Peter Pötschner
Denkmalschutz und
Denkmalpflege in Wien
Die besondere Problematik des Denkmalschutzes
und der Denkmalpflege in Wien ergibt sich zu-
nächst aus der hohen Zahl und der außerge-
wöhnlichen Qualität der Denkmäler. Man kann
von einer großen „Denkmaldichte" sprechen. Ein
weiterer, weniger erfreulicher Aspekt ist der
hohe Preis der Baugründe gerade in denkmal-
reichen Stadtgebieten. Da die Gewinne aus der
lebhaft betriebenen Bodenspekulation meist nur
bei Abbruch und Neuverbauung realisierbar
sind, ist praktisch iedes ältere Obiekt in diesen
Bereichen gefährdet. Dieser besonderen Situa-
tion entspricht eine derzeit sehr lebhafte Pu-
blicity. In der Hauptstadt, dem Zentrum der Mas-
senmedien, entgeht der Öffentlichkeit kaum ein
Ereignis auf dem heute so aktuellen Gebiet
des Denkmalschutzes, ia die Zeitungen suchen
geradezu einschlägige Neuigkeiten. Das wirkt
sich für den Denkmalschutz in der Regel segens-
reich aus. Nicht wenige Denkmäler sind in den
letzten Jahren durch die wirkungsvolle Hilfe der
Medien dem drohenden Untergang entrissen
worden.
Gerettet ist nun auch nach mehr als fünfjähri-
gem Kampf das Faniteum in Ober-St.-Veit. Das
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um 1895 von dem Basler Architekten Emanuel
La Roche errichtete Bauwerk ist dem Gedächtnis
der 1893 im Kindbett verstorbenen Gräfin Fanita
Lanckaronski gewidmet und war ursprünglich
ein Erholungsheim für bedürftige iunge Mädchen.
Mit seiner geräumigen Kapelle (die ursprünglich
als Mausoleum dienen sollte) ist das Gebäude
für geistliche Zwecke prädestiniert, doch fand
sich lange keine geeignete Verwendung. Durch
eine glückliche Fügung wird es nun im Jahr des
Denkmalschutzes als Kloster für Karmelitinnen
revitalisiert werden können.
Die genaue Zahl der unter Denkmalschutz ste-
henden Obiekte in Wien ist nicht leicht anzuge-
ben. Zu ienen 402 Objekten, die bisher gemäß
Paragraph 3 des Denkmalschutzgesetzes mit Be-
scheid des Bundesdenkmalamtes unter Schutz ge-
stellt wurden, kommen noch laut Paragraph 2
dieses Gesetzes sämtliche Gotteshäuser Wiens
und alle Monumentalgebäude, dazu noch der
gesamte hiesige Hausbesitz des Bundes, der
Stadt Wien und aller Glaubensgemeinschaften.
Bei iedem einzelnen dieser Wohn- oder Nutz-
bauten hat das Bundesdenkmalamt gegebenen-
falls festzustellen, ob ein öffentliches Interesse
an seiner Erhaltung besteht oder nicht; letzteres
wird nach heutiger Auffassung bei der Mehr-
zahl der Wohnobiekte und bei zahlreichen
Nutzbauten der Fall sein. Eine Globalfeststel-
lung ist aber nicht möglich, vor allem, weil mit
dem Wandel der Auffassung gerechnet werden
muß, mit dem eine ganz andere Beurteilung der
künstlerischen, kulturellen oder geschichtlichen
Bedeutung verbunden sein kann. So hat bekannt-
lich um 1960 der Jugendstil fast schlagartig eine
völlig neue Wertung erfahren. Auch die histori-
stische Baukunst der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts ist erst vor kurzem von der Kunst-
geschichte als selbständiger Stil begriffen wor-
den. Nach heute herrscht gegen den Historismus
ein verbreitetes Vorurteil, vor allem bei der
älteren Generation.
Es wachsen aber nicht nur ganze Stilperioden
allmählich in den Denkmalschutz hinein, es müs-
sen auch immer wieder neue Kategorien mitein-
bezogen werden, die sich mit dem herkömmli-
chen Denkmalbegriff kaum in Verbindung brin-
gen lassen: in Wien sind es beispielsweise die
Geschäftsportale, die vor allem in der Inneren
Stadt sehr deutlich und zuweilen sogar in künst-