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Gebäude für Kultuszwecke.
geweihte Bau der Schottenkirche werden, von dem einzelne Reste vorhanden sind. Die Grund
mauern der dreischiffigen, mit zwei Fassadentürmen und Vierungsdachreiter bedachten Basilika
stecken noch heute in dem im 14. Jahrhundert umgebauten Kirchengebäude. Einzelne gefundene
romanische Fragmente, am bemerkenswertesten ein romanischer Portallöwe, gehören dieser
zweiten Bauperiode an.
Während der Übergangszeit vom romanischen Stil zur Gotik entstehen unter Leopold II.
und unter der ottokarischen Herrschaft eine größere Zahl von Kirchen und Kapellen, so daß
Wien, nach dem heutigen Stadtumfang gerechnet,
im Jahre 1282 insgesamt deren nicht weniger als
32 aufweist. Die meisten unter ihnen waren, wie
aus Geschichtsqellen hervorgeht, kleine, bedeu
tungslose Kapellen, die spurlos verschwanden,
die wichtigeren konnten ihrer wachsenden Be
deutung nicht mehr gerecht werden und mußten
Neubauten weichen, so daß heute von all diesen
kirchlichen Bauten nicht mehr als drei bestehen:
St. Ruprecht, St. Stephan und St. Michael.
Gegenüber der verschwindend kleinen Zahl
von Baudenkmalen aus romanischer Zeit ge
staltet sich die Bautätigkeit im 14. und 15. Jahr
hundert großartiger und abwechslungsreicher.
Günstigere politische Verhältnisse, reiche Stif
tungen des Habsburgischen Fürstenhauses und
der wiedergewonnene Wohlstand der Bürger
förderten ein Emporblühen Wiens in dieser Zeit.
Eng verknüpft war dieser Aufschwung mit dem
Ansehen der Bauhütte von St. Stephan, die sich
auf dem Regensburger Steinmetzentag 1459 als
Vorort für die österreichischen Lande von Lam
bach bis Steyr, nach Ungarn hinein und die
Donau abwärts eine Stellung errang, wie sie nur
wenigen Bauhütten eingeräumt wurde. Ein wei
teres Zeichen für die Bedeutung der Wiener
Bauhütte ist nicht nur die Tatsache, daß Gesellen
und Meister aus allen Teilen Österreichs und
Ungarns, aus den berühmten Kunststätten des
Deutschen Reiches und selbst aus Frankreich
kamen, auch umgekehrt können wir bei vielen
hervorragenden kirchlichen Bauten des großen Abt>. 13. Metropolitankirche zu st. Stephan, inooo.
Hüttengebietes, selbst bis Agram, Wiener Einfluß
verfolgen und muß auch Benedikt Rieth, der berühmte Baumeister Wladislaws II., der Wiener
Bauhütte zugerechnet werden. Unter den kirchlichen Bauten der Gotik in Wien steht obenan
St. Stephans Bau, ihm reiht sich eine Zahl höchst reizvoller und interessanter Schöpfungen an,
die zum großen Teil selbst den Neuerungsgelüsten der glanzvollsten Zeit der baulichen Ent
wicklung Wiens, der Barocke, standhielten. Alle diese Bauten aus dem Mittelalter liegen im
I. Bezirke.
St. Stephan (Abb. 12, 13, 23—31 und Tafel 1)')
Der romanische Bau. 2 ) Nach dem Brande von 1193, der die ältere Anlage zerstörte,
entstand ein Neubau, als dreischiffige, querhauslose Basilika, mit sieben Arkaden im Langhause
') Ogesser, Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Stephan, 1779; Priraisser in Wiener Jahrbüchern der Literatur, 1820,
und in Hormayrs Geschichte Wiens, 1824; Tschischka, Metropolitankirche St. Stephan, 1832; v. Perger, Dora zu St. Stephan,
1854; von Zeitschriften: die Allgemeine Bauzeitung, 1843, 1853; die Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereraes,
1866, 1893, und vor allem das Wiener Dombauvereinsblatt, das in den zahlreichen Studien Prof. W. A. Neumanns eine reiche
Ausbeute für die Kenntnis der Baugeschichte St. Stephans bietet. Aus der neuesten Literatur sind von besonderer Bedeutung: Uhlirz,
Die Rechnungen des Kirchmeisteramtes von St. Stephan, 1901 1902; Lèixner, St. Stephan zu Wien, und zwei, vielfach ganz neue
Aufschlüsse gebende Arbeiten von Prof. Neuwirth, Aus der Baugeschichte von St. Stephan, 1902 (Monatsblätter des Altertums
vereines), und Die Stellung Wiens in der baugeschichtlichen Entwicklung Mitteleuropas, 1903.
2 ) Fr. Schmidt, über die zwei älteren Bauepochen der Domkirche zu St. Stephan. Dombauvereinsblatt, I.