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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

KUNST UND TECHNIK IM GEWERBE 
Gläfer mit geästem Dekor 
immer Künftler, obgleich viele hochgefchulte Handwerker waren. 
Sie bildeten vielmehr einen Stand von Arbeitern, der heb der 
Dekoration von Gläfern widmete und ein großes und bemerkens 
wertes Talent befaß und eine unerreichte Leichtigkeit und Ge* 
fchicklichkeit in der Manipulation ihrer befonderen Techniken. Diefe 
waren auch die Schöpfer der delikaten Zeichnungen, die auf dem 
Wege der Flußfäureäfjung hergeftellt wurden. Prachtvoll gezeich* 
net, außerordentlich zart und klar, gleichfam nur bingehaucht auf 
die Oberfläche eines Glasgefäßes, wie ein nebelhafter Niederfchlag 
gehören diefe Dekorationen zu dem Schönften, was an Glasver* 
zierungen vorkommt. Diefe Kunft ift in Deutfcbland entftanden. 
Sammler, Liebhaber und Autoren wie Percy Bäte, der in 
»Englisb Table Glass« (George Newnes L d -, London) von be* 
rühmten Privatfammlungen und ihrem Inhalt berichtet, treffen 
Einteilungen und Unterfcbeidungen nach äußerlichen Geficbts* 
punkten, die nicht immer teebnifeb oder künftlerifch begründet 
find. Immerhin verdanken wir ihrem Forfcber* und Sammler* 
intereffe die Kenntnis diefes bochbedeutenden Kunftzweiges, der 
im XVII. und namentlich XVIII. Jahrhundert bis in die erfte 
Hälfte des XIX. Jahrhunderts zu kunftvoll verzierten Gläfern 
zu Gelegenbeitszwecken kunftvolles bervorgebraebt bat. Die 
bekannten Überfangsgläfer, Brunnengläfer und Geburtstagsgläfer 
aus der erften Hälfte des XIX. Jahrhunderts, beute von Sammlern 
viel begehrt, find ein Beweis, daß der Sinn für die künftlerifcbe 
Qualität nicht ganz erlofcben war. Die modernen Künftler haben 
zum Teil au* in die Glasinduftrie neuen guten Gefcbmack ge 
bracht, wenngleich es febwer hält, werkkünftlerifcbe Leiftungen 
gleichen Wertes den alten Schöpfungen entgegenzuhalten. □ 
ZEITGEMHSSE BUCHDRUCKKUNST 
VON KARL ERNST POESCHEL 
affen wir einmal kurz zufammen, worauf es in der modernen 
Buchdruckkunft ankommt. Untere Schriften follen durch 
aus leferlicb fein und einen beftimmt ausgeprägten Charak 
ter tragen; dabei dürfen fie nicht zu Ornamenten werden und 
müffen in ihren alten biftorifeben Formen unverändert bleiben. 
Der Schmuck foll anfprucbslos und einfach fein, er darf fich nicht 
aufdrängen und muß im Tonwert zur Schrift flehen. Haupt 
bedingung beim Satj ift technifcbe Genauigkeit, tadellofes Aus* 
fcbließen, unter Vermeidung zu großer Löcher. Ferner ein Zu* 
fammenfaffen des Satjes in einzelne, leicht überfichtliche Gruppen, 
ein logifcher, wohl abgewogener Aufbau und ein angenehmes 
Verhältnis der bedruckten zur unbedruckten Fläche. Vermeiden 
müffen wir unter allen Umftänden die Verwendung verfchiedener 
Schriftcharaktere bei ein und derfelben Arbeit und das Durch 
einanderwerfen von Ornamenten verfchiedener Stile. Die Farbe 
foll nicht aufdringlich fein, dabei darf fie aber auch nicht aus 
druckslos und verwafchen erfcheinen, fie muß fparfam angewandt 
werden. Einfach und vornehm follen untere Druckfacben auf 
einem griffigen, nicht zu fchweren und nicht zu glatten, tonigen, 
guten Papier flehen, dann werden fie uns Ehre machen. Wir 
dürfen unfern Stolz nicht im Überwinden großer technifcher 
Schwierigkeiten fuchen, fondern darin, daß wir unteren Arbeiten 
ein künftlerifcbes, individuelles Gepräge verleihen. Zielbewußt 
wollen wir ftets zu Werke geben, die Druckfache muß fix und 
fertig vor unferem Geifte flehen, ehe wir noch den erften Buch- 
ftaben in den Winkelhaken fetjen. □ 
Und vor einem Übel wollen wir uns befonders hüten: Wir 
wollen gute Arbeiten unterer Kollegen, in denen eigene Er 
findung fleckt, nicht fklavifcb nachbauen, fondern uns durch fie 
zu Befferem anregen laffen. Wir wollen verfuchen, in unfere 
Arbeiten unter eigenes künftlerifcbes Empfinden bineinzulegen. 
Es follte bald dahin kommen, daß wir, wenn wir ein febönes 
Buch feben, fofort wiffen, ohne die Druckfirma aufzufuchen, wer 
es gedruckt bat, und daß wir beim Anblick einer gelungenen 
Akzidenzarbeit ausrufen können: Das ift wieder eine fchöne 
Arbeit aus der Offizin foundfo. □ 
Streben wir alfo jeder an feinem Teile nach einer freudigen, 
individuellen Hauskunft im Bucbdruckgewerbe! □ 
Bei Poefcbel & Trepte in Leipzig verlegt, find die Grundfätje 
in kurzen Abhandlungen zu einem anfprechenden, nützlichen 
Handbüchlein für jedermann verarbeitet. □ 
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