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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 1)

Die zweite Vorlesung begann mit eben dieser Veränderung der Städte, welche 
nun, anstatt von Mauern und Graben umgeben zu sein, sich oßnen und allmlhlicb in 
das Land übergehen. Straßen und Hauser andern sich und die Stadt umgibt sich mit 
einem Gürtel von villenartigen Hsusern. Die größeren und rascheren Verkehrsmittel, 
welche heute tief in die Stadt eindringen oder dieselbe durchziehen, erlauben, dass der 
Stadtbewohner nunmehr Winter und Sommer in diesen fern vom Mittelpunkt gelegenen 
Hlusern zubringt. Dies ist die eine Art der Veränderung. Eine andere Art, welche dem 
gleichen Bedürfniss Rechnung tragt, besteht in der Anlage besonderer Villenquartiere, 
Cottageviertel oder ganzer Villenstädte, welche gleicherweise Sommer und Winter be- 
wohnt werden. ln diesen Anlagen, wie sie ja auch schon bei Wien bestehen, liegt jedes 
Haus mitten in einem Garten, von allen vier Seiten frei, doch immerhin so beengt und 
seinem Nachbar zu nahe, auch unter dem Einfluss der Stadt stehend, dass ihre Hauser 
noch nicht, oder nur selten den vollen Villencharakter tragen. Dieser tritt erst ein, wo 
Architekt und Besitzer volle Freiheit der Anlage und der baulichen Gestaltung haben 
und keine Rücksicht weiter herrscht als die der Wohnlichkeit, der Gesundheit, der 
Schönheit und des Vergnügens, welches die Lage, [die Gegend gewähren. Nach diesen 
Rücksicbten schilderte der Vortrag im Einzelnen nun weiter, was zu thun ist, um den- 
selben zu entsprechen, wie das Haus zu orientiren ist, wie die Zimmer zu liegen kommen, 
sowohl mit Rücksicht auf Sonne, Warme, Kälte und Jahreszeit, wie auch in Bezug auf 
den Cumfort im lnnern, und wie endlich darnach der Aufriss, die Architektur der ver- 
schiedenen Seiten sich gestaltet. ln dieser letzteren Beziehung wurde auch die Stilfrage 
aufgeworfen und mit Rücksicht auf den verschiedenen Charakter der Gegend, ob bergig 
oder eben, ob am Fluss oder Meer gelegen, beantwortet. Hierauf, auf allen diesen Rück- 
sichten, ruhen mannigfache Bedingungen, mannigfache Gesetze, welche von der heutigen 
Villen-Architektur nur zu häufig vernachlässigt werden. 
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-- Am 7. December sprach Professor Dr. Rudolf Meringer über tDas ober- 
deutsche Bauernhaus und sein Gerathel- - Auf germanischem Boden findet 
man blos drei Typen volksthümlicher Hiuser, den sächsischen, nordischen und ober- 
deutschen. Das sächsische Haus ist streng einheitlich und beherbergt Mensch und Thier 
wie Vorrathe in einem Raume, dessen Abtheiiungen als spatere Entwicklung erkennbar 
sind. Das nordische und das oberdeutsche Gehofte haben eigene Gebaude für den 
Menschen und i-Einheitshauserc sind als Zusammenruckungen ursprünglich selbständiger 
Theile zu erkennen. Die nordische Wohnstüttc besteht aus einem Herdraum und einer 
Vorhalle, die oberdeutsche hat zwei Zellen, den Herdraum und den Ofenrau m. 
Das Centrum des Hauses ist bei einfachen Verhältnissen der Herd. ln Ober- 
deutschland ist überall ein breiter, niederer, aber wirklicher Herd vorhanden, ein ge- 
mauerter Herd mit Steinplatten, auf denen das offene Feuer brennt. Ueber dem Herd 
erscheint oft ein Feuermantel, seitwärts ein hölzerner Schlot. Durch die Verschmelzung 
von Herd, Mantel und Schlot erwuchs der Kamin. Das sächsische Haus kennt noch 
aFCUlfSKCllGnI, d. h. das Feuer wird auf dem Boden selbst angemacht, nicht auf einem 
Unterbau. Von den Herdgerathen des oberdeutschen Hauses sind der Feuerbock und 
der Dreifuß die interessantesten. Beide sind uralte Erfindungen des Jvlenschengeistes. 
Die geographische Verbreitung dieser Gerathe steht noch nicht fest. 
Wie für die Küche der offene Herd, so ist für die Stube der Kachelofen 
kennzeichnend. i-Kachel- heißt nGefaB, Topfn, und der Kachelofen des Bauernhauses ver- 
dient seinen Namen, denn er enthält Töpfe, welche entweder ihre Hüblung oder ihren 
gewölbten Rücken nach außen kehren. 
Die schwierigste Frage in der Geschichte des oberdeutschen Hauses ist die nach 
der Herkunft des Ofenraumes, der wStubeu, oder nach dem Ursprung des charakteristi- 
scben Theils, des Ofens. Zu einer befriedigenden Erklarung ist heute noch nicht zu 
gelangen. Müglicherweise setzt der Kachelofen die Tradition des alten römischen Hypo- 
caustum fort, oder er ist aus dem Backofen entstanden mit Benutzung der von römischen 
und byzant ischen Bauleuten bereits geübten Kunst, ein Gewölbe mit Töpfen herzu- 
stellen. Möglich, dass auch beide Entwicklungen zusammengeführt haben. Bei dem Um- 
stande, dass die Gegenstands nicht der Zeit widerstehen konnten und auch die littera- 
rische Tradition sehr splt beginnt, begegnet hier die Forschung vorläufig unüberwind- 
lichen Schwierigkeiten.
	        
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