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VERBESSERTES MODERNES SYSTEM.
sie in den regulären Stadtteilen in höchst lästiger und auch
der Gesundheit schädlicher Weise durch die geraden Straßen
hinstürmen. Man kann das zur Genüge überall beobachten, wo
neue und alte Stadtteile nebeneinanderstehen, am besten viel
leicht in dem mit Winden so sehr gesegneten Wien. Während
man da bei mittlerer Luftströmung die alte innere Stadt
ohne Belästigung durchqueren kann, wird man sofort von
Staubwolken umhüllt, wenn man eine Neuanlage betritt.
An freien Plätzen, wo die von allen Seiten zugeführten
Straßenmündungen auch die Winde von allen Seiten zu
sammenführen, kann man (wie am neuen Wiener Rathaus
platz) fast das ganze Jahr hindurch die schönsten Wind
hosen beobachten, im Sommer als Staubsäule, im Winter
als Schneehose. Das ist auch so eine löbliche Errungen
schaft des modernen Städtebaues.
Von besonderem Einflüsse auf die Windverteilung sind
hoch über die Dächerebene hervorragende Gebäude, be
sonders die riesigen steilen Dächer gotischer Dome, an
welchen sich die Winde brechen und deshalb in die Tiefe
wühlen. Daher sind die engen Umgänge um solche Dome
selten gänzlich windfrei. Vom Wiener Stephansdom besagt
dies ein alter heiterer Spruch:
»Zu Wien der Stephansmünster
Ist außen grau und innen finster.
Hast du ihn vorn gesehen,
So kannst du rückwärts gehen,
Dort siehst du ihn von hint,
Gestattet dir’s der Wind.«
Vielleicht wäre es gut, solche Kirchenbauten, bloß
wegen der Winde, so zu situieren, daß sie mit dem Chor
umgang der gewöhnlichen Windrichtung entgegengestellt
werden, weil dann die Silhouette des abfallenden Chores
und der hochragenden Türme eine gegen die Windrichtung
in der Gesamtheit schief ansteigende Ebene darstellte,
welche den Luftstrom mehr nach oben drücken würde als
in die Tiefe, und weil das Langschiffdach wie ein um
gekehrter Schiffskiel den Luftstrom durchschneiden würde.