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Volltext: Glas 1905 - 1925 : vom Jugendstil zum Art deco

sige Glasart, die denn auch dem gesamten Glasgewerbe das Gepräge gab. Dieses harte 
Glas ist nicht so bildsam wie z. B. das Glas, welches in Murano erschmolzen und gleich 
am Ofen bei der Verarbeitung verziert wird. Es setzt der Formgebung und Verarbeitung 
am Ofen einen gewissen Widerstand entgegen und weist so aus sich selbst schon - 
nach der allgemeinen Formgebung am Ofen - auf die Veredlung durch die Bemalung, 
das Kugeln und durch den Glasschnitt hin. Fast zum Verhängnis wurde dem nordböhmi 
schen Glasgewerbe der Nachteil des harten, wenig glänzenden Glases, als der soge 
nannte böhmische Steindlschliff von Frankreich und England auf ihr funkelndes Bleiglas 
angewendet wurde und Böhmen, da alles nach dem Neuen griff, sich seiner Kundschaft 
beraubt sah. Nun verstanden es die damaligen böhmischen Gewerbetreibenden aber 
doch, aus dem Nachteil ihrer Glasart einen Vorteil zu machen, indem sie die Härte in 
Hinsicht auf die Malerei und die heimischen Fachfertigkeiten ausnützten, sich des Gelb 
und Rotbeizens bedienten und sich den farbigen Übertang zunutze machten . .. [Die] 
uralten Fachfertigkeiten für die Glasveredlung werden heute noch aufs mannigfachste 
verwendet, so das Glasschneiden (Gravieren), das Kugeln von Kristall- und Überfang 
glas, das Gelb- und Rotbeizen, das Glasmalen in seiner Vielseitigkeit, das Glasschleifen, 
das Tief- und Mattätzen u. a. m. Heute werden hier einerseits Massenerzeugnisse, aber 
auch die durchdachtesten und höchststehenden Glaskunstwerke hergestellt... Die 
Staatsfachschulen suchten nun vorerst die Wirkung der alten künstlerischen Aus 
drucksmittel durch neue, dem neuzeitlichen Empfinden mehr entgegenkommende zu 
ersetzen, brachen sodann mit den Überlieferungen vollständig und schufen in der Form 
sowie in der schmückenden Zier ganz Neuartiges ... Es wurden alle im Glasgewerbe 
auf uns überkommenen Werktätigkeiten herangezogen und für die neuen Schmuckge 
danken ausgenützt; aber auch neue Werktätigkeiten wurden ersonnen, wie das Schnei 
den mit Formrädern, das Edelschwarz, das Ziehen der Farbe, der Edelschmelz, Zier 
saum u. a. m.... Im Glasmalen wurden all die verschiedenen Fachfertigkeiten, wie: die 
Malerei mit deckenden und durchsichtigen Glasfarben, Mattätzung und Tiefätzung, 
Gelb- und Rotbeize, Schwarzlot und Gold sowie verschiedene Zusammenziehungen 
dieser, wie Malerei mit Kuglerei und Kuglerei mit Glasschnitt mit viel Erfolg von Lehrern 
und Schülern geübt 
Einen guten Einblick in die Diskussion um das Bleiglas im Haida-Steinschönauer Gebiet 
gewährt uns die um 1915 geführte Diskussion, in die sowohl Julius Leisching, Direktor 
des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie als auch Albert Ritter von Kralik 
(Meyr’s Neffe in Adolf bei Winterberg in Böhmen) sowie der Verband der nordböhmi 
schen Glasindustriellen eingriffen. In der Folge sind ihre Stellungnahmen wiedergege 
ben, wobei festzuhalten ist, daß Leisching und Kralik vor zu großer Bevorzugung des 
Bleiglases warnte (die Schriftstücke werden im Archiv des Österreichischen Museums 
für angewandte Kunst aufbewahrt): 
Dr. Eduard Leisching, Direktor des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie 
(Schreiben vom 4. 8. 1915 an das Gewerbeförderungsamt in Wien) 
„Obwol ich mit den Wünschen der Haida-Steinschönauer Industrie nach umfangreicher Erlangung 
von Bleiglas seit längerer Zeit vertraut bin und mir auch die Bedeutung dieses Glases vor Allem 
vom Standpunkte der Bekämpfung der ausländischen (englischen, französischen, belgischen, 
deutschen) Konkurrenz, welche sich dieses Materiales seit Langem mit größtem Nachdrucke be 
dient, genau bekannt ist, muß ich doch aus kunsttechnischen und damit zusammenhängenden 
wirtschaftlichen Erwägungen davor warnen, sich der jetzt vielfach und vor Allem in Haida-Stein- 
schönau verbreiteten Meinung hinzugeben, dass es wünschenswert und ersprießlich wäre, das 
Bleiglas, dessen eigenartige Vorzüge ich anerkenne, auch bei uns mit allen Mitteln zur Vorher 
schaft über das Kaliglas zu bringen und dieses zu verdrängen. Damit würde eine Spezialität Oester 
reichs verschwinden, auf welcher der Ruhm dieses alten Glasmacherlandes beruht; gerade in der 
Erhaltung von Spezialitäten liegt die Bedeutung des heimischen Kunsthandwerks. 
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