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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 72)

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chische, sei es römische Oberschicht gearbeitet haben und die mit 
der Technik auch den Stil importierten. Es ist aber nicht ohne weiteres 
sicher, daß der harte, zeichnerisch-fiächige Stil der spätere ist, denn 
diese Formelemente, diese spezifische Kunstsprache lassen sich im 
Osten, in Palmyrag, Dura-Europos9, aber auch in Ägypten in Tuna- 
Hermopolis bereits im ersten Jahrhundert nach Christi nachweisen. 
Das ganze Problem der frühchristlichen Kunst Agyptens liegt in dieser 
Gegenüberstellung. 
Nirgends so sehr wie hier muß man in dieser Zeit mit zwei unab- 
hängigen Kunstströmen rechnen, die sich nicht nur in den Mumien- 
bildnissen, sondern ebenso in den Fresken 10, in den Textilienll, in 
der Plastikll, ja sogar in der Architektur nachweisen lassen. Da ist 
einmal die Metropole Alexandrien, wo die fremde Gesellschaftsschicht 
der „haute rinance" und der „intelligenzia", die sich der autochthonen 
Landeskultur niemals assimiliert hat und die einen eigenen, ihr allein 
eigentümlichen Stil hervorbringt. Diese Stadt, deren kulturelle Be- 
deutung und Mission mit kaum einer anderen vergleichbar ist, behält 
ihre führende Rolle durch zwei Kulturphasen ununterbrochen bei. 
Die Gelehrten, die an der wissenschaftlichen Pfianzstätte des Hellenis- 
mus, am „Museum" wirkten, werden von den großen Kirchenvätern 
der „Didaskale", der theologischen Hochschule und dem geistigen 
Mittelpunkt des frühen Christentums, abgelöst. Nach wie vor aber 
sprechen die Gelehrten, die meist griechischer Abstammung sind, in 
der Sprache Platos, um so mehr, als diese damals eine für das Christen- 
tum bedeutungsvolle Neubelebung erfährt. Dieser in jeder Hinsicht 
raffinierten und gebildeten Gesellschaftsschicht, für die das Christen- 
tum vor allem ein neues philosophisches Denkproblem ist, steht das 
rechtlose, ausgebeutete Volk Ägyptens gegenüber, das einzige, dem 
Rom kein Bürgerrecht zugesteht und das, selbst verhungert, in harter 
Fron für die reibungslose Versorgung des Reiches mit VCeizen auf- 
kommen muß. Hier nimmt das Christentum andere Formen an als 
in der intellektualisierten Hauptstadt. Unter der Mission des Evan- 
geliums erwacht das Volk Ägyptens zum ersten Male in seiner Ge- 
schichte zu einem nationalen und sozialen Selbstbewußtsein. Die Über- 
setzung der Bibel in die Landessprache, in das Koptische, und die 
Gründung des Mönchtums -ein rein national-ägyptisches Phänomen 7 
sind die äußeren- Zeichen dieser weittragenden Umschichtung. Es ist 
auch nur selbstverständlich, daß diese nationale Selbstbestätigung eine 
eigene Kunst, jener der hellenistischen Kunstzentten sehr verschie- 
den, hervorbrachte, deren Stil aber ebenso in Werken des eigenen 
Hinterlandes 7 etwa Bawit oder Saqqarah - als auch in solchen des 
nahen Ostens vorgebildet war. Mag es sich in diesen XWerken auch 
vorerst JITI eine Art„volgare",eine „koine"gehandelt haben, so werden 
ihre Stilprinzipien, dem Geist des Christentums zutiefst verwandt, in 
der offiziellen Kunst in Byzanz ihre Sanktionierung und monumentale 
Ausbildung erfahren. So wird in Ägypten, mehr als anderswo, deut- 
lich, wie sehr das historische Geschehen wesentliche Voraussetzung 
des schöpferischen Geistesprozesses ist. 
Was also die Datierung der Mumienbildnisse anlangt, so läßt sich 
abschließend sagen, daß diese ungefähr mit dem Beginn unserer Ära 
auftreten und mit dem theodosianischen Edikt (392), das unter an- 
derem die Mumifizierung verbietet, allmählich aufhören und daß im 
Prinzip die technisch sorgfältigen impressionistisch-hellen Bilder die 
früheren sind und im Laufe der allgemeinen Orientalisierung den 
dunklen, expressiven weichen. Aber ähnlich wie bei den Textilien 
bedeuten diese beiden Stile nicht unbedingt ein zeitliches Nacheinander, 
sondern sie können in verschiedenen Kunstzentren, in verschiedenen 
Gesellschaftsklassen nebeneinander bestanden haben. - Soweit die 
historischen Fakten. Die weit wesentlichere Frage aber, die der Be- 
deutung der Bildnisse, die Frage nach ihren geistig-religiösen Vor- 
aussetzungen, wurde nie gestelltß. Gewisse rein äußerliche Fakten 
schienen darauf hinzuweisen, daß das Mumienbildnis nichts anderes 
sei als eine andere Form der Totenmaske. Es war wie diese vor dem 
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Einflüssen Tendenzen zu einem zunehmenden Naturalismus. Erst sind 
es Farbspuren, die auf der bisher aus rituellen Gründen vergoldeten 
Maske auftreten, dann treten porträtähnliche Züge auf, die auf Natur- 
beobachtung schließen lassen, bis schließlich die Maske im gemalten 
Mumienbildnis die höchste Stufe des Realismus erreicht 14. Die Richtig- 
keit dieses Entwicklungsablaufes steht hier nicht zur Diskussion, es 
fragt sich aber, ob es methodologisch zulässig ist, zwei gattungs- 
fremde Kategorien wie die gemalte und plastische Maske ; sie mag 
freikiinstlerisch wie in Mykene oder mechanischer Abguß wie die 
römischen „cerae" sein J voneinander abzuleiten. Dazu kommt, 
daß die magische Funktion der Maske, deren Zweck es war, als Ersatz 
für den der Vernichtung preisgegebenen Körper zu fungieren, die 
also ein „Conterfait", ein Simulacrum im wahrsten Sinne des Wortes 
war, eine plastische Durchbildung forderte und voraussetzte. Sie 
mußte dem gleichen Realraum angehören wie der Körper, da sie ihn 
ja ersetzen sollte. Dies aber konnte ein planes Bildnis keineswegs. 
Kann man daher annehmen, daß der Projektion und der Transpo- 
nierung in die Fläche, mit einem XWort, dem planen Bildnis ein höherer 
Grad an Naturalismus innewohnt als einer Plastik? Darf man tatsäch- 
lich behaupten, daß ein gemaltes Bildnis „naturnäher" ist als eine 
plastische Maske, mag diese noch so schematisch sein? Ohne Zweifel 
wird eine Kultur, die nicht in ästhetisch-formalen Kategorien, sondern 
in urtümlichen Vorstellungen denkt, die plastische Wiedergabe natur- 
näher, realer empfinden als eine plane. Dies darf nicht übersehen 
werden, abgesehen von der Tatsache, daß es methodologisch kaum 
zulässig ist, Malerei und Plastik als gleichwertige Manifestationen ein 
und derselben geistigen Kategorie aufzufassen. lm Gegenteil: sie 
sind nicht auswechselbar, sie gehören vielmehr sehr verschiedenen 
Erlebnissphären an und drücken grundsätzlich voneinander verschie- 
4 Bäniger junger Mann. 
Ehcm. Stutl. Museen. 
Berlin. 
Antikensamrnlung 
s wLa damc du Fayoumn 
Paris. Louvre
	        
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