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Wilhelm von Lindheim.
Nowgorod, Orel und Perm. Das DorfKimri und 49 benachbarte Ortfchaften
bilden den Mittelpunkt derfelben. Man zählt dafelbft 240 Etabliffements mit 1000
ttabilen und mehr als 2000 häuslichen Arbeitern. Der Produktionswerth überfteigt
eine Million Rubel. In grofsem Mafsftabe betreiben noch die Lederinduftrie das
Dorf Piatnitzkoje im Gouvernement Moskau, welches Stiefel verfertigt, das Dorf
Bogorodskoje im Diftrikte Schuja, welches jährlich 700.000 Paar Handfchuhe
erzeugt, das Dorf Lejenewo im Gouvernement Wladimir u. f. w. Man kann den
gelammten Produktionswerth der häuslichen Lederinduftrie auf 10 bis 15 Mil
lionen Rubel fchätzen.
V. Verfchiedene Induftrien.
Aufser den im Vorftehenden gefchilderten Hausinduftrien giebt es in Rufs
land noch eine Anzahl anderer; fo die Verfertigung von Töpferwaaren, welche
ihren Sitz vornehmlich in einigen Diftrikten der Gouvernements Nifchnei-Now-
gorod, Jaroflaw und Moskau hat, die Herftellung von Bildern im Diftrikte Wias-
niki (Gouvernement Wladimir), deren man jährlich 2 Millionen erzeugt, welche
durch Colporteure durch ganz Rufsland verbreitet werden; die Anfertigung von
Geräthen aus Seefifch-Gräten imDiftridte Kolmogary (Gouvernement Archangel);
die Erzeugung von Glaswaaren in den Diftrikten Dmitrow und Klina (Gouver
nement Moskau) und endlich die Anfertigung von Kleidungsftücken, welche
ohne beftimmten Mittelpunkt allenthalben betrieben wird.
Statiftik der ruffifchen Textil-Induftrie.*
I. Die Baumwoll-Induftrie.
Die ruffifche Baumwoll-Induftrie ift noch nicht gar fo alt. Erft gegen Ende
des vorigen Jahrhunderts begann fie Wurzel zu fchlagen, und heute überfteigt der
Werth ihrer Produdle bereits die Ziffer von 162 Millionen Rubel. Unter den ver-
fchiedenen Zweigen diefer Induftrie entwickelte fich die Spinnerei am fpäteften.
Lange Zeit vor Einführung derfelben befchäftigten fich verfchiedene Dörfer der
Centralgouvernements, befonders um Moskau herum, mit der Weberei von aus
England importirten Baumwoll-Gefpinnften, wodurch freilich der Flachsweberei
und Hachsfpinnerei Abbruch gefchah. Die Bleichanftalten, die Färbereien und
Druckereien waren nur wenig entwickelt. In den letzten Jahren des XVIII. Jahr
hunderts zählte man in Rufsland nach officiellen Zufammenftellungen nur 90 Webe
reien; bald jedoch nahm diefe Induftrie einen ungeahnten Auffchwung, und im
Jahre 1820 war die Anzätil der Webereien bereits auf 440 geftiegen, welche eine
Armee von 36.000 Arbeitern befchäftigten und 35 Millionen Arfchinen Web
waaren in den Handel brachten. Noch gröfsere Fortfehritte machte die Web-
induftrie, als im Jahre 1822 der Schutzzoll-Tarif Einführung fand, welcher die Ein
fuhr gedruckter Webewaaren verbot und den anderen Baumwoll-Waaren eine nicht
unbträchtliche Importfteuer auferlegte. Unter dem Einfiuffe diefes Tarifes ver
doppelte fich binnen wenigen Jahren die heimifche Fabrication. Im Jahre 1830 gab
es 538 Webereien mit 76.000 Arbeitern und einer Produktion von 83 Millionen
Arfchinen. In erfter Reihe ift dem Schutzzölle indeffen die Ausdehnung der
Mafchinenfpinnerei zu danken. Die beiden erften, Privatperfonen gehörigen
Spinnereien wurden 1824, die eine zu Moskau, die andere zu St. Petersburg,
gegründet, und zehn Jahre fpäter zählte man bereits 25 folcher Etabliffements,
im Jahre 1849 hingegen 45 mit einer Gefammtproduklion im Werthe von
11,500.000 Rubeln Die im Jahre 1850 erfolgte Ermäfsigung des Importzolles auf
Baumwoll Gefpinnfte von 6 auf 5 Rubel pro Pud ging an der ruffifchen Induftrie
* Nach Nebolfine’s Notice ftatiftique für les induftries textiles en Ruflie: St. Peters-
bourg. 1873.