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Volltext: Glas 1905 - 1925 : vom Jugendstil zum Art deco

SCHNEIDEN (GRAVIEREN) 
Darunter versteht Springer die „Verzierung der Giasoberfläche mit feinen Linien und Mu 
stern (mit sich senkrecht drehenden Gravierrädchen meist aus Kupfer für die Mattgra 
vur, aus Blei für Polieren)“. 
Wieder dürfen wir auf Strehblows Beschreibung einer Technik zurückgreifen (Strehblow 
1920, S. 75): 
„Das Glasschneiden ist eine Fachfertigkeit, bei welcher das Werkstück an ein lotrecht 
laufendes Schneiderädchen angedrückt wird. Die Arbeit geschieht am Glasschneide 
stuhl, auch Schneidezeug genannt. .. Der Arbeitende sitzt nun, die Ellenbogen auf die 
Tischplatte gestützt... die Arme und die das zu zierende Glasstück haltenden Hände 
erhoben, wobei das gerade vor ihm von oben her gegen den Arbeitenden laufende 
Schneiderädchen in solcher Höhe vom Glasschneidestuhl getragen wird, daß ein An 
drücken des Werkstückes an den Umfang des Rädchens von vornuntenher leicht mög 
lich ist. . , Die schon erwähnten Spindeln sind aus Stahl... Die Schneideräder sind nun 
der Art ihres Schneidezweckes entsprechend verschieden groß, verschieden dick und 
ihr Umfang verschieden geformt. Es ist klar, daß zum Schneiden eines Fingers oder der 
Nase eines kleinen Figürchens - manchmal ist so ein Fingerchen noch keinen Millimeter 
lang - äußerst kleine Rädchen benützt werden müssen; es ist ein und das andere oft 
noch nicht so groß, als ein Stecknadelkopf. In diesem Falle kann man auch gar kein Kup 
ferscheibchen, das diese Kleinheit hätte, auf die Spindel mehr aufnieten und man behilft 
sich dann damit, daß man geradewegs aus der Stahlspindel selbst das so kleine Räd 
chen ausdreht. Zu langen geraden iinienartigen Schnitten wird man wieder größere Rä 
der benützen; die größten solchen haben ungefähr 10 cm Durchmesser, welches Maß 
selten überschritten wird . . . Aber nicht alle die Arbeitsrädchen sind aus Kupfer: zum 
hochglänzen benützt man solche aus Blei, bei größeren Schnitten solche aus Pappel 
holz, noch besser aus dem Holze des Pfaffenhüteis; als Glänzmittel kommt stets Kugler- 
schlamm zur Verwendung. Wünscht man alle Stellen des Glasschnittes ganz und gar ge 
glänzt, so benützt man ein Borstenrad .. .-mit Schlamm. 
Wenn die gesamte Schnittweise tief eindringt, so spricht man von ,Tiefschnitt‘, sonst 
von ,Flachschnitt 1 . Man kann aber auch flüchtig, mit geringem Druck fast ohne Tiefe 
über das Glas hinweggleiten - .rutschen 1 , wie man diese Art bezeichnet. . . Das 
ln=das=Glas Schneidende ist aber gar nicht das weiche Kupferrädchen - Kupfer ist ja 
viel weicher als Glas. Das Schneidende ist Schmirgel, der in einem flachen, muldenarti 
gen Blechnäpfchen mit gewöhnlichem Öl (auch Brennöl) zu einem Brei vermischt wor 
den ist; eine geringe Zugabe von Petroleum verstärkt die schneidende Wirkung ... Der 
Schnitt selbst, wie ihn das Kupferrädchen und der Schmirgel ergibt, ist ein zart silbrig 
weißer Ton am durchsichtigen Glas. Manche Stellen, wie z. B. die Perlen in einer Krone, 
oder die Wasserperlen eines Springbrunnens, die Staubgefäße einer Blume können ge 
glänzt werden und leuchten dann mit den ihrer Krümmung entsprechenden Glanzlicht 
chen wunderschön. Um z. B. Fleischteile einer Figur gegen die Kleidung im weißen Ton 
zu unterscheiden, wird das eine oder das andere mit Korkrädern und Schlamm ... auf 
gehellt, also das ursprünglich gleiche Weiß dem Ton des unbearbeiteten Glases näher 
gebracht; noch heller wird das Matt, wenn vor der Aufhellung mit dem Korkrade erst mit 
dem Holzrade vorgehellt worden ist. . . Des Schneiderades Größe, dessen Dicke, des 
sen Zurichtung, die Schnittart, das Einwirken am Platz, das Ziehen und Drücken, die Zeit 
der Einwirkung, das Matt=stehen=lassen oder das Aufhellen und Glänzen, Kupferräder, 
Bleiräder, Holzräder, alle Feinheiten des Schmirgels ergeben eine solche Unsumme von 
Wirkungsmöglichkeiten, die es ausschließen, eine weitergehende Beschreibung des 
Glasschneidens wie bisher zu geben. Bei kaum einer anderen Handfertigkeit ist so 
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