Die Fläche.
„Die Fläche“ will den zahlreichen Zweigen
des Kunstgewerbes geben, was sie brauchen.
Sie bringt eine Fülle von Anregungen für alle
Gebiete, für dekorative Malerei, Plakatkunst,
Buch' und Druckausstattung, Vorsatzpapier,
Umschläge, Menu- und Geschäftskarten, Illu-
strationen, Tapeten, Schwarz-Weißkunst, Tex
tilien, Druck- und Weberei-Schablonen, Blei
verglasungen, Intarsien, Stickereien, Mono
gramme, Kleiderschmuck etc. Von jener leider
noch vorherrschenden papierenen Kunst, die
willkürlich drauf los stilisiert, gleichviel ob
Holz, Leder, Metall oder ein sonstiger Stoff in
Betracht kommt, unterscheidet sie sich wesent
lich und vor allem dadurch, daß sie in der Absicht
ihrer Herausgeber das Naturstudium und das
Studium des Materials zum Ausgangspunkte
nimmt und auch die Farbe wieder in ihre Rechte
setzt. Ein Reichtum von Formen und Farben
lebt in diesen Blättern und deutet die Zu
kunft einer gesunden Entwicklung der dekora
tiven und graphischen Künste an. Die hoff
nungsreiche Aussaat hat heute schon einige
Früchte getragen. Das wachsende Verständnis
für dekorative Form und Farbe ist ein Er
gebnis der Wiener Schule. Die Leute, die seit
Jahrzehnten gewohnt sind, ihre Muster aus
Paris zu holen, verlangen heute schon den
„Wiener Stil“. „Die Fläche“ offenbart ihn in
seiner strengsten und geläutertsten Form.
Man erinnere sich, daß an Stelle des heu
tigen erfreulichen Aufblühens eine Wüste
herrschte, ehe die Arbeit der Herausgeber ein
setzte. Geschmackvolle Buntpapiere gab es so
wenig wie geschmackvolle Bücher und Buch
ausstattungen. Auf die Toilette des Buches sah
man nicht. Die sogenannten Prachtbände para
dierten in trüben grauen Mustern, in denen
schmutziges Braun und Gelb den Hauptanteil
hatten. Über Buchschmuck und Buchillustration
herrschten unklare, rückständige Anschauungen,
das Plakat stand mit dem Ankündigungsinhalt
in keinem oder nur sehr losem Zusammen
hang, die Schrift entbehrte jeder individuellen
Regung und der Holzschnitt war im Illustra
tionsdienst des Zeitschriftenwesens künstlerisch
verkommen und zum leeren Handwerk herab
gesunken. Ebenso waren alle übrigen Zweige
des Flächenschmucks und der dekorativen
Malerei einer langweiligen, gedankenlosen Rou
tine verfallen.
Unter solchen Umständen mag es einiger
maßen erklärlich sein, daß die Kühnheit und
Originalität, mit der „Die Fläche“ von Anfang
an überraschte, die Ahnungslosen zum Wider
spruch reizte, die durch die stumpfsinnige Ge
wohnheit zur unvertilgbaren Denkfaulheit er
zogen waren. Mannigfache Hemmnisse traten
der Entwicklung und dem Fortgang der Sache
in den Weg, Verständnislosigkeit, ungerechte
Kritik, Übelmeinung, die es freilich nicht
verhindern konnten, daß sich die darge
stellten neuen dekorativen Werte mit über
raschender Schnelligkeit durchsetzten, daß die
anfangs ablehnende Fachkritik ihre Meinung
alsbald einer gründlichen Revision unterzog,
und daß der Kreis der Anhängerschaft täglich
größer wird. Das haben die beteiligten Faktoren,
Herausgeber und Verlag vorausgesehen und
sind unbeirrt den rechten Weg gegangen, in
der ruhigen Gewißheit, daß eine ganze Gene
ration aus diesem „standardwork“ Anregungen
schöpfen wird.
Im Illustrationswesen, in der Buchausstat
tung, im Plakat, in den Textilien, den Möbel-
und Kleiderstoffen etc. sehen wir heute schon
vielfach die moderne Formenanschauung wirk
sam, sie geht weiter und befruchtet die private
und häusliche Kunstpflege, vor allem jenen
grundlegenden Teil der Kunst im Hause, die
weiblichen Handarbeiten, die bisher unter einem
furchtbar verrotteten Geschmack und der völ
ligen Herrschaft der Schablone standen. Es ist
nicht leicht, ein Gebiet der dekorativen Künste,
darin „Die Fläche“ nicht zeigen könnte, was
das Leben nötig hat. Man findet alles darin,
nur das Überflüssige nicht.
JOSEF AUG. LUX.