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zugestanden worden. Allein in ihren Fortschritten standen sie sicht
lich zurück gegen vielleicht weniger begabte Völker, bei denen
während des abgelaufenen Jahrzehnts ernstliche Anstrengungen
zur Hebung des Geschmackes gemacht worden waren.
Diese Erscheinung fand die volle Beachtung des damaligen
Ministerpräsidenten, Sr. k. Hoheit Er\her{og Rainer. Als der Uni
versitätsprofessor Rudolph v. Eüelberger, welcher als Bericht
erstatter für die Abtheilung der Kunst an der Londoner Welt
ausstellung fungirte, im Frühjahre 1862 von London nach Wien
zurückgekehrt war, erhielt derselbe vom Erzherzog Rainer den Auftrag,
einen Bericht über Kunst und Kunstindustrie Oesterreichs im Ver
gleich mit den entsprechenden Leistungen anderer Länder zu ver
fassen und zugleich Vorschläge für die Hebung der Geschmacks- L
bildung in Oesterreich zu erstatten. In diesem Berichte wurden
die verschiedensten zu derartigen Zwecken gegründeten Anstalten
des Auslandes, die Art und Weise der Förderung des Kunstunter
richts in den Schulen, der Benützung der Museen entsprechend
gewürdigt, und insbesondere auf das South-Kensington-Museum
hingewiesen, das damals, auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung
stehend, noch nicht jene ausserordentliche Ausdehnung gewonnen
hatte, die gegenwärtig seine Wirksamkeit eher hemmt als fördert. ff
Die betreffende Denkschrift wurde Sr. Majestät dem Kaiser
vorgelegt, und schon im Herbst des Jahres 1862 erhielt der Pro
fessor v. Eitelberger die Weisung, sich mit der Frage der Grün
dung eines Museums, das vorzugsweise zur Hebung des Geschmackes
berufen sein sollte, zu beschäftigen.
Man sah gleich bei der Erörterung dieser Fragen, an der
ausser Herrn Hofrath Roschmann, dem damaligen Chef des Minister
rathspräsidiums, Niemand Theil nahm, von der Möglichkeit ab, ein
Museum dieser Art rein aus Staatsmitteln herzustellen. Bei dem
Stande der Finanzen der österreichischen Monarchie konnten nicht
entfernt die dazu nöthigen Summen zur Verfügung gestellt werden;
vielmehr musste vom Anfänge an die leihweise Aufnahme hervor
ragender Gegenstände aus den Kunstschätzen des kaiserlichen
Hofes, des Adels, der Geistlichkeit und der Kunstliebhaber der t
Monarchie in’s Auge gefasst werden.
Eine Enquete in einem grossen Theile der Monarchie lieferte
eine Uebersicht über die vorhandenen Kunstschätze, und nunmehr
konnte von Sr. k. Hoheit Erzherzog Rainer Sr. Majestät dem Kaiser
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