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Volltext: Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts : ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung, Band 1: Charakteristik und Entwicklung der Stadt, Ingenieurbauten

Schiffahrt. 
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die scr Ziffer erhält, betrug der Lokalgüterumschlag auf der Donau nächst Wien im Jahre 1902 
(ohne Transit) 718.800 t und inklusive des Transite Verkehres nur 1,024.900 t. Diese Ziffern 
dürften hinreichen, um den gegenwärtigen wirtschaftlichen Wert der Donau im allgemeinen 
■ insbesondere aber auch in bezug auf die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien zur Genüo-ë 
zu illustrieren. ^ 
Die Ursachen dieses geringen Anteiles der Donauschiffahrt an dem Gesamtgüterverkehr 
können wohl ungeachtet des Umstandes, daß dem Donaustrom seitens des Staates und der 
Länder sowie auch seitens der Großkommune Wien die entsprechende Fürsorge niemals vor 
enthalten war, und daß auch die auf die Verbesserung der Fahrstraße dieses^Stromes abzie- 
lenden Bestrebungen stets gefördert wurden, hauptsächlich darin gefunden werden, daß in 
der ganzen Strecke der Donau bis zur Theißmündung die Güterzufuhrsadern, die schiffbaren 
Zuflüsse, mangelten, welche die Bestimmung gehabt hätten, auch das Binnenland für die Groß 
schiffahrt zu erschließen. Allerdings kann nicht unerwähnt bleiben, daß auch der Mano-el an 
gegen Eisgang und Hochwasser geschützten Umschlags- und Hafenplätzen bis in die letzte 
Zeit, sowie auch der Umstand, daß die Donau in das von der großen internationalen See 
schiffahrt weit entlegene Schwarze Meer mündet, dazu beigetragen haben, daß die Schiffahrt 
auf der Donau nicht den erwünschten Aufschwung nehmen konnte, wiewohl namentlich in 
ersterer Beziehung seitens der maßgebenden Faktoren alles aufgeboten wurde, um den An 
forderungen der Schiffahrt, insbesondere in bezug auf Errichtung von Häfen, tuniiehst Rechnung 
zu tragen. 
An dem durch Schiffe in Wien vermittelten Verkehre nehmen — wie schon erwähnt 
außer der großen einheimischen Unternehmung auch die Ungarische Fluß- und Seedampf- 
schiffahrts-Aktiengesellschaft (mit einem Schiffspark von 42 Dampfern und 246 Warenbooten), 
ferner die Süddeutsche Donau - Dampfschiffahrts - Gesellschaft (mit einem Schiffspark von 
9 Dampfern und 72 Warenbooten), endlich die einheimische Ruderschiffahrt teil. 
Für die Lagerung und den Umschlag der Waren, der sich zum weitaus größten Teil auf 
dem am rechten Ufer des 13 km langen Donaudurchstiches gelegenen Handelskai abwickelt, 
dienen eine Reihe von Lagerhäusern, die teils im Besitz der Gemeinde Wien, teils in jenem 
der I. k. k. privilegierten Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft und der übrigen Schiffahrtsunter 
nehmungen befinden (siehe Abschnitt: Lagerhäuser). Zum Umschlag der Waren (Stückgüter) 
stehen vier Dampfkrahne, ein elektrisch angetriebener Krahn zu je 1500 kg Tragkraft, ferner 
ein Handkrahn von 30.000 kg Tragkraft zur Verfügung. Das a la rinfuso ankommende Getreide, 
Mais etc. wird noch in urwüchsigster Weise auf den Schiffen in Säcke gefüllt, abgewogen und 
dann durch Taglöhner in die Magazine getragen. In dieser Richtung bedarf der Umschlag der 
Massenartikel noch ganz bedeutender Verbesserungen. 
Die Schiffahrtstreibenden betonten seit jeher den Mangel eines Winterhafens in unmittel 
barster Nähe der Umschlagplätze. Im Jahre 1902 wurde deshalb von der Donauregulierungs 
kommission der zirka 8 km unterhalb der Kronprinz Rudolf-Brücke (Nullpunkt der Kilometrie 
rung der österreichischen Donaustrecke) liegende Freudenauer Hafen fertiggestellt, welcher 
für 400 große Schiffe Raum bietet; ferner wurde zirka 8 km oberhalb der genannten Brücke im 
Vorjahre der sogenannte Kuchelauer Hafen fertiggestellt, der hauptsächlich als Warte- und 
Schutzhafen für Ruderschiffe und Flöße bestimmt ist. Diese Hafenanlagen sowie der zu einem 
Handels- und Winterhafen umgebaute Donaukanal werden in eigenen Abschnitten besprochen. 
Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß der Schiffsverkehr in Wien durch 
den Bau der geplanten Kanäle (Donau-Oder- und Donau-Elbekanaf) eine ganz gewaltige 
Zunahme erfahren wird, daß insbesondere die billige Zufuhr von Kohlen für die in Wien 
ansässigen Industrien, also auch für die Stadtgemeinde Wien als Besitzerin der Gas- und Elek 
trizitätswerke von großem Vorteil sein wird, abgesehen davon, daß jede Familie durch die 
zweifellos billiger werdende Hausbrandkohle den Nutzen künstlicher Wasserstraßen im Haus 
haltungskonto leicht ersehen wird. 
Juni 1904. Anton Schramm. 
Bd. I. 
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