohnhäuser,
unterbrochen von den meist torlosen Hofeinfahr-
ten. Vorherrschende Bauform ist der Streckhof,
wobei örtliche Gegebenheiten zur Ausbildung
sogenannter Hofgassen geführt haben (Abb. 2):
Nach dem gleichen Schema von Stube - Küche -
Stube bzw. Kammer - Stall - Düngerhaufen -
Scheune gegliederte Wohn- und Wirtschattsein-
heiten sind zwei-, drei- und viermal hinterein-
ander aufgereiht, manchmal stehen auch zwei
solcher Reihen einander gegenüber. Eine male-
rische Note erhalten viele dieser Hofgassen
durch die Stiegenaufgänge zu den Wohnräumen,
die oft laubenartig überdacht sind. Der Dach-
vorbou kann von einer oder mehreren kleinen
Steinsäulen getragen sein, wodurch ein altan-
artiges Gebilde entsteht (Abb. 3). Diese Eigen-
heiten sind wohl auch in anderen nordburgen-
ländischen Orten zu finden, treten aber nirgends
so massiert auf wie in Mörbisch.
Gegenwärtig ist nun, wie der Ortschronist
schreibt, die Lage so, daß zwar ein erhaltens-
werter Ortskern noch vorhanden ist, „aber die-
ser besteht aus Häusern mit zum großen Teil
feuchten, ungesunden und auch räumlich den
heutigen Bedürfnissen nicht mehr entsprechen-
den Wohnungen. Wer die Möglichkeit hat, ver-
läßt die engen Hofgassen . .. Leerstehende Häu-
ser drohen zu verfallen. Andere bauen um, und
dabei stehen ihre persönlichen Interessen den
Interessen und Bestrebungen des Denkmalschut-
zes entgegen. Aufklärung, Planung und Bereit-
stellung von Geldmitteln sind dringend notwen-
dig, will man den Ortskern von Mörbisch sanie-
ren und damit rettena." Gerade dieser letzte
Satz steht programmatisch für das, was sich die
Wiener Architekturstudenten Walfang Kaitna,
Rüdiger Reichel und Kurt Smetana zum Ziel ge-
setzt haben.
Die Bekanntschaft mit Mörbisch machten die drei,
als eine Studentengruppe der Technischen Hoch-
schule Wien vom Vorstand des Instituts für
Wohnbau und Entwerfen 3 die Aufgabe gestellt
erhielt, unter der Devise „Ländliches Wohnen
und städtische Freizeit" ein Projekt für die Sanie-
rung und Nutzbarmachung einer bestimmten
Häusergruppe im Ortskern zu erstellen. Ziel der
Studie sollte es sein, für die Bewohner dieser
Häuser „eine zeitgemäße Wohnform" zu fin-
den (das hieß, sie ouszusiedeln) und für die Alt-
bauten bestimmte „Freizeitfunktionen" zu erar-
beiten. im Verlauf der Arbeit kristallisierte sich
der Plan heraus, die bewußte Häusergruppe in
Apartments aufzugliedern und diese an Gäste
zu vermieten oder sie überhaupt erholungsu-
chenden Großstädtern als Zweitwohnungen an-
zubieten. Damit konnte man, so schien es, zwei
Fliegen auf einen Schlag treffen: einen erhal-
tungswürdigen Baubestand vor dem Untergang
bewahren und für das im Raum um den Neusied-
ler See besonders leidige Apartmentproblem eine
Ideallösung präsentieren. Tatsächlich hatten diese
38
Vorschläge für die nach einem Ausweg aus der
Apartmentmisere Suchenden etwas Faszinieren-
des an sich.
Kaitna, Reichel und Smetano, durch ihre Arbeit
in Mörbisch mit den Problemen des ländlichen
Raumes und der Denkmalpflege mittlerweile gut
vertraut, erkannten aber auch die Nachteile;
Verdrängung der bodenständigen Bevölkerung
aus dem Ortskern;
räumliche Trennung von Feriengästen und Ein-
heimischen;
nur saisonweise Nutzung des Altwohngebietes.
