Walter Hafner
Die Konferenz von Zürich,
Resolutionen und deren
RGEIISISTUHQ
Die Konferenz von Zürich (4.-7. Juli 1973) bil-
dete den Auftakt für das vorn Europarat prokla-
mierte „EUROPEAN ARCHITECTURAL HERITAGE
YEAR - l975" und leitete gleichzeitig die drei-
jährige Kampagne zur Vorbereitung des Jahres
1975 ein. In diesem „Denkmalsch-utziahr" sollen
bekanntlich besondere Akzente auf dem Sektor
des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege
gesetzt werden, wobei der umfassende Schutz
der historischen Architektur und ihre Revitalisie-
rung gemäß dem für das J'ahr 1975 vom Europa-
rat geprägten Slogan „A FUTURE FOR THE
PAST" die besonderen denkmalpflegerischen An-
liegen darstellen.
Die Konferenz in Zürich, die vom Europarat ein-
berufen wurde und an der mehr als 300 Dele-
gierte aus 28 Staaten teilnahmen, hatte ein
umfangreiches Arbeitsprogramm zu bewältigen,
das in drei Arbeitskomitees beraten wurde. Sie
widmeten sich der Erörterung folgender Fragen-
komplexe:
a) Gesetzgebung und Verwaltungspraxis;
b) Konservierung, Restaurierung und
Altstadterneuerung;
c) Öffentlichkeitsarbeit.
Am letzten Tag der Konferenz wurden in der
abschließenden Plenarsitzung drei Resolutionen
beschlossen, die auf den Ergebnissen der Be-
ratungen in den einzelnen Arbeitskomitees ba-
sieren: .
I. Verbesserung der Gesetzgebung zur Erwir-
kung eines effizienten Ensembleschutzes.
2. Erhaltung und Wiederherstellung der überlie-
ferten Ortsbilder (Altstadterhaltung).
3. Maßnahmen zur Stimulierung der Öffentlich-
keitsarbeit, um das Interesse an den Zielset-
zungen des Denkmalschutzes zu wecken bzw.
zu fördern.
Im folgenden Beitrag soll nun untersucht wer-
den, inwieweit es möglich war, die Empfehlun-
gen der Zürcher Konferenz in Österreich zu
realisieren.
Verbesserung der Gesetzgebung im
Interesse des Ensembleschutzes
Mit diesem Thema setzte sich der Verfasser die-
ses Beitrages bereits in seinem Referat ausein-
ander, das er bei der Zürcher Konferenz in einer
der Arbeitssitzungen des Komitees l gehalten
hat. In diesem Referat „Die Neuregelung des
Denkmalschutzes in Österreich" wurde die für
Österreich spezifische Problematik einem inter-
essierten Auditorium vorgestellt.
„Das derzeit in Österreich geltende Denkmal-
schutzgesetz wurde im Jahre 1923 beschlossen.
Es spricht für die Qualität dieses Gesetzes, daß
es in den 50 Jahren seit seinem Inkrafttreten
meritorisch weder abgeändert noch ergänzt wer-
den mußte. Es hat sich auch als ein gutes und
brauchbares Instrument für die Praxis erwiesen.
Wenn dessenungeachtet im Jahre 1972 Vorarbei-
ten für eine Ergänzung (Novellierung) dieses Ge-
setzes in Angriff genommen wurden, so war
hiefür primär die Entwicklung auf dem Bausektor
der Anlaß. Hier setzte eine Entwicklung ein, die
im Zusammenhang mit Grundstücksspekulatio-
nen zu abträglichen Erscheinungen führte:
4
I. Der bauliche Zustand vieler denkmalgeschütz-
ter Gebäude, die sich im Privateigentum be-
finden, verschlechtert sich zusehends.
2. Die intensivierte Neubautätigkeit der Wohl-
standsgesellschaft gefährdet den Bestand von
Einzeldenkmalen wie auch ganzer Ensembles.
Der bauliche Verfall der Denkmale ist zweifellos
darauf zurückzuführen, daß die Eigentümer die
notwendigen Sanierungsarbeiten an den ,uner-
wünschten Denkmalen' unterlassen, um sie de-
molierungsreif zu machen. (Bekanntlich ist der
Wert eines unbebauten Grundstückes um ein
Vielfaches größer als das darauf stehende alte
Haus!) '
Nun fällt die Entscheidung über die Demolierung
eines Gebäudes in die Zuständigkeit der Bau-
behörde. Wenn auch bei denkmalgeschiitzten
Gebäuden für die Demolierung die Zustimmung
des Bundesdenkmalamtes zwingend vorgeschrie-
ben ist, werden die Baubehörden die Demolie-
rung - auch eines denkmalgeschützten Gebäu-
des - bewilligen m ü s se n, wenn aus den fest-
gestellten Baugebrechen eine Gefahr für die
Gesundheit oder gar das Leben von Menschen
resultieren könnte. Hat sich erst einmal der Bau-
zustand eines Denkmals so verschlechtert, daß
die zuständige Baubehürde mit einem Demolie-
rungsauftrag vorgehen muß, ist das Denkmal mit
den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes
nicht mehr zu retten.
Es ergibt sich daher die unbefriedigende Situa-
tion, daß die Denkmolschutzbehörden durch die
Verweigerung der beantragten Zustimmung zu
einer Demolierung den Abbruch zeitlich hinaus-
schieben können, aber das geltende Recht bietet
keine Möglichkeit, die Eigentümer von denkmal-
geschützten Gebäuden zu einer ordnungsgemä-
ßen Erhaltung der Denkmale zu zwingen.
