strie sogar Gefahr läuft, mit geschliffenen Gläsern vom Weltmärkte ganz verdrängt zu werden. Da
bei ist zu berücksichtigen, daß in Friedenszeiten in dem Industriegebiete Haida-Steinschönau viel
leicht über 600 Kuglerstühle und viele Schleifzeuge in tätigkeit sind. Erst in letzter Zeit haben
heimische Industrielle durch die Schulglashütte der k. k. Fachschule Haida angeregt und von ihr mit
Rohprodukt versehen, Versuche mit Bleiglas angestellt und sowohl beste Erfolge im Produkt
selbst als auch beim Verkauf gehabt. Einer umfangreichen Verwendung von Bleiglas in unserer Hei
mat stehen aber einige schwere Hindernisse im Wege. Vor allem ist in Oesterreich das in den Hüt
ten zur Bleiglaserzeugung nötige Minium gegenüber dem Auslande im Preise viel höher, weiters ist
in dem Industriegebiete Steinschönau-Haida noch keine der Hütten auf die Erschmelzung von Blei
glas eingerichtet; zu letzterem wird betont, daß Bleiglas hier im Bezirke von einer sogenannten
Rohglashütte - also einer Hütte, welche die Gläser nicht selbst schleifen läßt - erzeugt werden
müßte, einerseits um Bahnfrachtspesen zu vermeiden und anderseits die Konkurrenz mit einer
selbstraffinierenden Hütte zu umgehen.
Das k. k. Ministerium wird nun von dem Unterzeichneten Verbände gebeten, hier helfend einzugrei
fen und folgendes durchzuführen;
1. ) Es in die Wege zu leiten, daß Minium aus den staatlichen oder staatlich verpachteten Bleiberg
werken an Glashütten im Industriegebiete Steinschönau-Haida zum Zwecke der Erschmelzung
von Bleiglas zu einem besonderen Minimalpreise abgegeben werde.
2. ) Derjenigen Hütte, welche die Herstellung von Bleirohglas ausschließlich nur für die Raffineure
des Industriegebietes sich einrichtet und sich verpflichtet, eine festzustellende Zeit lang den Be
trieb aufrecht zu erhalten eine Subvention zuzuwenden.
Der gefertigte Verband bittet das k.k. Ministerium um geneigte Fürsorge für die von ihm vertretene
Industrie und hofft auf eine wohlwollende Erfüllung seiner begründeten Bitte.“
Von Albert Ritter von Kralik (Firma Meyr’s Neffe in Adolf bei Winterberg, Böhmen) ist uns ein Be
richt über Bleiglaserzeugung (22.7. 1915) erhalten:
„In Anbetracht dessen, dass die ausländische Lieferung von Bleiglas abgeschnitten ist und schon
vor dem Kriege Nachfrage nach demselben war, ist die Sache der Erzeugung von Bleiglas im In
lande eine Frage geworden, die von Wichtigkeit erscheint. Da aber das Bleiglas eine Spezialität des
Auslandes ist und erst in letzter Zeit im Inlande verschiedene Versuche gemacht wurden dasselbe
zu erzeugen und konkurrenzfähig zu machen, so tritt dasselbe zugleich in Konkurrenz mit dem ein
heimischen Spezialglas, sogenanntes .Böhmisches Kristallglas' und ist es für die Industriellen in
Glas sehr wichtig diese Frage richtig zu beurteilen. Jedenfalls ist die Nachfrage hier! Auf Grund
dessen wäre es angezeigt, dass sich die böhmische Glasindustrie für die Erzeugung von Bleiglas
interessiert und die Erzeugung in die Hand nimmt. Natürlich ganz selbstständig event. mit Unter
stützung der Regierung; kann aber nie zugeben, dass die Idee einer von der Regierung subventio
nierten neuen Hütte zu diesem Zwecke erfolgt, da dadurch die bereits bestehende Glasindustrie in
Böhmen, welche sowieso einen sehr schweren Kampf kämpft, mit Steuergeldern geschädigt wer
den würde. Wir verweisen nur auf die zu weit gegangene Ausnützung des Haidaer Versuchsofens,
welcher mit Steuergeldern subventioniert durch Abgabe von Rohglas an die Raffineure und selbst
ständigen Auftretens mit seinen Artikeln den Glasfabrikanten direkt Konkurrenz machte. In dieser
Art darf nicht vorgegangen werden, sondern wäre es immer angezeigt sich mit einzelnen führen
den Firmen der Branche ins Einverständnis zu setzen um die Sache auf richtiger Grundlage im In
teresse der heimischen Industrie zu besprechen. Wie ich hörte, ist das Projekt einer Glashütte für
die Versorgung der Raffinerien Haidas mit Rohglas ein altes Projekt und wollten die Raffineure sei
nerzeit selbst eine Genossenschaftshütte bauen.
Nach Angabe des österr. Museums für Kunst und Industrie wurde das .Arbeitsministerium vom Ver
bände der nordböhmischen Glasindustriellen diesbezüglich angegangen und ist es mir unerklär
lich, warum nicht einer der Fabrikanten selbst mit Unterstützung der Regierung die Bleiglaserzeu
gung in die Hand nimmt, was trotz der Anfangsschwierigkeiten möglich wäre. Jedenfalls setzt
diese Frage von der Wichtigkeit derselben in kaufmännischer Hinsicht voraus, dass man alle Mittel
und Wege findet, um ein Bleiglas herzustellen, welches dem ausländischen vollkommen ebenbürtig
ist. Die Erzeugung des Bleiglases selbst ist ja kein Geheimnis und ist in allen Handbüchern enthal
ten. Nur ist es immer zweierlei die Theorie praktisch zur Ausführung zu bringen und da wird es in
Anbetracht des grossen Unterschiedes in der Härte desselben durch den Bleigehalt meiner An
sicht nach sehr schwierig sein, unsere Arbeitskräfte zur Ausarbeitung des Glases heranzuziehen.
Bei grossen einfachen Stücken, wie Schalen etc. wird es leichter gehen, aber bei schwächeren zu
sammengesetzten, sagen wir Stielsachen, fürchte ich diese genannten Schwierigkeiten sehr. Es ist
aber nicht ausgeschlossen und im Bereich der Möglichkeit, dass alle diese Schwierigkeiten über
wunden werden können. Das sogenannte Halbbleiglas ist eben nur ein Behelf um diese Schwierig
keiten auszugleichen und das Glas billiger zu machen, denn der hohe Gehalt von Blei bedingt einen
bedeutend höheren Rohpreis. Die Schwierigkeit des Ueberganges vom Bleiglas zum Kaliglas in der
Bearbeitung des ersteren ist bei den anderen Arbeitsbranchen, Schleifern und Graveuren minder
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