Sie konnten sich daher nicht weiter mit einer
derartigen Planung identifizieren und suchten
einen eigenen Weg „im Sinne einer ausschließ-
lichen Erhaltung des Ortskernes für die dort an-
sässigen Bewohner".
Nach anfänglichen Fehlleistungen - die von der
Dreiergruppe erarbeiteten Vorschläge wurden
vorn betroffenen Bevölkerungskreis nicht akzep-
tiert - gelang es schließlich in enger Fühlung mit
den Bewohnern des Planungsgebietes und nach
eingehender Befragung hinsichtlich der herr-
schenden Ansprüche und Vorstellungen, eine aus-
gereifte Studie zu erstellen. Diese wurde mit
Unterstützung durch die burgenländische Landes-
regierung, deren wohlwollende Förderung die
Studenten erlangen konnten, in Form einer um-
fangreichen Broschüre mit einer Auflage von
vierhundert Stück herausgegebeni In dem mit
Plänen, Fotos und Zeichenskizzen reich ausge-
statteten Heft sind von der Bestandsaufnahme
über die detaillierten Planungsvorschläge bis
zur Finanzierung und Organisation sämtliche
Arbeitsunterlagen für die Realisierung des Pro-
jektes enthalten. Die nachfolgende Darstellung
ist eine Zusammenfassung der angestellten Über-
legungen, in der die Autoren der Broschüre so
oft als möglich selbst zu Worte kommen sollen 5.
Das Planungsgebiet umfaßt eine südlich an die
römisch-katholische Pfarrkirche anschließende
Häusergruppe an der Hauptstraße von Mörbisch
mit den Orientierungsnummern 35 bis 69 (Abb. 4).
Ein Konglomerat von Wohn- und Wirtschafts-
bauten ist hier entlang einiger typischer, senk-
recht zur Straße ausgerichteter Hofgassen auf-
gereiht. Die Grundrißgestalt läßt bereits die
komplizierten Eigentumsverhältnisse ahnen (Abb.
5, 6). „lnnerhaIb des Planungsgebietes findet
man 18 verschiedene Eigentümer, von denen
zwei allerdings nur je eine Scheune besitzen.
Von den restlichen 16 Eigentümern wohnen elf
in diesem Gebiet, zwei arbeiten hier in ihrem
Geschäft, besitzen daneben aber noch andere
Objektanteile, zwei Eigentümer haben je eine
Wohnung vermietet, eine Wohneinheit ist vom
Burgenländischen Landesmuseum als Heimathaus
eingerichtet (S. 14)." Van der verbauten Fläche,
ohne Scheunen rund 2500 Quadratmeter, ist über
ein Drittel zum Wohnen genutzt, 270 Quadrat-
meter dienen als Geschäftslokale und 1150 Qua-
dratmeter teilen sich auf Abstellräume, Lager,
Kammern, Waschküchen und Ställe auf. Der
Bauzustand, vor allern der Wohnobjekte, ist un-
terschiedlich, jedenfalls gibt es kein Gebäude,
das nicht in irgendeiner Hinsicht reparaturbe-
dürftig ist. Bevölkerungsmäßig besteht eine aus-
gewogene Zusammensetzung von ca. je einem
Drittel unter zwanzig, von zwanzig bis vierzig
und über vierzig Lebensjahren.
