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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 83)

ler Baseler Ausstellung des Jahres 1960. 
lie „der ganzen Malerfamilie Holbein 
n der Zeit ihres Baseler Aufenthaltes 
]ewidrnet war" (Kot. Einl.. p. 11), Da- 
nals gewonnen die beteiligten Kunst- 
vissenschafter den Eindruck, Holbeins 
t. Ä. Schaffen sei doch wesentlich mehr 
ils die Leistung eines braven. provin- 
iellen und überaus fruchtbaren Hand- 
verkers der allerletzten Gotik, Auf 
Srund der Baseler Ausstellung wurden 
leni älteren Holbein eine ganze Reihe 
'0n Arbeiten zugewiesen. die bisher 
inter der Flagge des jüngeren Hans 
iesegelt waren, Gleichzeitig erwies es 
ich. daß der Einfluß Holbeins d.Ä. 
iuf die Mit- und Umwelt ein durchaus 
wheblicher war und daß eine der Auf- 
iaben der kommenden Holbein-For- 
chung darin bestehen mulite. Ausmaß 
ind Wege dieser Einflußnahme aufzu- 
eigen und abzustecken. Daß sich - 
iielleicht - im Jahre 1965 der Geburts- 
ag des älteren Hans zum fünfhundert- 
ten Mole iährt. gab dann den äußeren 
tnlaß zu dieser vorzüglich gehängten, 
nit aller Sorgfalt VDFlIJEFEliEiBFl Aus- 
tellung ab, die sich der Unterstützung 
lurch zahlreiche Leihgeber erfreute und 
nit allen Anzeichen eines großen 
Ereignisses am 21. August eröffnet 
vurde. 
Bruno Bushart. der Direktor des Augs- 
iurger Museums, zeichnet für sie ver- 
intwortlich. ihm stand ein großes 
trbeitsteam zur Seite, dem Peter Halm, 
tanspeter Landolt, Hannelore Müller. 
"heodor Müller. Christian Altgraf zu 
ialm. Edmund Schilling, Alfred Schädler 
ind Erich Steingräber angehörten. 
Die Ausstellung selbst umfaßte 280 Ka- 
alognummern. Der Katalog ist in zwei 
Xbschriitte gegliedert, deren erster Hans 
Äolbein dem Älteren und seiner Werk- 
tatt gewidmet ist, während der zweite 
vleister aus dem Umkreis Hans Holbeins 
t, A. vorstellt. Bringt der erste Teil 
iaturgernäß nur Gemälde und Zeich- 
iungen sowie ein einziges Obiekt der 
iuchmalerei, drei Nummern Druck- 
;raphik und ein Glasgemälde (nämlich 
tie Madonna mit Kind aus der Sakristei 
ian St, Ulrich und Afra in Augsburg), 
o urnfaßt der zweite Teil auch eine 
lattliche Zahl von Werken der Bild- 
iauerei und der Goldschmiedekunst 
owie eine große Reihe von Druck- 
yaphiken. 
Der Katalog bietet neben den ein- 
eitenden Artikeln von Hannelore 
Vlüller (Zum Leben Hans Holbeins d.Ä., 
Augsburger Goldschrniedekunst). Bruno 
Bushart (H. H. als Maler und Entwerfer). 
