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täuschen, daß gut angezogene Modelle in historischen Kostümen malerische Fähigkeiten
nicht ersetzen können, daß die Innerlichkeit zur Beseelung religiöser Probleme heute
seltener wie jemals auftritt.
Und dann das Überwiegen von Porträten mondäner Schönheiten nach alten englischen
und französischen Vorbildern, mit den unzähligen Varianten von Atelierrequisiten, die stets
neue Sensationen äußerlichster Art bewirken wollen. Man weiß, daß gerade diese Arbeiten
gesellschaftliche Ereignisse, unerschöpflichen Gesprächsstoff der Salons bilden und für
einzelne auch erhebliche materielle Vorteile mit sich bringen. Diese Absichten merkt man
leicht, und sie verstimmen um so mehr, als die Arbeiten, welche ihnen dienen, unzweifel-
hafte Geschicklichkeit in der äußeren Mache besitzen, zeichnerische, maltechnische, farbige
Fertigkeiten zeigen H nur keine höhere künstlerische Qualität.
Unter diesen lauten und vordringlichen Stimmen leiden die ruhigen und gediegenen,
die verstreut in den einzelnen Sälen zu finden sind. Da sind einige interessante Gäste wie
Opsomer (Lierre), l-Iambüchen (Düsseldorf), Liebermann (München), Gr. Blahy (München),
Kunwald (Pest), Pick (Baden) zu nennen, die man mitunter recht abseits gehängt hat.
Dann sind alte Stützen der Genossenschaft wie Tina Blau, M. Egner unter den Damen;
Stauffer, Js. Kaufmann und andere mit diskreten, aber ernsten Arbeiten. Eine frische Kopf-
studie Jungwirths erfreut mehr wie die großen figurenreichen Bilder, die innerlich so
arm sind. Ähnliches erlebt man bei der Plastik, wo Minnes Studienkopf die gefälligen,
glatten Arbeiten anderer so weit überragt. Nur Wollek vermag durch seine persönliche
Eigenart daneben zu erfreuen.
Es ist leicht erklärlich, daß der Hagenbund mit seiner gewählteren, ernsteren Kollek-
tion und dem geschlosseneren Eindruck sehr im Vorteil ist. Die dekorativen Arbeiten
Barwigs beherrschen die vorgefiihrte Plastik durch ihre gediegene Ruhe und Sicherheit,
während Laske mit seinen trefflichen Städtebildern und seinem amüsanten Bild des
heiligen Franziskus von Assisi durch sein bewegliches Talent hervorsticht. Michl und Graf
haben von den Franzosen viel gelernt; ebenso scheint O. Nejedly mit interessanten Studien
aus Ceylon von Paris (oder Tahiti) angeregt zu sein. Wenn solche Anregungen persönlich
verarbeitet werden, bilden sie eine wertvolle Schulung.
Unter dem Einfiuß einer solchen stehen die meisten Arbeiten dieser Künst1ervereini-
gung, die ein gutes Niveau standhaft bewahrt, trotzdem der Kampf um ihre künstlerische
Überzeugung so große Opfer fordert.
Je mehr die leicht verkäufliche gefällige Produktion reussiert, desto anerkennens-
werter wirkt die Standhaftigkeit, die künstlerische Werte hochhält. Es ist eine Aner-
kennung dieser Werte, daß die einst schroffen Gegensätze zwischen alter Genossenschaft
und jüngerer Verbrüderung nun durch Gastfreundschaft ausgeglichen und zurückgestellt
wurden.
ALERIE MIETHKE. Im Parterre waren Franzosen, im ersten Stockwerk ein
alter Wiener Meister neu zu sehen. Man kann nicht sagen, daß die Auswahl der
Vorführung ihre besondere Note hatte. Man muß sogar bedauern, daß von dem so lange
produktiven Renoir Werke gezeigt werden, die bedenklichen Mangel an Qualität besitzen.
Der Kunsthandel ist bei großen Namen nicht sehr wählerisch. Es finden sich leider auch
allzu oft Sammler, für die der Name und nicht die Qualität maßgebend bleibt.
Jene aber, die so gerne das Interesse für französische Kunst als reines Kunsthändler-
manöver bezeichnen, haben leichtes Spiel, wenn man wie hier von Renoir, Puvis de Cha-
vannes, Manet und andern Dinge sieht, welche die Künstler selbst der Öffentlichkeit vor-
enthalten hätten.
Einige feine jüngere Franzosen entschädigen für den Nachteil, der hier der älteren
Garde erwächst.
Auf Waldmüllers großes Familienbild konnte man mit Recht gespannt sein, nachdem
die Ößentlichkeit so nachdrücklich auf die Entdeckung und Erwerbung dieses Bildes auf-