Wenn man eine Lösung von Wasserglas auf ein gewöhnliches Glas aufträgt, und zwar in dün
nen Schichten, so geht der eben beschriebene Prozeß vor sich; es scheint aber, daß vor der
Zersetzung das Wasserglas die Glasmasse selbst etwas angreift und in chemische Verbin
dung mit derselben tritt. Wäscht man nach einigen Tagen jene Stellen des Glases, welche mit
der Lösung des Wasserglases bestrichen wurden, mit Wasser ab, so merkt man, daß das
Wasser eine gewisse Veränderung erlitten habe, obwohl es seine Durchsichtigkeit vollkom
men beibehalten hat.
Hat man den Versuch in der Weise gemacht, daß man der Wasserglaslösung durch inniges
Zusammenreiben einen Farbstoff inkorporiert hat, so erscheinen die betreffenden Stellen
ebenfalls gefärbt und ist es selbst durch Kratzen mit einem scharfen Messer nicht mehr mög
lich, die farbigen Stellen zu entfernen.
Man kann dieses Verhalten in sehr zweckmäßiger Weise benützen, um in einfacher Art Gläser
mit Verzierungen und verschiedenen Farben zu versehen. Was die Wahl der Farben betrifft,
muß man immer solche verwenden, welche durch Alkalien nicht angegriffen werden; man ver
wendet Eisenoxyd, Chromoxyd, Manganoxyd, Graphit und kann auch fein geschlagenes Sil
ber, Aluminium oder Gold mit dem Wasserglase verreiben. Besonders geeignet erweisen
sich als Farbstoffe sehr satt gefärbte Gläser, wie Kupferrubin, goldbraunes Eisenoxydglas,
blaues Kobaltglas, grünes Glas und farbige Emaillen, welche durch Mahlen und Schlämmen
in sehr zarte Pulver verwandelt wurden. Diese Pulver erscheinen dann, wenn sie mit dem
Wasserglase auf das Glas gebracht wurden, in ihren eigentlichen Farben. Bei der Herstellung
der Farben muß man auf die eigenschaft des Wasserglases, sich an der Luft zu zersetzen,
Rücksicht nehmen. Man stellt daher die Farben in der Weise dar, daß man die Pulver mit der
entsprechenden Menge Wasserglas mengt - man nimmt gerade nur so viel Wasserglas, daß
die Farben dickbreiig ausfallen und läßt das Gemische schnell einige Male durch eine Far
ben = Reibmaschine gehen, bis es ganz gleichförmig geworden ist. Die fertiggestellten Far
ben werden dann sogleich in luftdicht verschließbare Gefäße abgefüllt und bleiben in diesen
unverändert. Wenn mit diesen Farben gemalt werden soll, nimmt man eine gewisse Menge
der dickflüssigen Masse aus dem GEfäße und verdünnt sie, um hellere Farbentöne zu erhal
ten, mit Wasserglaslösung, bis man die gewünschte Farbe erhalten hat. Diese wird so wie
eine Aquarell = oder Ölfarbe auf das Glas gestrichen und kann man nach einigen Tagen auf
die trocken gewordenen Stellen neuerdings Wasserglasfarben auftragen. Wenn man z. B.
zuerst eine Stelle mit Blau bemalt hat und trägt nun auf dieses Blau Gelb auf, so ergibt sich
Grün. Wendet man Rot an, so erhält man Violett usw. Die Wasserglasfarben sind nämlich
durchsichtig und entstehen die Farbenwirkungen dadurch, daß sich die übereinander liegen
den Farben ergänzen: blau mit gelb zu grün, blau mit rot zu violett usw.
Da weiche Gläser bekanntlich am leichtesten angegriffen werden, so wählt man zur Herstel
lung der Wasserglasmalereien am besten derartige Gläser, und haften auf diesen die Farben
so fest, als wenn sie eingebrannt wären.
Es hängt von der Art der herzustellenden Malerei ab, ob man farbloses Glas als Unterlage
verwenden will oder ob man ein farbiges Glas als solche benützt. Sehr schöne Wirkungen
lassen sich auf Gläsern erzielen, welche durch Eisenoxyd einen goldbraunen Ton erhalten ha
ben oder welche ein ziemlich dunkles Grün zeigen. Wenn man reine Metalle zu dieser Art von
Malerei verwendet, so kann man die Farben.entweder so hersteilen, daß die metallische
Farbe bloß im zurückgeworfenen Lichte erscheint, oder auch, daß sie selbst im durchfallen
den Lichte ihr metallisches Aussehen beibehält. Im ersteren Falle verwendet man zur Herstel
lung der Farbe, mit welcher gemalt werden soll, nur eine stark verdünnte Metallfarbe; die
Teilchen des Metalles liegen in dieser weit auseinander; sie bewirken zwar im zurückgeworfe
nen Lichte das metallische Aussehen, aber nicht im durchfallenden. In letzterem kommt die
metallische Farbe erst zur Geltung, wenn die Metallflitterchen einander so nahe liegen, daß
kein Licht dazu dringen kann.
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