sige Glasart, die denn auch dem gesamten Glasgewerbe das Gepräge gab. Dieses harte
Glas ist nicht so bildsam wie z. B. das Glas, welches in Murano erschmolzen und gleich
am Ofen bei der Verarbeitung verziert wird. Es setzt der Formgebung und Verarbeitung
am Ofen einen gewissen Widerstand entgegen und weist so aus sich selbst schon -
nach der allgemeinen Formgebung am Ofen - auf die Veredlung durch die Bemalung,
das Kugeln und durch den Glasschnitt hin. Fast zum Verhängnis wurde dem nordböhmi
schen Glasgewerbe der Nachteil des harten, wenig glänzenden Glases, als der soge
nannte böhmische Steindlschliff von Frankreich und England auf ihr funkelndes Bleiglas
angewendet wurde und Böhmen, da alles nach dem Neuen griff, sich seiner Kundschaft
beraubt sah. Nun verstanden es die damaligen böhmischen Gewerbetreibenden aber
doch, aus dem Nachteil ihrer Glasart einen Vorteil zu machen, indem sie die Härte in
Hinsicht auf die Malerei und die heimischen Fachfertigkeiten ausnützten, sich des Gelb
und Rotbeizens bedienten und sich den farbigen Übertang zunutze machten . .. [Die]
uralten Fachfertigkeiten für die Glasveredlung werden heute noch aufs mannigfachste
verwendet, so das Glasschneiden (Gravieren), das Kugeln von Kristall- und Überfang
glas, das Gelb- und Rotbeizen, das Glasmalen in seiner Vielseitigkeit, das Glasschleifen,
das Tief- und Mattätzen u. a. m. Heute werden hier einerseits Massenerzeugnisse, aber
auch die durchdachtesten und höchststehenden Glaskunstwerke hergestellt... Die
Staatsfachschulen suchten nun vorerst die Wirkung der alten künstlerischen Aus
drucksmittel durch neue, dem neuzeitlichen Empfinden mehr entgegenkommende zu
ersetzen, brachen sodann mit den Überlieferungen vollständig und schufen in der Form
sowie in der schmückenden Zier ganz Neuartiges ... Es wurden alle im Glasgewerbe
auf uns überkommenen Werktätigkeiten herangezogen und für die neuen Schmuckge
danken ausgenützt; aber auch neue Werktätigkeiten wurden ersonnen, wie das Schnei
den mit Formrädern, das Edelschwarz, das Ziehen der Farbe, der Edelschmelz, Zier
saum u. a. m.... Im Glasmalen wurden all die verschiedenen Fachfertigkeiten, wie: die
Malerei mit deckenden und durchsichtigen Glasfarben, Mattätzung und Tiefätzung,
Gelb- und Rotbeize, Schwarzlot und Gold sowie verschiedene Zusammenziehungen
dieser, wie Malerei mit Kuglerei und Kuglerei mit Glasschnitt mit viel Erfolg von Lehrern
und Schülern geübt
Einen guten Einblick in die Diskussion um das Bleiglas im Haida-Steinschönauer Gebiet
gewährt uns die um 1915 geführte Diskussion, in die sowohl Julius Leisching, Direktor
des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie als auch Albert Ritter von Kralik
(Meyr’s Neffe in Adolf bei Winterberg in Böhmen) sowie der Verband der nordböhmi
schen Glasindustriellen eingriffen. In der Folge sind ihre Stellungnahmen wiedergege
ben, wobei festzuhalten ist, daß Leisching und Kralik vor zu großer Bevorzugung des
Bleiglases warnte (die Schriftstücke werden im Archiv des Österreichischen Museums
für angewandte Kunst aufbewahrt):
Dr. Eduard Leisching, Direktor des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie
(Schreiben vom 4. 8. 1915 an das Gewerbeförderungsamt in Wien)
„Obwol ich mit den Wünschen der Haida-Steinschönauer Industrie nach umfangreicher Erlangung
von Bleiglas seit längerer Zeit vertraut bin und mir auch die Bedeutung dieses Glases vor Allem
vom Standpunkte der Bekämpfung der ausländischen (englischen, französischen, belgischen,
deutschen) Konkurrenz, welche sich dieses Materiales seit Langem mit größtem Nachdrucke be
dient, genau bekannt ist, muß ich doch aus kunsttechnischen und damit zusammenhängenden
wirtschaftlichen Erwägungen davor warnen, sich der jetzt vielfach und vor Allem in Haida-Stein-
schönau verbreiteten Meinung hinzugeben, dass es wünschenswert und ersprießlich wäre, das
Bleiglas, dessen eigenartige Vorzüge ich anerkenne, auch bei uns mit allen Mitteln zur Vorher
schaft über das Kaliglas zu bringen und dieses zu verdrängen. Damit würde eine Spezialität Oester
reichs verschwinden, auf welcher der Ruhm dieses alten Glasmacherlandes beruht; gerade in der
Erhaltung von Spezialitäten liegt die Bedeutung des heimischen Kunsthandwerks.
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