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Volltext: Das Handwerk des Buchbindens in Vergangenheit und Gegenwart

und Essigwasser grundiert, die Goldfolie aufgelegt und mit Hilfe von erhitzten, 
erhaben geschnittenen Stempeln auf das schon vorgestempelte Leder gedrückt. 
Um die Mitte des 16. Jhdts. drangen auch die „neuen Motive“, das Bandwerk, die 
Arabeske und die Maureske aus Italien nach Deutschland (Kat.Nr. 15), wurden 
zunächst aber nur von wenigen Meistern für ihre in „Welscher Art“ gebundenen 
Werke verwendet (Kat.-Nr. 16). Zum Durchbruch kam die neue Dekoration unter 
Kurfürst August von Sachsen (1553-1586), der 1556 den Buchbinder Jakob Krause 
an seinen Hof in Dresden als Hofbuchbinder verpflichtete. Krause wandte die Hand 
vergoldung im Sinne der italienisch-französischen Renaissance an, er ersetzte den 
Holzdeckel durch Pappdeckel, die metallenen Schließen durch Seidenbänder, vor 
allem aber verzierte er die Buchschnitte durch fein ziselierte Ornamentstreifen in 
Goldschnitt. In der Musterwahl zeichnen Rollwerk und Blattrankenstempel viele 
seiner Einbände aus. Ein unsignierter Einband des Österreichischen Museums 
(Kat. Nr. 19) dürfte eine Arbeit Krauses oder seiner Werkstatt in unmittelbarer 
Nachfolge zu einem signierten Band der Bayrischen Staatsbibliothek sein. 2 ) Das Roll- 
bzw. Bandwerk wurde von Krause und seiner Werkstatt sowohl aus Italien, wie auch 
aus Frankreich nach Deutschland übernommen. Venedig, Lyon und Paris waren in 
gleicher Weise eine Art „Einfallstor“ orientalischen geometrisierenden Schmuck 
stiles. 
Ein französischer Einband des Österreichischen Museums für angewandte Kunst aus 
der Mitte des 16. Jhdts. (Kat. Nr. 26) zeigt in seinem Mittelfeld ein charakteristisches 
Knotenwerk, das von zwei parallel laufenden Bänden gebildet wird, wobei die Bänder 
mit Hilfe aufgetragenen Lackes farblich unterschieden sind. Dem Bandwerk ange 
schlossen werden ebenfalls farblich differenzierte Blattstempel, den Grund rund um 
das Mittelfeld beleben zahlreiche kleine vergoldete Punzen. 3 ) 
Die Verbindung des Blattstempels - im vorliegenden Fall ist er, um seinen dekora 
tiven Reiz zu erhöhen schraffiert — mit Ranken zeichnet einen venezianischen 
Einband der Zeit von 1560/70 aus (Abb. 1). Orientalische Schmuckfreudigkeit und 
der Hang zur Wahl von kostbarem Material sprechen gleicherweise aus dem roten, 
vergoldeten Maroquinledereinband. Maroquinleder ist ein besonders feines Ziegen 
leder, das aus dem Orient bezogen wurde und sich sowohl für die Vergoldung, als auch 
für farbliche Behandlung hervorragend eignet. 
Eine deutliche Steigerung des Dekorationssystems zeigt der ebenfalls venezianische 
Einband der Zeit um 1600—1610. Die Ranke wird geometrisiert, aus den Mauresk- 
blättern werden üppige Fächer mit eingerollten Enden, zwischen die naturalistische 
Tierfiguren gesetzt sind. Die Mitte betont eine Rollwerkkartusche mit Maske 
(Abb. 2). In seltsamem Gegensatz zur hohen Gualität des Mittelfeldes ist die Bordüre 
gearbeitet, an der ohne Berücksichtigung der Ecklösungen eine Rolle von stilisierten 
Palmetten abläuft. 
Im Zuge der politischen Ereignisse der Zeit um 1500 wurde Frankreich mit der künst 
lerisch hochstehenden italienischen Einbandkunst (Kat. Nr. 23) bekannt und begann 
sie zu kopieren. Durch Jean Grolier (1479—1565), einen der bedeutendsten Buch 
liebhaber des 16. Jhdts., kam der italienische Stil in Frankreich zum Siege. Grolier war 
ein gebildeter, feinsinniger Humanist, ein eleganter Renaissancemensch gewesen, der 
„für sich und seine Freunde“ Einbände von höchster künstlerischer Qualität 
herstellen ließ. Obwohl alle diese Bände unter dem Begriff „Grolierstil“ laufen, ist es 
sehr schwer diesen zu definieren, da eine Vielzahl von Variationen für ihn charak 
teristisch ist. Der Band, den das Österreichische Museum besitzt (Abb. 3) ist stilistisch 
Groliers’ erstem Buchbinder zuzuordnen und stammt wohl aus der Zeit um 1540. 4 ) 
Einfache geometrische Einteilung, und eine sparsame, ausgewogene Arabeskranke 
zeichnen die vergoldeten Dekorationen des grünen Maroquinledereinbandes aus. 
Den späteren Grolier-Einbänden verwandt sind die für einen anderen großen und 
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