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Volltext: Wiener Silber 1780 - 1866 : Tabaksdosen

STEPHAN EDLER VON KEESS: DIE GOLD = UND SILBERARBEITEN 
Einen guten Überblick über die Techniken der Gold- und Silberschmiede zur Zeit des 
Biedermeier gibt Stephan Edler von Keeß im Jahre 1823 (Darstellung des Fabriks = und 
Gewerbswesens im österreichischen Kaiserstaate. Vorzüglich in technischer Bezie 
hung. Zweyter Theil, Zweyter Band, Wien, 1823, S. 437-447): 
Die Gold = und Silberarbeiten. 
Gold = und Silberarbeiter ist im Allgemeinen zwar Jeder, der Gold und Silber verarbeitet, im 
engern Sinne aber versteht man unter dem Nahmen Goldarbeiter, Goldschmied, Silberarbei 
ter nur solche Professionisten, welche aus Gold und Silber verschiedene Geräthe, Geschirre, 
Galanteriewaaren und sogenannte Pretiosen verfertigen. Diese Arbeiter bilden im Jniande 
eigene Jnnungen, weiche allenthalben den k. k. Münzämtern untergeordnet sind, und für die 
Wiener Jnnung der bürgert. Gold = und Silberarbeiter besteht seit 18. October 1775 eine 
Handwerks = Ordnung. Die Lehrzeit ist darin auf 6 Jahre festgesetzt. Jeder Gold = und Silber 
arbeiter, der ein Meisterrecht oder Befugniß erhalten hat, ist hier nicht bloß zur Verfertigung 
der Gold = und Silbergefäße, sondern auch der Galanteriearbeiten befugt, weiche letztere 
keiner besondern Gewerbsclasse zugewiesen sind. Die Befugnisse hierzu dürfen aber nur 
solchen Jndividuen ertheilt werden, weiche bey dem Hauptmünzamte in der Legirung des 
Goldes und Silbers und in der Münzrechnung Prüfung gemacht, bey der Graveur = Akademie 
im Zeichnen und Bossiren Proben ihrer Fähigkeit abgelegt, und endlich die eigentlich Ar- 
beits = oder Meisterprobe verfertiget haben. Diese Meisterstücke sind nach der Jnnungs = 
Ordnung: bey den Silberarbeitergesellen ein getriebener und vergoldeter Kelch, oder ein an 
deres verkäufliches Stück, woran die Kunst des Gesellen hinlänglich zu ersehen ist; bey den 
Goldarbeitergesellen ein mit echten Steinen gefaßtes Schmuckstück, z. B. ein Kamm, Orge- 
hänge etc.; bey den Galanteriearbeitergesellen eine gravirte und ciselirte goldene Dose oder 
ein anderes zum Beweise der erforderlichen Fähigkeit wohl ausgearbeitetes Stück. Übrigens 
bestehen für die Gold = und Silberarbeiter noch viele politische Anordnungen, welche, in so 
weit sie auf das Gewerbe als solches Beziehung haben, am gehörigen Orte in Kürze berührt 
sind. 
Die Gold = und Silberarbeiter verarbeiten Gold und Silber, zuweilen auch Platina, und bedie 
nen sich hierzu verschiedener Mittel, Handgriffe und Werkzeuge. Das Gold darf nur auf fün- 
ferley Art legirt verarbeitet werden: 1) mit reinem Silber, 2) mit reinem Kupfer, 3) zur Hälfte 
mit Silber und zur Hälfte mit Kupfer, 4) mit % Kupfer und 1 / 3 Silber, 5) bey emaillirten Arbeiten 
mit % Silber und 1 / 3 Kupfer. Goldwaaren, weiche 4 Ducaten und darüber wiegen, sollen nur 
nach drey Nummern gearbeitet werden, so, daß das Gewicht eines Ducaten bey Nr. 1: 1 fl. 
30 kr., bey Nr. 2:2 ff 30 kr., bey Nr. 3: 3 ff 30 kr. an feinem Golde hält (vgl. Th. I. Metalle); alle 
minderen Waaren bleiben dem Übereinkommen des Käufers und Arbeiters überlassen. Das 
Silber darf nur mit rothem Kupfer legirt seyn, und soll 13 oder 15löthig verarbeitet werden 
(vgl. Th. I. Metalle). Das Scheiden und Abtreiben ist keinem Gold = und Silberarbeiter gestat 
tet, sondern diese Arbeiten sotten immer in den Münzämtern geschehen. 
Die Silberarbeiten theiien sich vornehmlich in die Hammerarbeit, die getriebene, die Punzar- 
beit und die Filigranarbeit, daher es in den Werkstätten der Silberarbeiter auch mehrerley Ge 
sellen gibt, z. B. Hammerarbeiter, welche das Silber zu Gefäßen ausschlagen (treiben), und 
Punzarbeiter (Ciselirer), welche mit Punzen die verschiedenen Verzierungen machen u. s. w. 
Die gehämmerte oder geschlagene Arbeit ist die einfachste von allen, und unterscheidet sich 
wenig von anderen Metallarbeiten. Viele Arbeiten werden durch das Gießen vorbereitet. Der 
Goldarbeiter verfertiget nähmlich zuerst ein Modell, druckt selbes in der Gießflasche, worin 
feiner Formsand sich befindet, ab, und gießt in diese Gießflasche das geschmolzene Gold 
oder Silber. Manche pflegen dabey dem Golde die Sprödigkeit dadurch zu benehmen, daß 
sie dasselbe im Schmelztiegel weich werden lassen, bis es nahe daran ist, zu fließen, und 
dann etwas gepulverten Salpeter darauf werden; beym Silber aber ist roher Weinstein in 
Stücken besser, als der Salpeter. Es entsteht ein kleiner Bück, und in demselben Augen 
blicke wird das Metall ausgegossen. Nicht alle Silberarbeiter gießen selbst, sondern die mei 
sten lassen bey den Gelbgießern gießen, weiche hierbey eben so verfahren, wie beym Me 
tall = oder Messinggusse (vgl. Geibgießer = Arbeiten). Insbesondere ist dieß bey Verzierun 
gen u. dgl. der Fall. Zu anderen Arbeiten gießen die Silberarbeiter Silberstangen in Gießbuk- 
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