Diese Lüdte im Gesetz zu schließen, ist ein
Hauptanliegen der Novellierung. Selbstverständ-
lich wird in iedem einzelnen Fall die ,wirt-
schaftliche Zumutbarkeit' als Voraussetzung für
die Verpflichtung zur Erhaltung der denkmalge-
schützten Gebäude zu prüfen sein.
Die Feststellung einer wirtschaftlichen Härte'
wird einer unabhängigen Schiedskommission ob-
liegen, die an keine Weisungen gebunden ist
und deren Entscheidungen inappellabel sind.
Neben dieser geplanten gesetzlichen Neurege-
lung kommt aud1 dem verstärkten Ensemble-
sdwutz besondere Bedeutung zu, der expressis
verbis in der Novellierung statuiert werden soll."
Allein mit diesen zwei essentiellen Bestimmun-
gen könnte der Denkmalschutz in Österreich ef-
fizienter gestaltet und damit der gegenständli-
chen Resolution der Zürcher Konferenz Rech-
nung getragen werden.
Selbstverständlich wird sich die geplante No-
velle nicht in der „ErhaItungspflicht" und im
„Ensembleschutz" erschöpfen, aber diese beiden
Neuregelungen bilden iedenfalls den „harten
Kern" der legislativen Maßnahmen auf dem
Sektor des Denkmalschutzes.
Verbleibt nur zu hoffen, daß die Novelle noch
im Jahr des Denkmalschutzes im Nationalrat
eingebracht wird, damit auf diese Weise ein
Beitrag zum „EUROPEAN ARCHITECTURAL HE-
RITAGE YEAR" geleistet wird.
II.
Maßnahmen zur Altstadterhaltung
Um zu dieser Resolution Stellung nehmen zu
können, bedarf es zunächst einer Erläuterung
ihres Inhaltes, der aus dem vorn Verfasser ge-
wählten „komprimierten" Titel nicht erkennbar
ist.
Die Resolution geht von folgendem Sachverhalt
GUS t
„Es ist heute offenkundig, daß die Städl
ihrer Gesamtheit eine wesentliche Leistung
menschlichen Kultur, insbesondere derier
Europas, darstellen. Sie besitzen diese Bt
tung auch heute noch, obwohl sie aufs scl
ste bedroht sind und Gefahr laufen, durcl
ungebändigte Technisierung und Mechanisie
des Lebens gänzlich zerstört zu werden. I
Gefahr droht übrigens nicht nur den Stä
sondern auch den Dörfern, den einzelnen
denkmälern und allen anderen Werken der
kunst, welche - einzeln oder in Gruppen ste
- wesentliche Elemente unserer Kulturlands
bilden.
Die Konferenz gelangt zum Schluß, daß es
der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit sein
de, die Bedeutung des nach menschlichen .
stäben gestalteten urbanen Raumes wiedi
entdecken und daß bei Erfüllung dieser
gabe mit der Erhaltung und Wiederherste
der überlieferten Ortsbilder begonnen w:
muß."
Auf Grund dieser Gegebenheiten empfiehl
Konferenz zur Erreichung der anvisierten
setzungen folgende konkrete Maßnahmen:
a) Erarbeitung einer Strukturanalyse für
schulzwürdige Ortsbild (Stodtkern, Strc
züge, Zonen etc.).
b) Berücksichtigung der geschützten Ortsteil
der Orts- und Regionalplanung.
c) Einschränkung bzw. Eliminierung des M
fahrzeugverkehrs in den geschützten Z
im Interesse der Anhebung der Lebens:
tÖf.
d) Verhinderung der Errichtung von nicht
stabgerechten Neubauten in den SCIIUIZZt
e) Die zu treffenden Erhaltungs- und Revita
rungsmaßnahmen in den Ortskernen sr
sich auf wissenschaftliche Untersuchu
stützen.
f) Revitalisierungsmaßnohmen sollten nich
Absiedlung der angestammten Wohnbev
rung aus den Ortskernen (Schutzzonen)
ren.
g) Gleiche finanzielle Förderung aus öff
chen Mitteln für die Erneuerung des Altl
bestandes in den Stadtzentren, wie sie h
nur für die Errichtung von Neubauten
währt wurde.
Wenn auch der gesamte MaBnahmen-kataloi
uneingeschränkte Zustimmung findet und
Vorstellungen von einer sinnvollen Altstadte
tung entspricht, kann andrerseits doch nichti
sehen werden, daß einzelne in Vorschlag
brachte Maßnahmen über die Möglichkeiten
für den Denkmalschutz und die Denkmalp
zuständigen Behörden hinausgehen. Die II
malschutzbehärden können zwar einzelne d
Maßnahmen stimulieren, doch bleibt die f
sierung anderen Behörden vorbehalten, ar
ren Verständnis (Goodwill) nur appelliert
den kann.
Dies gilt in erster Linie für Maßnahmen auf
Bausektor, da Bauangelegenheiten in den i
namen Wirkungsbereich der Gemeinden f:
Selbstverständlich wird von den Landesko
vatoren immer wieder auf die Notwendi
der Berücksichtigung von Denkmolschutzinl
sen bei der Erteilung von Baubewilligungen
gewiesen, trotzdem sind - wie die Erfal
lehrt - bauliche Entgleisungen in geschützte!
nen nicht auszuschließen.
Ebensowenig vermag der „DenkmaIschutz'
Reduzierung des Individualverkehrs und di
richtung von Fußgängerzonen in den S
zentren durchzusetzen. Die Denkmalschutzb
den können lediglich auf die Gefahren l1ll
sen, von denen die historische Bausub