-lanspeter Landolt (Die Zeichnungen 
4. H. d, Ä), Erich Steingräber (Augs- 
aurger Buchmalereit und Alfred 
Schädler (Oberschwäbische Bildhauer- 
(unst) in den sehr ausführlichen Kom- 
nentaren zu den einzelnen Exponaten 
wicht nur das ubliche wissenschaftliche 
nstrumentarium. das 
den Stand der 
Torschuno und die Situation der nenen- ' 
fertig zu werden. Nur zwei Dinge haben 
wir für den Gebrauch des Katalog; als 
erschwerend empfunden - einmal die 
Tatsache, daß rein satztechnisch die 
einzelnen Elemente eines Altarwerks 
(z. B, die .,Graue Passion") unter 
gesonderten. fortlaufenden Katalog- 
nummern aufscheinen. ihre Zusammen- 
gehörigkeit aber jeweils erst am Ende 
der Serie durch die Gesamtkommen- 
tierung hervorgehoben wird; wer mit 
der Manipulation eines Katalogs nicht 
vertraut ist. wird eine ganze Weile 
brauchen, ehe er sich auskennt. Zum 
anderen mangelt es an einer Konkor- 
danz zwischen Text- und Abbildungs- 
teil: wohl war man bemüht. Katalog- 
und Abbildungsnummern möglichst zur 
Deckung zu bringen. doch konnte dies 
aus umbruchsmäßigen Gründen nicht 
immer durchgeführt werden. Also auch 
hier die Möglichkeit zu überflüssigem 
und zeitraubendem Suchen! 
Sonst steht der Katalog jenseits aller 
Kritik, er ist im besten Sinne des Wortes 
so erschöpfend, wie man sich ihn nur 
wünschen kann. Als strenge Positivisten 
haben sich die Autoren mit Fragen der 
Symbolik und der Bedeutung des 
inhaltlichen nicht abgegeben. was unter 
Umständen bedauert werden kann. 
Ersichtlicherweise muß sich der ältere 
Holbein auch sehr eingehend mit dem 
Mysterienspiel jener Zeit befaßt haben, 
die erwähnte "Graue Passion" spielt 
sich auf richtiggehenden Bühnenpadien 
ab. Auch hier fehlen. soweit wir das 
nach rascher Durchsicht des Katalogs 
beurteilen können. weitere eingehen- 
dere Hinweise. Aber das sind Fragen 
der Methode und Gesinnung, die hier 
aus grundsätzlichen Erwägungen aus- 
geschlossen bleiben sollen, 
Das große Problem der Ausstellung 
liegt in der Tatsache, daß sie ihrer 
lnstrumentation und Aufmachung nach 
doch in keinem rechten Verhältnis zum 
künstlerischen Gewicht des Protago- 
nisten steht. Holbein ist und bleibt kein 
Künstler der ersten Reihe. Er steht am 
äußersten Ende des Mittelalters. er war 
zu keinem Moment Farmer einer be- 
stimmten Zeitentwicklung, er vertrat 
schon vom Augenblick seines Auf- 
tretens an einen Typus, der im Zeitalter 
des aufbrechenden Genialismus und 
Individualismus hoffnungslos veraltet 
war. Das ist der Gesamteindruck. den 
sein in Auasbura versammelte: Werk 
Geschick vorgetragenen Klischees an. 
er legt sie im Verlaufe seines Lebens 
beiseite. wenn es darum geht. aus 
Gründen der Aktualität Anpassung zu 
betreiben, er tauscht Bild- und Form- 
vorstellungen gewissermaßen aus, aber 
er wandelt sich nicht und bleibt stets 
der gewissenhafte, redliche Bilder- 
lieferant. Seine Bildkomposition ist die 
denkbar primitivste: stets dominiert 
eine konsequent durchgehaltene Ver- 
tikalachse, auf der das aus Unsicherheit 
unruhige Bildgeschehen aufgefädelt 
wird. Probleme des Tiefraumes und der 
Naturwiedergabe werden beiseitege- 
schoben, wo es nur geht, dafür kommt 
aber einer Betonung dekorativer Ele- 
mente in direktem wie in übertragenem 
Sinn größte Bedeutung zu (Faltenstil l). 
