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Dr. Emil Teirich.
Fortfehritt in der künftlerifchen Behandlung des Porzellans zuzufchreiben ift,
fo hat bei uns das öflerreichifche Mufeum für Kunft und Induftrie ein unleugbares
Verdienft um die Verbefferung der Gefchmacksrichtung. Diefs gilt ebenfo von der
Bronce- und Möbel induftrie als von der Poterie. Auch unfere moderne Por-
zellaninduftrie beginnt das Streben der alten Wiener Fabrik endlich wieder aufzu
nehmen, das alte chinefifche Formenwefen auszurotten und den Stil des Porzellans,
wenigftens jenen der Gebrauchsgegenftände zu regeneriren.
Die Formen der anderen Zweige der Thonwaaren - Induftrie können uns
hierin zum Vorbilde dienen. Grofse Variationen, ganz neue, bisher noch nicht
angewandte Gefäfsprofile für das Gefchirr zum häuslichen Gebrauche werden wir
freilich nicht in grofsen Mengen finden. Es ift zudem ganz eigenthümlich, wie in
den verfchiedenften Ländern manche Gefäfsformen fich unabhängig von einander
und doch fo vollftändig ähnlich durch die Hausinduftrie zu entwickeln ver
mochten , um endlich als anerkannt praktifch und dem Zwecke völlig ent-
fprechend, mit erftaunlicher Confequenz durch Jahrhunderte unverändert fort
erhalten zu bleiben. Diefs ift natürlich mehr der Fall, wo die Segnungen unferer
überfeinerten Civilifation noch nicht durch das Gefchenk der Mode die natür
liche Kunftrichtung aus ihren Bahnen gedrängt haben, wo nicht] eine fpeculations-
füchtige Fabrication an der Verderbnifs des Gefchmackes arbeiten konnte.
Von dort her aber müffen wir unfere Urformen holen, an denen dann
freilich nur Weniges durch Verfeinerung der Profillinie, durch Modellirung und
Anfatz des Henkels zu ändern fein wird, wenn nicht wieder die Beftimmung
des Gefäfses ganz oder theilweife der Form geopfert werden foll, wenn die
Eigenfchaften des ficheren Aufbewahrens und Entleerens von feilen oder flüffigen
Körpern die Tragbarkeit und handliche Geftalt, wenn die leichte Reinhaltung
oder die Stabilität des Gefchirres nicht leiden foll. Beim Nutzgefäfs — das
fehen wir — bleibt für den Künftler kaum viel mehr als die Fläche zur An
bringung feiner Decors.
Anders verhält fich’s mit dem Ziergeräth.
Hier mag gröfsere Freiheit gelten, hier fallen manche Schranken für die
Phantafie des Decorateurs. Aber auch hier möchten wir glauben, dafs ein All
zuviel fchaden könnte. Meift fehlen unfere Künftler darin, dafs der ganze
Körper des feinen Porzellans mit der farbigen Decoration gedeckt und damit
deffen fpecififche, gute Eigenfchaften maskirt werden und verloren gehen. So
fehr daher die farbige Decoration des Porzellans gewünfeht werden mufs, fo
darf diefelbe, glauben wir, doch nie fo weit gehen, den ganzen disponiblen
Raum zu occupiren. Stets foll der natürliche Ton des Materiales auch als der
wirkliche Träger des Ornamentes zur Geltung kommen. In diefem Sinne wären
dann freilich die über und über bemalten Fayencevafen eines Ginori ebenfo ver
werflich wie gewiffe Porzellangefäfse, die z. B. Denk ganz mit einer Imitation
von Champ-levee Email überzogen hat, fo fehr wir auch das Verdienftliche
der gelungenen, hochft fubtilen Ausführungsweife anerkennen müffen.
Wir kommen hiebei auf die Terracotta Imitation von Worcefter zurück
die wir bereits tadelnd erwähnten und müffen als Beifpiel einer ähnlichen Ver
irrung die ganz übergoldeten Henkel und Gefäfse von Fifcher und Mieg oder
die grofse Vafe der kaiferlich ruffifchen Manufactur anführen. Hier wird der
ganze Charakter des Thongefchirres verleugnet und die Illufion einer Gold
oder Broncemontirung angeftrebt, wobei natürlich der beftehende innere
Zufammenhang der Theile geleugnet ift.
Die moderne Anfchauungsweife differirt, wie wir mit Vergnügen confta-
tiren konnten, bereits entfehieden mit der alten, das Porzellangefäfs wird doch
fchon feltener lediglich zum Träger eines Bildes, einer, mit allen Mitteln der
Emailtechnik ausgeführten Malerei benützt, fondern es verfolgt in dem Aufbau
feiner mehr gegliederten Form den Selbftzweck, es betont in der Contour
fchon das innerfte Wefen.