Die Problemstellung besteht konkret darin, „daß
ein Großteil der Wohnungen nicht mit Bad und
WC ausgestattet ist, sowie einerseits eine sehr
hohe Belagsdichte besteht und andererseits viele
Objekte leer stehen und ungenutzt sind". Ein
weiteres Problem bilden die „verworrenen Be-
sitzverhältnisse innerhalb der Hofzeilen, die ver-
hindern, daß bei Bedarf ein leerstehendes Haus
zur Wohnungserweiterung herangezogen wer-
den kann" (S. 10 f.). Mit Sanierungsgeda
hat sich bisher kaum einer der Bewohner
Planungsgebietes befaßt, denn es fehlt den
sten an den nötigen Mitteln, und über geset
geregelte Möglichkeiten einer öffentlichen
derung von Maßnahmen zur Wohnungsve
serung herrscht weitgehende Unkenntnis. G:
so wie in anderen Orten des Burgenlandr
auch hier zu konstatieren, „daß die städti:
Lebensformen als Vorbild übernommen wer
und „man die Wohnform des Einfamilienht
anstrebt" (S. 11).
Als Zielvorstellungen ihrer Planung, die sie
den geschilderten Problemen entwickelte, r
die Autorengruppe (S. I1 und 20):
Möglichst weitgehende Beibehaltung der
zeitigen Nutzung der Objekte.
Keine allzugroße Veränderung der beste
den Raumeinteilungen, da die Auswech
von Konstruktionselementen, wie trage
Decken und Wänden, preislich sehr hoc
stehen käme.
Hebung des Wohnkomforts durch die E
tung von Bad und WC sowie Maßnal
zur Mauerentfeuchtung.
Schaffung größerer Wohnungen durch l
nungszusammenlegungen (Einbeziehung l
nützter Objekte und Räumlichkeiten) unte
rücksichtigung bereits bestehender Vorste
gen der Bewohner.
Ausbau leerstehender Objekte, die zu ur
stig liegen, um sie in einen Wohnungsver
einzubeziehen, zu vermietbaren Wohnei
ten mit der Zielsetzung, den hier wohne
Gästen den gewünschten Komfort zu bi
sie aber nicht von den Einheimischen zu
nen, sondern eine Durchmischung von t
den und Ortsansässigen herbeizuführen.
Erstellung einer Kostenberechnung zu den
nungsvorschlägen und notwendigen S
rungsmaßnohmen.
Aufzeigen von Finanzierungsmäglichk
und den notwendigen organisatorischen I
nahmen.
In der Broschüre wird sodann jede einzelne
einheit für sich im vorgesehenen Sinne b:
delt, und zwar ist in einem Grundrißplar
vorgeschlagene Raumwidmung eingetragen,
ters sind die Ausschreibungsunterlagen fü
Professionisten erstellt, und schließlich gibt
nach Einzelpositionen aufgeschlüsselte Kc
berechnung Aufschluß über die erfordert
Geldmittel (S. 32-71).
In einem Anhang (S. 84 f.) werden noch gi
derte Vorschläge für die Scheunennutzung L
breitet. Dazu meint die Autorengruppe: „Di
den Wohnungen gelegenen landwirtschaftl
Objekte und Scheunen ergeben aus städte
licher und historischer Sicht ein einheitlicl
schlossenes Bild, das aber durch den einge
nen Nutzungswandel bereits bedroht ist. Sr
hen diese Scheunen heute entweder leer
dienen als Abstellraum für nicht mehr beni
Gegenstände und Altwaren. Dies hat zur F
doß die Hofgassen zwar von der Haupts
her noch attraktiv und anziehend wirker
Gegensatz dazu aber von der rücksei
Hauerstraße trostlos und verfallen, wozu
kommt, daß ein Teil der Scheunenbesitzer
mehr im Planungsgebiet wohnt und daher
Objekte nur bedingt nutzen kann. In der
planung ist ein großer Teil der Scheune:
Abstellplatz für Pkw, Traktoren und Anhi
vorgesehen mit Zufahrt van einem vorhand
jedoch neu auszubauenden Gemeindeweg
dadurch den anfallenden Verkehr aus den
gossen herauszuhalten."
Zieht man eine Summe aus den für die e.
nen Wohnobjekte (ohne Scheunen) nach