Man hat an Holbein. dessen strukturelle 
Schwächen den Gestaltern der Aus- 
stellung selbstverständlich bekannt sind 
und von ihnen auch nie verleugnet 
wurden, zwei große Dinge zugewiesen. 
nämlich seine Farbgebung und seine 
Fähigkeit zum Porträtieren, Nun, es 
stimmt. daß Holbein d. A. sich einer 
anderen, weniger bunten, gedeckteren. 
kalte Farben bevorzugenden. in ihrer 
Gesamtheit eher melancholischen Skala 
bedient, aber bei ihm hat trotz dieses 
Divergierens die Farbe doch längst 
nicht jene seelische Aussagekraft, die 
ihr zukommen sollte (Dürer als Ver- 
gleich heranzuziehen ist vielleicht nicht 
ganz fair, da Dürers Unbegabung für 
das Koloristische ja geradezu sprich- 
wörtlich ist; man sollte eher an die 
Meister der Donauschule in ihrem 
Frühstadium denkenl). Hier wird eine 
Konvention eben durch eine andere 
ersetzt, nicht mehr. 
Was Holbeins d. . Porträtkunst anbe- 
langt. muß doch mit Entschiedenheit 
festgestellt werden. daß er sich ihr wohl 
erst unter dem Druck des Zeitge- 
schmacks zuwandte und daß ihr gerade 
jene Fähigkeit zur psychischen Charak- 
terisierung fehlt. die fast sämtliche 
große Zeitgenossen auszeichnet. ob sie 
nun wie Dürer „rechts" oder wie die 
Donauschulmeister ,.links" stehen. 
Holbeins Gründe. die ihn dazu bewogen 
haben mochten, zeitlich etwas später 
als seine beiden Söhne Augsburg zu 
verlassen, sind dokumentarisch nicht 
faßbar. Man hat im Negativen Über- 
schuldung infolge Mangel an Aufträgen 
(Unaktuellwerdenlt. im Positiven aber 
 
 
daß der ältere Holbein in der ' 
seines Sohnes mitarbeitete. Vll 
er sogar in Basel gestorben. L 
hoft verbirgt sich aber hint 
dunklen Vorgängen eine tiefe 
liche Tragik. unzweifelhaft wi 
bein d. Ä., der nie Aktuelle. v 
eigenen Umwelt überrollt. 
Was für ein trockener Patrc 
beweist sich gerade am zeich 
Werk. das ein so geringes 
Einfallsreichtum und Spontani 
für aber so viele Stilkonventic 
zeigt, daß man an Fälschui 
Romantik denken könnte. Sog 
Altarwerke, wie etwa der 
betindliche Hohenburger Altc 
so .,nazarenisch" an, daß i 
geistige Heimat in der Votivl 
Wien vermuten möchte. Auch 
zweifelbar starke Einflußna 
älteren Holbein auf alles, 
Kunstgewerbe zu tun hat. z 
seine eigentliche, ihm selbst wi 
wußte Stärke gelegen haben ri 
Ferner fiel uns auf, daß fast 
in der Ausstellung gezeigten Sl 
(will man vom Christuskind 
Erharts und dem Publikur 
..Das Christkind lernt gehen" 
qualitativ nicht der Spitzengr 
gehören. Auch das ist bezeict 
das Niveau, das der ältere H 
beeinflussen vermochte. 
Viele Motive seiner Bilder wu 
dem um etwa 15 Jahre älterer 
produzenten lsrahel van N 
nachgestochen 7 oder verhä 
umgekehrt? Auch das scheint 
Beweis dafür zu sein, daß c 
des älteren Holbein der Vergi 
und nicht der Zukunft zugew 
Um ihn spontan schätzen zu 
müßte man auf all die Gigai 
gessen. die ihn umgeben, mi 
auch ganz im allgemeinen vc 
iener Kunstlandschaften absel 
nen.dieAugsburg umgeben: in 
d. A. Werk ist nichts von der Lii 
Ulrns und von der elementaren 
Altbayerns zu spüren. 
Diese Ausstellung ist für die Fa 
schaft in ihrer Bedeutung 
unterschätzen, daß sie aber 
breite Öffentlichkeit anzusprei 
mochte. erscheint uns bei der 
sierung des Themas fast als i 
der. Eri 
m L-lläht weil..." A A izmii...
	        
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